Zwangstrocknung von Estrichen: Das sollten Sie wissen

Die natürliche Variante, Estriche über das Lüften zu trocknen, dauert bisweilen und ist schwer planbar. Fallbezogen kann deshalb die Zwangstrocknung die wirtschaftlichere ­Alternative sein. Welche Methoden gibt es. Worauf ist dabei zu achten?

Eine natürliche Estrichtrocknung scheidet bei Terminbaustellen häufig aus. - © Pitt

Es gibt keine verbindlichen Angaben darüber, nach welcher Zeit ein neu eingebauter, mineralischer Estrich belegreif ist. Architekten und Bauleiter planen häufig mit den berühmten 28 Tagen und liegen damit in den meisten Fällen daneben. Die 28 Tage sind eine Festlegung über den Zeitpunkt zur Prüfung der Nennfestigkeit des Estrichs. Mit der Belegreife hat diese „Faustformel“ nichts zu tun.

Wenn diese 28 Tage bei der Estrichtrocknung überschritten sind, beginnen die unangenehmen Diskussionen auf der Baustelle und es wird der Schuldige gesucht. Jeder Baufachmann sollte eigentlich wissen, dass die Austrocknung von mineralischen Untergründen ganz wesentlich von den Umgebungsbedingungen abhängt. Damit der mineralische Untergrund trocknet, muss das Anmachwasser verdampfen, und zwar in die Umgebungsluft. Im Wesentlichen sind drei Faktoren für die Austrocknungsgeschwindigkeit von mineralischen Untergründen verantwortlich:

  • Materialspezifische Eigenschaften wie beispielsweise Art des Bindemittels, Bindemittelanteil, Art und Sieblinie des Zuschlagstoffes, Wasser-Feststoff-Verhältnis, der Porengehalt sowie Größe und Form der Poren.
  • Schichtdicke. Dass ein 70 mm dicker mineralischer Untergrund länger zum Trocknen braucht als ein 40 mm dicker Untergrund, ist leicht nachvollziehbar. Das Austrocknen eines Zementestrichs beispielsweise nimmt mit dem Quadrat der Dicke ab, ein 6 cm dicker Estrich muss doppelt so lange trocknen wie ein 4 cm dicker Estrich. Besonders kritisch sind große Estrichdicken bei Calciumsulfatfließestrichen. Hier sind Fachleute der Meinung, dass diese Estriche bei einer Dicke von 40 bis 60 mm im ungünstigsten Fall länger als drei Monate zum Trocknen brauchen und ab einer Schichtdicke von 90 mm nie die erforderliche Belegreife erzielt wird.
  • Klimatischen Verhältnisse; hier sind vor allem maßgebend die Raumtemperatur, die Luftfeuchtigkeit und die Luftaustauschgeschwindigkeit. Bei hoher relativer Luftfeuchtigkeit werden die Austrocknungszeiten ganz entscheidend verlängert.

Im Kommentar zur DIN 18365 „Bodenbelagsarbeiten“ Ausgabe 2010 heißt es dazu: „Mineralisch gebundene Estriche können die zur Belegreife erforderliche Ausgleichsfeuchte nur erreichen, wenn die Umgebungsfeuchte unterhalb von 65 % relativer Luftfeuchte liegt. Das aus dem Estrich verdunstende Wasser muss von der Raumluft aufgenommen und möglichst schnell abtransportiert werden. Voraussetzung hierfür ist der ständige Austausch der feuchtigkeitsangereicherten Luft durch frische, trockene Luft. Das bedeutet, dass die Trocknungszeit von der Art und Weise der Lüftung in erheblichem Maß abhängt. Gekippte und geschlossene Fenster behindern bzw. verhindern den Luftaustausch und verzögern die Trocknung erheblich. Ein Lüften durch ständig gekippte Fenster genügt deshalb nicht, um einen Estrich zügig auszutrocknen.

Das Wasseraufnahmevermögen der Luft ist temperaturabhängig. So kann z. B. Luft bei 30 Grad C ca. die dreifache Wassermenge aufnehmen als bei 10 Grad C. Deshalb ist es bei niedrigen Temperaturen und lang anhaltendem regnerischen Wetter sinnvoll, die Trocknung durch Beheizen der Räume und Stoßbelüftung zu unterstützen.

Entgegen der weitverbreiteten Ansicht trocknet der Estrich im Winter sehr gut, wenn die Räume beheizt sind. Die durch Luftwechsel einströmende Kaltluft, die im beheizten Innenraum erwärmt wird, kann erheblich mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Bei der Stoßlüftung wird diese Feuchtigkeit relativ schnell abgeführt. Im Hochsommer dagegen herrschen gelegentlich relative Luftfeuchten nahe 90 %, sodass die schon warme, feuchte Luft kaum mehr Wasser aufnehmen kann. In kühlen Innenräumen kann es dagegen zur Kondensation und damit zur Wiederauffeuchtung des evtl. schon trockenen Estrichs kommen.“

Übrigens, für die Schaffung der geeigneten raumklimatischen Verhältnisse zur Trocknung des Estrichs ist der Auftraggeber verantwortlich. Auch das ist häufig ein Streitpunkt auf der Baustelle.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, dem ­mineralischen Untergrund Feuchtigkeit zu entziehen und so die Belegreife zu erreichen. Die „natürliche Methode“ über das Lüften bzw. das Heizen und Lüften ist in der Regel die kostengünstigste Variante. Aufgrund der klimatischen Gegebenheiten in unseren Breitengraden ist es jedoch nicht möglich, mit dieser Methode schnell und planbar zu trocknen.

Welche Trockner passen?

Als wirtschaftliche und umweltrelevante Alternative steht die sogenannte Zwangstrocknung, auch als technische Trocknung bezeichnet, zur Verfügung. Durch eine Zwangstrocknung kann man relativ genau die Belegereife des mineralischen Estrichs vorhersagen, vorausgesetzt, es wird fachgerecht gearbeitet. Ein positiver Nebeneffekt dieser Trocknung ist die Tatsache, dass nicht nur der Estrich, sondern auch der ­gesamte Baukörper getrocknet wird. Calciumsulfatfließestriche lassen sich bereits unmittelbar nach dem Einbau, Zementestriche nach ca. sechs bis sieben Tagen Abbindedauer zwangstrocknen. Bei der Zwangstrocknung haben Calciumsulfatestriche unbestritten stoffliche Vorteile. Das wird in der Baupraxis viel zu wenig genutzt.

Auf den Baustellen kommen in erster ­Linie Adsorptionstrockner und Kondens­trock­ner zum Einsatz. Die Vorteile des ­Kondenstrockners sind einmal die hohe Entfeuchtungsleistung (bis zu 125 Liter in 24 Stunden je Gerät) sowie der niedrigere Energieverbrauch im Vergleich zum Adsorptionstrockner. Außerdem wird mit der Kondenstrocknung eine schonende Austrocknung erzielt, da der Grad der Trocknung eingestellt werden kann, so dass empfindliche Materialien nicht zu stark getrocknet werden. Kondensationstrockner sind erste Wahl bei der Trocknung massiver Bauteile und zur Erzeugung von trockener Luft, die dann mit Pumpen oder Ventilatoren durch Hohlräume gezogen wird. Kondensationstrockner werden vor allem in Neubauten zur Verkürzung der natürlichen Trocknungszeit eingesetzt.

Der Vorteil des Adsorptionstrockners ist die höhere Effizienz bei extrem niedrigen Temperaturen. Nachteilig ist der hohe Energieverbrauch. Sinnvoll ist der Einsatz von Adsorptionstrocknern bei der Trocknung von Deckenkonstruktionen, Dämmmaterialien unter schwimmenden Estrichen sowie zur Trocknung von feuchten Kabelkanälen und feuchten Installationsschächten. Wenn die Wärme- und/oder Trittschalldämmung in einem Fußboden komplett durchnässt ist, also sehr viel Wasser unter den Estrich gelaufen ist, ist ein saugendes System mit Wasserabscheider zu installieren.

Durch ein Gebläse wird die Luftzirkulation in den Räumen erhöht. Dadurch wird die natürliche Trocknung beschleunigt, da eine schnellere Feuchtigkeitsaufnahme als ohne Luftzirkulation gewährleistet ist. Diese Trocknungsmöglichkeit wird vor allem bei Verbundestrichen und Estrichen auf Trennlage eingesetzt.

Die Zwangstrocknung kann keine Wunder vollbringen. Aber sie kann Bauabläufe um Wochen, ja Monate verkürzen. Bei allen Zwangstrocknungen sind die Wahl des richtigen Trocknungsgerätes sowie der richtige Aufbau der Trocknungsanlage von ganz entscheidender Bedeutung für den Trocknungserfolg. Soll eine Saug- oder Drucktrocknung oder eine Trocknung von oben oder von unten oder über benachbarte Räume erfolgen? Professionelle Zwangstrocknungen sollten deshalb von Fachfirmen ausgeführt werden, die über langjährige Erfahrungen verfügen. Eben schnell mal ein Gebläse aufstellen, damit ist es in der Regel nicht getan.

Zur technischen Trocknung sollten auf keinen Fall direkte Öl- oder Gasheizkanonen verwendet werden. Bei dieser Art der Trocknung wird wieder zusätzlich Feuchte in den Bau transportiert und somit das Gegenteil von dem erreicht, was man eigentlich vorhatte. Der Bodenleger muss immer daran denken, dass er auch bei zwangsgetrockneten Estrichen eine Prüfpflicht hat. Auf Aussagen und Protokolle des Bautrockners kann und darf er sich nicht verlassen. Er muss mit der CM-Methode feststellen, ob der Estrich belegereif ist oder auch nicht.

Wolfram Steinhäuser