ZGV: Corona-Brandbrief an die Politik

Der Mittelstandsverbund (ZGV) appelliert in einem offenen Brief an die Politiker, die Wiederöffnung lokaler Geschäfte ab dem 8. März 2021 zuzulassen.

Mitglieder im ZGV - © ZGV

Wir veröffentlichen den offenen Brief des ZGV, zu dem aus unserer Branche unter anderem die Verbundgruppen Decor-Union, Holz Ring, Holz Land, MZE, MEG, VFG und Wotex gehören, nachstehend im Wortlaut:

• Bundeskanzlerin Angela Merkel
• Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten
• Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages

OFFENER BRIEF

23. Februar 2021

der Verbundgruppen und ihrer 230.000 angeschlossenen
mittelständischen Unternehmen

Verehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten,
hochgeschätzte Entscheidungsträger im Deutschen Bundestag,

die in Genossenschaften und anderen Verbünden des Mittelstandes
organisierten Unternehmen aus mehr als 45 Branchen des Handels, des
Handwerks und der Dienstleistungsbranche mit ihren rund 2,5 Millionen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie 400.000 Auszubildenden
appellieren an Sie, die Wiederöffnung der lokalen Geschäfte ab dem 8. März
2021 zuzulassen.

Die aktuelle Situation im geschlossenen Non-Food-Einzelhandel droht sich
zu einem volkswirtschaftlichen Fiasko zu verschärfen. Es geht in den
Betrieben längst nicht mehr nur um den wachsenden Liquiditätsengpass und
die zunehmende Verschuldung. Vielmehr erwarten wir auch verheerende
soziale Auswirkungen durch den in seiner Reichweite und Geschwindigkeit
nie gekannten Verlust von Geschäften in unseren Dörfern und Städten. Die
von allen politischen Parteien regelmäßig herausgehobene Bedeutung von
Geschäften und mittelständischen Unternehmern für die Vitalität unserer
Regionen, gerade auch im ländlichen Raum, darf gerade in einer Krise kein
Lippenbekenntnis sein.

Ein „Weiter so“ mit dem Lockdown unter Inkaufnahme von wirtschaftlichem
Stilltand und Existenzkrisen, von Mangel an sozialen Bindungen und
kulturellen Möglichkeiten darf die Politik nicht zulassen. Die Folgen sind
unabsehbar. Das, was ein langwieriger Lockdown vernichtet, ist weit mehr
als ein „Virus-Kollateralschaden“.

Stichworte wie Leerstandsquoten, Immobilienwerte und Beschäftigungsverluste
müssen aufschrecken. Jedes Jahr läuft rund ein Fünftel aller
gewerblichen Mietverträge aus. Diese werden derzeit oft entweder nicht
erneuert, was zu Leerstand führt, oder zu niedrigeren Mieten
abgeschlossen, was zu Abschreibungen auf Vermögenswerte und
Investitionen führt. Auch mit zigtausend Entlassungen ist zu rechnen, wenn
die Sperrung länger andauert.

Dies ist umso tragischer, als mittelständische Handels-, Handwerks- und
Dienstleistungsunternehmen in vielen Gemeinden auch die wichtigsten
lokalen Arbeitgeber sind.

Wie sich nun immer deutlicher zeigt, ist die Ladenschließung keine
zielführende Maßnahme gegen die Pandemie. Diese ernüchternde
Erkenntnis ist umso bedrückender, als bereits heute absehbar ist, dass es
ein noch größerer Teil mittelständischer Unternehmen nicht bis zur Ziellinie
schaffen wird, wenn die Geschäfte nicht spätestens am 8. März wieder
geöffnet werden.

Umfragen in allen Branchen haben bestätigt, dass strengste
Hygienebedingungen eingehalten werden können und Gesundheitsschutz
erste Priorität hat. Da empirisch belegt ist, dass von Ladenflächen, auf
denen die Regeln eingehalten werden, keine signifikante Gefahr ausgeht,
ist es deshalb nicht verhältnismäßig, den Lockdown länger bestehen zu
lassen. Dies gilt umso mehr, als die Unternehmen die nationale
Teststrategie entschlossen mittragen und deren Umsetzung aktiv
unterstützen. Mit flächendeckendem Einsatz von Antigen-Schnelltests und
systematischer digitaler Nachverfolgung des Infektionsgeschehens sollten
wir in Kombination mit beschleunigtem Impf-Tempo den Quantensprung in
die Beherrschbarkeit der Pandemie miteinander schaffen. Ausrotten werden
wir das Virus nicht können. Gerade deshalb ist die Perfektionierung des
Managements im Umgang mit der Krise und eines „Lebens mit dem Virus“
unsere Chance.

Kurz gesagt, die Notwendigkeit, Geschäfte wieder zu eröffnen, ist sehr groß.
Die Unzufriedenheit in den Städten und Gemeinden unseres Landes wächst
kontinuierlich. Und mit ihr drohen zunehmend weltweite Verwerfungen, die
oft aus dem Auge verloren werden. Während die Politik einerseits
Unternehmen gesetzlich in die Pflicht nimmt, um Lieferketten-Standards zu
gewährleisten, vernichten staatlich angeordnete Lockdowns gleichzeitig
massenhaft Arbeitsplätze und Existenzen gerade in den Herstellerländern,
in denen Kurzarbeitergeld ein Fremdwort ist. Auch die Debatte über
Nachhaltigkeit und Klimaschutz nimmt angesichts der Massen an
unverkäuflicher Saisonware in den Geschäften und dem traurigen Blick auf
eine solche Ressourcenverschwendung skurrile Züge an.

Wir wünschen Ihnen viel Weisheit bei den schwierigen Überlegungen, die
Sie anstellen müssen und hoffen, dass Sie unsere wichtigen Hinweise bei
Ihrer Entscheidung über die Maßnahmen ab dem 8. März 2021
berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen

Eckhard Schwarzer
Präsident

Dr. Ludwig Veltmann
Hauptgeschäftsführer