Der aktuelle Schadensfall Verformungen einer schwimmenden Zementestrichkonstruktion und Rissbildung im Bodenbelag Alles muss raus

Nach nur halbjähriger Nutzung reklamierte ein Bauherr Risse im keramischen Fliesenbelag. Bei der Ermittlung der Schadensursache wurden zahlreiche Mängel innerhalb der Fußbodenkonstruktion festgestellt.Im Badezimmer waren Randabsenkungen von bis zu 7 Millimeter feststellbarAlles muss raus Im Rahmen der schlüsselfertigen Erstellung eines Einfamilienhauses hat ein Unternehmer für Estricharbeiten Ende Juni in den Wohn- und Schlafräumen sowie im Badezimmer auf der Oberfläche einer Betonkonstruktion eine neue schwimmende Zementestrichkonstruktion mit einer mittleren Schichtdicke von 45 mm in Verbindung mit Polystyroldämmplatten als Dämmlage eingebaut. Aufgrund des zeitlichen Termindruckes wurde der Nachunternehmer für Fliesen- und Plattenarbeiten vom Generalunternehmer dazu aufgefordert, bereits Mitte August 2002 mit den Fliesenverlegearbeiten zu beginnen. Auf der Oberfläche der schwimmenden Zementestrichkonstruktion, die zu diesem Zeitpunkt keine optisch erkennbaren negativen Sachverhalte aufwies, hat der Auftragnehmer für Fliesen- und Plattenarbeiten daraufhin, ohne die gemäß der VOB DIN 18352 geforderten Feuchtigkeitsmessungen durchzuführen, 10 mm dicke keramische Fliesen in Verbindung mit einem nicht näher bezeichneten zementären Dünnbettmörtel verlegt. Innerhalb des Bauvorhabens lag zum Zeit-punkt der Fliesenverlegung die Estrichkonstruktion ohne Bewegungsfugen, jedoch mit Kellenschnitten in Türdurchgangsbereichen, vor. Die Scheinfugen wurden gemäß Protokollangaben nicht verharzt und es wurden seitens des Auftragnehmers auch keine Bedenken angemeldet. Nach einer halbjährigen Nutzung der Fußbodenebene durch den Bauherrn wurden bauherrenseitig erstmals Randabsenkungen und Risse reklamiert. Im Bereich der Risse kam es zu Ablösungen einzelner keramischer Fliesen. Aufgrund der Vielzahl der zu diesem Zeitpunkt bereits abgelösten und gerissenen keramischen Fliesen/Platten wurden im Obergeschoss in einem Schlafraum vollflächig die keramischen Fliesen entfernt. Nach einer Risssanierung und aufgrund zusätzlicher Egalisierungsmaßnahmen wurden neue keramische Fliesen seitens des Auftragnehmers für Fliesen- und Plattenarbeiten verlegt. Da weiterhin in den anderen Räumen des Bauvorhabens deutliche Formveränderungen – Aufwölbungen der Fußbodenkonstruktion jeweils etwa in der Mitte der Räume und der Randabsenkungen, Abrisse des elastischen Verfugungsmaterials zwischen der keramischen Fliesenebene und den keramischen Stellsockeln – und zusätzlich in den Schlafzimmern des Obergeschosses sowie im Wohnzimmer des Erdgeschosses Risse konstatiert wurden, mussten weitergehende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Allerdings sollte zuvor die genaue Schadensursache ermittelt werden. Feststellungen vor Ort Im Rahmen der vollflächigen Überprüfung der frei zugänglichen Teilflächenbereiche war feststellbar, dass eine Vielzahl optisch erkennbarer Formveränderungen der keramischen Fliesenebene vorlagen. Konkret waren optisch wellenförmige Verformungen sichtbar. Insbesondere im Badezimmer war jeweils in den Eckbereichen eine Absenkung von bis zu 7 mm feststellbar und etwa in Mitte des Badezimmers ebenfalls eine Vertiefung von ca. 6 mm. Diese Formveränderungen waren nicht nur optisch erkennbar. Hinzu kam eine Vielzahl von Rissen, insbesondere im Bereich der Absenkungen innerhalb der keramischen Fliesenebene. Teilweise kam es bereits zu Absplitterungen der Glasurschicht der keramischen Fliesen, so dass eine akute Verletzungsgefahr und somit auch ein dringender Sanierungsbedarf bestand. Auch war feststellbar, dass insbesondere im Bereich der Risse die keramischen Fliesen hohl lagen, d.h., es lag ein ungenügender Haftverbund der keramischen Fliesen zum Untergrund vor. Eine stichprobenartig durchgeführte Überprüfung der Randfugen hat ergeben, dass diese überwiegend mit Mörtel bzw. mit Fugenmaterial verfüllt vorlagen. Bewegungsfugen lagen innerhalb der Teilflächenbereiche nicht vor, sondern lediglich gemäß Protokollangaben Kellenschnitte innerhalb der Estrichkonstruktion, die seitens des Auftragnehmers für Fliesenarbeiten lediglich mit Fliesenkleber zugespachtelt worden waren. Die keramischen Fliesenebenen waren mit jeweils elastisch verfugten Feldbegrenzungsfugen, die jedoch nur innerhalb der Fliesenebene vorlagen, zu den einzelnen Räumen bzw. Fluren hingehend getrennt worden. In den größeren Räumen, wie z.B. Wohnzimmer und Schlafzimmer, waren im Bereich der Umgebungswände, sowohl in Innenwandbereichen als auch Außenwandbereichen, Randabsenkungen, d.h. Abrisse des elastischen Fugenmaterials in Breiten zwischen 4–7 mm, feststellbar, wobei in Verbindung mit einer Messlatte nachvollzogen werden konnte, dass insgesamt gesehen im Wohnzimmer und im Schlafzimmer die Estrichkonstruktion zu den Rändern hingehend abgesenkt und zwischen dem in der Mitte des Raumes verlaufenden Riss jedoch hochstehend/aufgewölbt in Höhen bis zu 7 mm vorlag. Für eine weitergehende Ursachenforschung wurde es dem Sachverständigen gestattet, die Fußbodenkonstruktion in einigen Teilflächenbereichen zu öffnen. Im Bereich eines Risses im Flur wurde daher die Estrichkonstruktion auf einer Fläche von ca. 50 cmu50 cm eingeschnitten und die Estrichprobeplatte für eine Bestätigungsprüfung gemäß DIN 18560 entnommen. Hierbei war feststellbar, dass im Bereich des durchgehenden Risses sowohl innerhalb der keramischen Fliesenebene als auch in den darunter befindlichen Estrichkonstruktionen Heizrohre verliefen. Unmittelbar auf die Rohbetondecke waren isolierte Wasserrohre (für die Heizkörper als auch für die sanitären Einrichtungen im Badezimmer) verlegt worden. Aufgrund der geringen Dämmschichtdicke von lediglich 40 mm wurden die isolierten Rohre nicht mit einer Dämmschicht überdeckt, sondern lediglich seitens des Auftragnehmers für Estricharbeiten mit einer Schränzlage bzw. einem Ölpapier abgedeckt. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Rohren wurden auch nicht, wie es sach- und fachgerecht ist, mit einer entsprechenden Polystyrolschüttung verfüllt, sondern die Hohlräume wurden lediglich ebenfalls mit einer Schränzlage bzw. mit einem Ölpapier abgedeckt. Die Zwischenräume zwischen den Rohren wurden überwiegend im Rahmen des Estricheinbaus mit Estrichmörtel verfüllt. Hierdurch kam es zu zusätzlichen Spannungen, u.a. im Rahmen des Abbindeprozesses der Estrichkonstruktion. Eine weitere Probeplatte wurde im Dachgeschoss entnommen. Eine Überprüfung der mit Mörtelmaterial „zugeschmierten“ Scheinfugen ergab, dass diese jeweils vollständig durchgerissen waren, d.h. im Bereich der einzelnen Scheinfugen kam es jeweils zu Rissen innerhalb der keramischen Fliesenebene, weitergehend zu Ablösungen. In mehreren weiteren Teilflächenbereichen wurde bestätigt, dass jeweils in den Absenkungen, in denen Risse innerhalb der keramischen Fliesenebene vorlagen, ebenfalls deckungsgleich Risse innerhalb der Estrichkonstruktion vorhanden waren. Schadensursachenermittlung Gemäß Leistungsverzeichnis wurde ein Zementestrich der Festigkeitsklasse ZE 20 nach DIN 18560 hergestellt. Auf Grundlage der zuvor genannten DIN 18560, Teil 1 ist eine Mindestschichtdicke bei der Aufnahme von keramischen Fliesen/Platten von 45 mm vorgegeben. Im Rahmen des Gutachtertermins wurde die zuvor genannte Mindestschichtdicke von 45 mm in mehreren Teilflächenbereichen überprüft und konnte auch bestätigt werden. Anhand der entnommenen zwei Probeplatten aus der Estrichkonstruktion für eine Bestätigungsprüfung gemäß DIN 18560 konnte bestätigt werden, dass die vorhandene Festigkeitsklasse die geforderte um ein Vielfaches überstieg, d.h., gemäß Leistungsverzeichnis war eine Festigkeitsklasse ZE 20 gefordert und im Bauvorhaben war ein Estrich mit einer Festigkeitsklasse ZE 30 vorhanden. Somit schied dieser Sachverhalt als Schadensursache aus. Auf der Grundlage der sachverständigenseits vor Ort durchgeführten umfangreichen Prüfungen sowie der weiteren Materialprüfungen war die Ursache eindeutig feststellbar. Die Ursache der im Bauvorhaben vorliegenden Verformungen der Estrichkonstruktion sowie der aus den Verformungen resultierenden Risse ist zurückzuführen auf folgende Punkte: e Die Funktionstüchtigkeit der Randfugen wurde durch Vermörtelungen bzw. Mörtelreste und Kleberreste aufgehoben/behindert. Hierdurch kommt es zu zusätzlichen Spannungen innerhalb der Estrichkonstruktion und auf der fest arretierten/geklebten keramischen Fliesen-/Plattenebene. e Im gesamten Bauvorhaben, d.h. innerhalb der Zementestrichkonstruktionen, waren keine funktionsfähigen Bewegungsfugen vorhanden. Die vorhandenen Scheinfugen innerhalb der Estrichkonstruktion wurden seitens des Auftragnehmers lediglich mittels Klebemörtel „zugeschmiert“, d.h. nicht sach- und fachgerecht kraftschlüssig geschlossen. Weitergehend hat der Auftragnehmer keine Bedenken angemeldet hinsichtlich der fehlenden Bewegungsfugen, die in diesem Bauvorhaben zwingend erforderlich gewesen wären. e Die Verlegung/Klebung der keramischen Fliesen hat zu einem Zeitpunkt stattgefunden, zu dem die Schwindvorgänge der zementären Lastverteilungsschicht noch nicht in ausreichendem Maße abgeklungen waren, d.h., die Estrichkonstruktion hatte noch keine belegreife Restfeuchtigkeit für die Aufnahme von keramischen Fliesen aufgewiesen. Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass der Auftragnehmer für keramische Fliesen-/ Plattenarbeiten keine Feuchtigkeitsmessungen durchgeführt hat. Er hat somit seine Prüf- und Sorgfaltspflicht gemäß der VOB, Teil C, ATV DIN 18352 grob fahrlässig missachtet. e Unter Berücksichtigung des anhand der zur Verfügung gestellten Rechnungen und weiteren Protokollangaben der Bauherrenschaft entnehmbaren Zeitintervalls zwischen dem Einbau der Estrichkonstruktion und der anschließenden Verlegung der keramischen Fliesen/Platten von rund drei Wochen ist sachverständigenseits davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Verlegung der keramischen Fliesen die im Bauvorhaben vorliegende Estrichkonstruktion nicht den erforderlichen zusätzlichen Restfeuchtigkeitsgehalt von < 2,0 CM-Prozent aufwies. Die durch das weitere Schwinden nach der Verlegung der keramischen Fliesen-/Plattenebene entstandenen Verformungen/Verkürzungen der Estrichscheibe sind durch den Verbund mit der starren Fliesenebene auf der Oberfläche dieser Estrichkonstruktion in erheblichem Maße behindert worden. Dieser Sachverhalt ist in der Branche hinreichend unter dem Begriff Randabsenkungen bzw. Aufschüsselungen bekannt und wird daher an dieser Stelle nicht mehr erläutert. Infolge dieser Formveränderungen, insbesondere aufgrund einer Einspannung der Estrichscheibe der jeweiligen Räume, z.B. durch geschlossene Randfugen und/oder fehlende Bewegungsfugen, kommt es zwangsläufig zu Spannungsrissen innerhalb der Zementestrichkonstruktion und auch in der keramischen Fliesenebene. Zusätzlich werden die Verformungen/die beschriebenen Absenkungen im Randbereich durch aufstehende Möbel und Schränke forciert, die dann die Spannung innerhalb der Estrichkonstruktion vergrößern. Der Einfluss des Bodenbelages, insbesondere einer keramischen Fliesenebene, ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, da diese starre Fliesenebene Verformungen behindert und weitergehend die Feuchtigkeitsverhältnisse im Estrich verändert. Die gesamte Unterkonstruktion, die Dämmschichtkonstruktion, wurde ebenfalls seitens des Auftragnehmers für Estricharbeiten nicht sach- und fachgerecht hergestellt. Im Bereich der auf die Betonkonstruktion verlegten Rohre war keine ordnungsgemäße Überdeckung bzw. Anarbeitung der Dämmschichtkonstruktion vorhanden. Hierdurch kam es zu zusätzlichen Spannungen innerhalb der Estrichkonstruktion im Rahmen des Abbindeprozesses. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um einen verdeckten Mangel für den Auftragnehmer für Fliesen- und Plattenarbeiten handelt. Unter Berücksichtigung der zurzeit geltenden Normen und Richtlinien, insbesondere der Ausführung in der ATV DIN 18352, ist der Auftragnehmer für Fliesen- und Plattenarbeiten verpflichtet, vor Durchführung der Verlegung der keramischen Fliesen/Platten innerhalb einer Estrichkonstruktion sach- und fachgerechte Feuchtigkeitsmessungen durchzuführen, um festzustellen, ob und inwieweit die Estrichkonstruktion ausreichend gleichmäßig trocken ist bzw. keine weiteren wesentlichen Schwindprozesse zu erwarten sind. Die weitergehend festgestellten Einspannungen durch die seitens des Auftragnehmers für Fliesenarbeiten verursachten Vermörtelungen von Randfugen und das Nichtvorhandensein von Bewegungsfugen sind als schadensforcierend zu bezeichnen und insbesondere im Zusammenhang mit den innerhalb der Estrichkonstruktion festgestellten grabenförmigen Absenkungen bzw. den in diesen Teilflächenbereichen vorliegenden „Einbrüchen“ zu sehen. Sanierungsmaßnahmen Aufgrund der Vielzahl der Schäden innerhalb des Teilflächenbereiches ist es notwendig, dass die gesamten keramischen Fliesen von der Oberfläche der Zementestrichkonstruktion entfernt werden. Weitere Sanierungspunkte sind u.a.: e Die Risse müssen kraftschlüssig geschlossen werden. e Die Randfugen sind funktionsfähig herzustellen; e Bewegungsfugen müssen neu hergestellt werden. Auch hier sei darauf hingewiesen, dass der Auftragnehmer für Fliesen- und Plattenarbeiten auch im Rahmen der Renovierungsmaßnahmen nicht von seiner Prüfungs-, Hinweis- und Sorgfaltspflicht am Untergrund und am Material gemäß der ATV DIN 18352 sowie den mitgeltenden anerkannten Regeln des Fachs beziehungsweise der Technik entbunden ist. Fazit Der Auftragnehmer sollte sich trotz der teilweise als massiv zu bezeichnenden Druckausübung seines Auftraggebers (teilweise sogar unter Androhung von Auftragsentzug oder keiner weiteren Folgeaufträge) nicht dazu verleiten lassen, jeden Auftrag unter Missachtung der anerkannten Regeln des Fachs und der Technik sowie den mitgeltenden Normen durchzuführen. Kurzfristig gesehen wird der Auftrag zwar zufriedenstellend ausgeführt, langfristig gesehen kommt es zwangsläufig zu Folgeschäden, die dann deutlich teurer werden und teilweise sogar die Existenz des Auftragnehmers gefährden können.

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