Sachverständigenseminar Hersteller haben nicht immer Recht Zusagen der Produzenten im Kreuzfeuer der Kritik

Ausgewogen verteilt hatten die Organisatoren des Kasseler Sachverständigenseminars für Parkett-, Boden- und Estrichleger die Themen nach den Schwerpunkten Bodenbelag und Parkett. Das galt auch für die geschilderten Probleme beider Gewerke.Zusagen der Produzenten im Kreuzfeuer der Kritik Sönke Stoltenberg, Leiter des Sachverständigenwesens im Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik (ZVPF), hatte wieder ein gutes Händchen bei der Auswahl der Themen bewiesen. Er lieferte zunächst einen Abriss über allgemeine Entwicklungen im Sachverständigenwesen. So behagt es ihm nicht, dass zwischenzeitlich IHK- sowie Handwerkskammersachverständige gleichberechtigt über handwerkliche Leistungen urteilen können. Das gelte auch für die Tendenz, Sachverständige in handwerklichen Teilbereichen zu berufen. „Gerade ein Sachverständiger benötigt den Gesamtüberblick über ein Gewerk, um die Sachverhalte ausgewogen beurteilen zu können“, lautet Stoltenbergs Credo. Ins gleiche Horn stieß der stellvertretende Bundesinnungsmeister Gert. F. Hausmann: „Berechtigung heißt noch lange nicht Befähigung“, mahnte er und warnte davor, zu Dingen sachverständig Stellung zu nehmen, welche andere weitaus besser beherrschten. Sachverständige für Gebäude etwa könnten kaum das erforderliche Detailwissen über Fußbodenkonstruktionen vorweisen. Im fachlichen Teil setzte sich der Berufssachverständige Norbert Strehle mit der kommenden CE-Kennzeichnung auseinander. Dabei befinde sich die Parkettbranche derzeit erst „am Anfang des Nachdenkens“ – nicht unbedingt was das Inverkehrbringen, aber was eine bauaufsichtliche Zulassung angeht. Die Gespräche zwischen Industrie, Handwerk und Deutschem Institut für Bautechnik (DiBt) seien im Gange. Freilich seien in naher Zukunft kaum brauchbare Daten zu erwarten. Auch zum breiten Themenblock PUR-Beschichtungen von elastischen Belägen hatte Strehle einiges beizusteuern. Er widersprach der Idee, einer solchen Behandlung den natürlichen Belag Linoleum zu unterziehen. Ein derartiges Vorgehen habe nur das Ziel, künftigen Entwicklungen zu der gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB-Schema) entgegenzuwirken. Vorwurf: Verdummung! „Der Geruch ist das Thema, nicht die Pflegeleichtigkeit“, vermutet der Experte. Letztere nahm Reinigungsfachmann Lothar Berger, Geschäftsführer von Cleanmaster in Oberhausen, am Beispiel von PUR-beschichteten PVC-Belägen aufs Korn. Manche Werbeaussagen – „Hält über die gesamte Lebensdauer“ – hätten nichts mehr mit dem zu tun, was in der Praxis geschieht. Karsten Krause, Sachverständiger des Bodenlegergewerbes, bezeichnete solche Botschaften sogar als „Verdummung der Nutzer und Anwender“; er erhielt dafür Unterstützung von Richard Kille, IFR Köln: „PUR-Beschichtungen für elastische Beläge sind technisch sinnfrei“, sagte er provokant und schilderte in der Folge zwangsläufige Anwendungsfehler beim thermischen Verschweißen von Belägen. Ergebnisse der Untersuchungen über daraus resultierende Folgeschäden beeindruckten (’bwd‘ berichtet in der nächsten Ausgabe über die Thematik PUR-Beschichtungen von elastischen Belägen ausführlich). Nachdem Jürgen Ulrich, der Vorsitzende Richter am Landgericht Dortmund, sich wie immer kurzweilig und pointiert mit der Tätigkeit von Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren befasst hatte, folgten holztechnische Beiträge. Wilhelm Schmidt, ausgewiesener Parkettfachmann aus Halle, hatte vor zwei Jahren an gleicher Stelle die Produktzusagen der Versiegelungshersteller bezüglich seitenverleimungsminimierenden Eigenschaften von Grundierungen entlarvt und bestätigte die getroffenen Aussagen zu Abrissfugen nochmals überaus eindrucksvoll. Dass die auch durch andere Faktoren beeinflusst sind, wies in einem Vortrag über Wechselbeziehungen zwischen Lacken sowie elastischen Klebstoffen der Anwendungstechniker des Versiegelungsherstellers Loba Ditzingen, Claus Wissutschek, nach. Praxisnah und mit den Ergebnissen aus umfangreichen Langzeituntersuchungen belegt, wurde das Thema Fugenbildungen wiederum in einem Beitrag Wilhelm Schmidts behandelt. Ihm folgte Bundesinnungsmeister und zugleich Sachverständiger des Parketthandwerks, Joachim Barth, mit einem handwerklichen Kuriosum. Sein Beitrag zum nicht erwarteten Ergebnis in einem Schadensfall ließe sich nachträglich so betiteln: „Oberflächen dürfen keineswegs nur oberflächlich betrachtet werden“. Laminatboden in professioneller Beurteilung war das Thema von Johannes Becker, MeisterWerke und Leiter im Arbeitskreis Technik im Verband europäischer Laminatbodenhersteller (EPLF); er sorgte mit seinem Überblick über problematische Anwendungen für lebhafte Abschlussdiskussionen (siehe weitere Einzelbeiträge auf den Technikseiten in diesem Heft). Walter Pitt walter.pitt@t-online.de