Der interessante Schadensfall Im Neubau eines Büro-/Geschäftshauses meldete der Bodenleger hinsichtlich der Fugen Bedenken an Fugen – Mangel oder Muss?

Bodenleger müssen die vorhandenen Fugen richtig erkennen, um dementsprechend ihre weitere Vorgehensweise und die Verlegung hierauf abzustimmen. Dass die Koordination zwischen den am Bau beteiligten Parteien in der Praxis nicht so funktioniert, wie es in der Theorie geplant ist, zeigt folgender Schadensfall.Verharzungsmaterial war nicht abgebunden und somit ließ sich der Querverdübelungsnagel ohne große Kraftaufwendung wieder entfernen.Fugen – Mangel oder Muss? Der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten soll in einem Neubau eines Büro-/Geschäftshauses mit integrierter Verkaufsfläche auf zirka 2200 Quadratmeter auf einer neuen, unbeheizten, erdreichangrenzenden, zementgebundenen Estrichkonstruktion Bodenbelagarbeiten ausführen. Gemäß VOB, ATV DIN 18365 „Bodenbelagarbeiten“ hat der Auftragnehmer zunächst die Gesamtgrundrissfläche sowohl im Verkaufsraum (1400 Quadratmeter) als auch in den Büroräumen (insgesamt zirka 800 Quadratmeter) überprüft. Daraufhin hat der Bodenleger Bedenken in Bezug auf die Ausbildung/Anordnung der vorhandenen Fugen sowie der teilweise unsachgemäßen Verharzungen der vorhandenen Scheinfugen durch den Auftragnehmer für Estricharbeiten angemeldet. Die übrigen Prüfparameter gemäß der VOB, ATV DIN 18365 hat der Bodenleger ohne Bedenken bestätigt. Da es Streitigkeiten zwischen den Parteien in Bezug auf die Anordnung und Ausbildung der vorhandenen Fugen sowie der Untergrundvorbereitungsmaßnahmen im Bereich der Fugen gab, zog die Bauleitung einen Sachverständigen hinzu. Der Auftragnehmer für Estricharbeiten hat bewusst innerhalb der Estrichkonstruktion „Kreuzfugen“ vermieden, da seiner Meinung nach die eventuell im Rahmen des Schwindprozesses auftretenden Aufschüsselungen im Kreuzfugenbereich schwerer nachgearbeitet werden können und in der Praxis immer öfter zu Problemen führen. Aufgrund von Aufschüsselungen im Kanten-/ Fugenbereich der einzelnen Estrichfelder (fünf mal sieben Meter) hat der Estrichleger diese Bereiche auf einer Breite von zirka 30 Zentimeter abgefräst. Teilweise hat dieser dann im Anschluss die Scheinfugen partiell quer eingeschnitten und mit einem nicht näher bezeichneten Material kraftschlüssig geschlossen. Zum Zeitpunkt des Gutachtertermins allerdings war dieses Material nach über 48 Stunden immer noch elastisch und ließ sich mühelos verformen bzw. herauslösen. Eine kraftschlüssige Verbindung mit den Estrichflanken war nicht erkennbar. Normale Stahlnägel verwendet Darüber hinaus stellte der Sachverständige fest, dass der Auftragnehmer für Estricharbeiten im Rahmen des kraftschlüssigen Schließens der Scheinfugen als Wellenanker normale Stahlnägel verwendet hat. Diese ließen sich mühelos wieder herauslösen. Nacharbeitungswürdig bzw. als Mangel anzusehen war in diesem Fall, dass die vorhandenen, seitens des Estrichlegers verharzten Scheinfugen alle nachgearbeitet/saniert werden mussten, da das verwendete Material zum kraftschlüssigen Schließen der Fugen nicht ordnungsgemäß ausgehärtet war. Das Material wurde daher vollständig wieder entfernt und nach entsprechenden Untergrundvorbereitungsmaßnahmen ein neues zweikomponentiges Epoxidharzmaterial zum Schließen der Scheinfugen verwendet. In diesem Arbeitsgang wurden auch gleichzeitig ordnungsgemäß die vom Hersteller vorgegebenen Wellenanker für die Quervernadelung eingesetzt. Die abgefrästen Bereiche hat der Bodenleger sach- und fachgerecht sowie nach Herstellervorgaben mittels einer Epoxidharzgrundierung grundiert, also eine Oberflächenverfestigung durchgeführt und die Scheinfugen sach- und fachgerecht mittels eines zweikomponentigen Epoxidharzmaterials kraftschlüssig geschlossen. Die Oberfläche wurde gemäß Herstellervorgaben mit ofengetrocknetem Quarzsand vollsatt abgestreut. Nach entsprechender Aushärtungszeit hat der Auftragnehmer zwecks Höhenausgleich die abgefrästen und grundierten Teilflächenbereiche mittels einer standfesten Spachtelmasse gespachtelt. Zum Zeitpunkt des Gutachtertermins waren noch viele vorhandenen Fugen offen und hinsichtlich ihrer Geometrieanordnung „gewöhnungsbedürftig“. Wenn diese allerdings kraftschlüssig geschlossen sind, gibt es aus sachverständiger Sicht keine Bedenken hinsichtlich der Ausführungsart, da diese sowieso vollflächig überspachtelt und anschließend mit einem Bodenbelag abgedeckt werden. Die Bauleitung jedoch rügte die Art/die Ausführung der Breite der Scheinfugen, da diese nach Meinung der Bauleitung Bewegungsfugen seien. Eine Überprüfung hat allerdings bestätigt, dass es sich hierbei um Scheinfugen und teilweise um Arbeitsfugen handelte. Fazit Aus technischer Sicht ist die Herstellung von Fugen innerhalb einer Estrichkonstruktion notwendig. Allerdings funktioniert die notwendige Abstimmung zwischen den am Bau Beteiligten in aller Regel nicht so, wie es in der Theorie sein sollte. Gemäß der DIN 18560 „Estriche im Bauwesen“, Teil 2 „Estriche und Heizestriche auf Dämmschichten (schwimmende Estriche)“, Ausgabe April 2004 ist unter Punkt 5.3.3 Estrichfugen nachzulesen: „Über die Anordnung der Fugen ist ein Fugenplan zu erstellen, aus dem Art und Anordnung der Fugen zu entnehmen sind. Der Fugenplan ist vom Bauwerkplaner zu erstellen und als Bestandteil der Leistungsbeschreibung dem Ausführenden vorzulegen. …“ Nur erfolgt diese Koordination unter den Handwerkern und dem Planer/dem Bauherrn, insbesondere wenn es sich um eine beheizte Estrichkonstruktion handelt, in der Praxis leider sehr selten. Die Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten müssen die vorhandenen Fugen richtig erkennen, um dementsprechend ihre weitere Vorgehensweise und die Verlegung hierauf abzustimmen. Meist – und dies zeigt die Praxis sehr häufig – sind die Auftragnehmer nicht in der Lage zu erkennen, ob es sich um eine Bewegungsfuge, Scheinfuge oder um einen Riss handelt. Es ist schon seltsam, dass Risse immer als „Mangel“ dargestellt werden. Und eine Scheinfuge, die nichts anderes als einen gewollten Riss darstellt, wird gegenüber den Handwerkern nicht gerügt. Auch wenn erkannt wird, um was für einen Fugentyp es sich handelt, werden teilweise doch noch eklatante Verarbeitungsfehler gemacht: Bewegungsfugen werden kraftschlüssig geschlossen, obwohl dies strengstens untersagt ist (siehe auch Glossar auf Seite 51). Der Planer muss insbesondere festlegen, an welcher Stelle Bewegungsfugen platziert werden sollen. Liegen besondere Vorstellungen bezüglich der Anordnung von Scheinfugen vor, muss der Fugenplan auch diese einbeziehen. Bei der Bestimmung von Fugenabständen, Fugenbreiten und Feldgrößen sind die Bindemittelart, der Bodenbelag, die Flächengeometrie, Temperaturveränderungen und die Nutzlasten seitens des Planers einzubeziehen.