Der interessante Schadensfall: Parkett vom Schäferhund zerkratzt – Wohnungsbesitzer forderte neuen Parkettboden Zeigt her eure Krallen

Ein Mann kommt vom Urlaub nach Hause und findet Kratzer im Parkett. Nach kurzer Überlegung stand ein Schäferhund im Verdacht, die Spuren in dem edlen Bodenbelag verursacht zu haben. Der Gutachter musste in diesem Fall klären, ob ein Hund solche Kratzer auf Parkettböden hinterlassen kann.Zeigt her eure Krallen „Dein Hund hat meinen neuen Parkettboden zerstört. Überall sind Kratzer“, sagte der aus dem Urlaub zurückgekehrte Mann seinem Kegelfreund, einem ehemaligen Polizeihundeführer. Letzterer hatte drei Wochen lang jeden zweiten Tag mit seinem Schäferhund Willy in der Wohnung seines abwesenden Freundes nach dem Rechten gesehen. Die Freundschaft mit dem frühpensionierten Metallarbeiter geriet ins Schwanken, als der Hundebesitzer bei einer gemeinsamen Schadensbesichtigung seine Mitschuld bzw. die von Willy abstritt, obwohl Kratzspuren im Gegenlicht erkennbar waren. Der gerade einmal vier Wochen alte Parkettboden war nach Ansicht des Wohnungsinhabers kaputt. Da halfen auch alle Beschwichtigungsversuche des Hundehalters nichts mehr: Der Hund sei zwar in der Wohnung gewesen, ist aber sehr gut ausgebildet und verhält sich als ehemaliger Drogenspürhund in fremden Wohnungen absolut ruhig und unaufgeregt. Es gehöre sogar zur Ausbildung solcher Hunde, sich auf jedwedem Bodenbelag sicher zurechtzufinden und nur auf Geheiß loszurennen. Umgehend holte der Wohnungsbesitzer beim Parkettverleger ein Angebot über die Schadensbeseitigung ein. Demnach müsse der Boden komplett ersetzt werden. Er sei schwimmend verlegt und eine handwerkliche Versiegelung sei optisch niemals so perfekt wie eine industrielle Lackierung, lautete die wohl auch vom Wunsch nach einem etwas umfassenderen Auftrag beseelte Begründung des Verlegers. Statt einem Dank für die wohlgemeinte Urlaubshilfe bekam der Hundebesitzer die Aufforderung auf den Tisch, einen neuen Parkettboden zu bezahlen. Er wandte sich an seine Haftpflichtversicherung, die auf die Unangemessenheit der Forderung hinwies. Der Metallarbeiter blieb unerbittlich und zeigte den Hundebesitzer wegen Sachbeschädigung an. Alles wurde fotografisch in Großaufnahmen dokumentiert, genauestens bemaßt und landete zusammen mit der fachlichen Einschätzung und dem Angebot des Verlegeunternehmens beim Richter. Trotz der vielen Unterlagen ordnete dieser eine gutachterliche Stellungnahme eines Sachverständigen für Parkettfußböden an. Der Gutachter sollte klären, ob ein Schäferhund auf einem Buchenholzfußboden solche Kratzer überhaupt verursachen kann. Eventuell könnten ja auch Steinchen in einer Schuhsohle der Grund für die Schadensbilder sein. Krallenspuren im Testversuch Der Sachverständige erhielt ausführliches Fotomaterial zum Schaden und dem angeblichen Verursacher Willy, sogar dessen Krallenabstände waren festgehalten. Der Parkettexperte legte in einem praktischen Versuch auf seiner Veranda genau das Buchenfertigparkett aus, das Gegenstand seines Untersuchungsauftrages war. Ein Hundeführer sollte mit seinem Schäferhund zeigen, was dessen Krallen auf einem Holzfußboden anrichten können. Es wurde genauestens untersucht, ob und wie sich die jeweiligen Bewegungen auf dem Parkettboden auswirken. Beim Sitzen und Stehen war nichts zu sehen, genauso wenig in ruhiger Gangart. Erst als der etwa 35 kg schwere Hund auf Kommando einem Ball hinterherlief, wurden Eindrücke im Holz sichtbar. Die nahm der Sachverständige genau unter die Lupe. Sie ähnelten in Abstand und Anordnung denen auf den Fotos in der Gerichtsakte. Sie waren zwar nicht sehr tief, lediglich einige 1/100 mm, wurden aber durch die glänzende Oberfläche durchaus sichtbar (die fachliche Einschätzung dieses Erscheinungsbildes war nicht gefragt und wäre auch nur durch einen Ortstermin zu beantworten gewesen). Die Versiegelung des Holzes schien unbeschädigt. Um die Erkenntnisse zu untermauern, ließ der Gutachter zwei weitere Hunde auf das Parkett: Ein Zwergschnauzer mit 6,5 kg musste die gleichen Übungen wie sein fast sechsmal so schwerer Vorgänger machen. Die kleine Greta konnte kratzen wie sie wollte – auf dem Parkett war nichts zu sehen. Sammy, ein Irish Setter, zirka 32 kg schwer, hinterließ zwar Eindruckspuren; aber nur dann, wenn er etwas an Tempo zulegte. Theoretische Betrachung Um seine Erkenntnisse theoretisch zu festigen, fing der Gutachter jetzt an zu rechnen – wohl wissend, dass eine allzu theoretische Betrachtung dem Laufverhalten eines Hundes und dessen Auswirkungen auf einem Parkettboden nur annähernd gerecht wird. Ein Schäferhund, etwa 35 kg schwer, ist für ein Buchenholz mit einer Brinellhärte von etwa 34 N/mm2 kein Problem. Auf seinen Pfoten stehend bringt er bei einer angenommenen Auflagefläche seiner annähernd runden Fußballen (Durchmesser zirka 10-mm-Auflagefläche j r2 = 5u5u3,14 = 78,5 mm2) von etwa 400 mm2 (fünf belastete Fußballen u78,5 mm2 = zirka 400 mm2) bei 35 kg bzw. 350 N eine Druckbeanspruchung (350 N : 0,87 N/mm2) von etwa 0,9 N/mm2. Pro Hundebein liegt diese mit zirka 0,22 N/ mm2 (0,9 N/mm2 : 4) bei einem stehenden Hund weit unter der Druckfestigkeit des Holzes von etwa 30 N/mm2. Druckstellen durch einen stehenden Hund sind damit bei mathematischer Betrachtung nicht möglich. Gewicht und Tempo können gefährlich werden Anders sieht es allerdings aus, wenn der Schäferhund – in Erregung versetzt – rutscht und/oder sich schnell fortzubewegen versucht. Er verlagert dann einen Großteil seines Gewichts auf die Krallen, um auf dem Boden Griff zu bekommen und belastet damit einen Parkettboden auf einer ungleich kleineren Fläche. Ausgehend davon, dass die Krallen einen Durchmesser von 1,0 Millimeter (entsprechend der geschätzten Eindruckbreite in der Fotodokumentation) haben, sind das nach der Kreisformel bei als rund angenommenen Krallen (j r2 = 0,50 mmu0,50 mm 3,14 = 0,78 mm2) zirka 0,8 mm2 Auflagefläche. Damit erhöht sich die Eindruckkraft bei der stark verringerten Fläche erheblich. Da vier Vorderkrallen den Parkettboden eindrücken, wird die Fläche vervierfacht auf 0,80 mm2u4 = 3,20 mm2. Weil beim Laufen je nach Gangart die Belastung nicht auf allen Vieren, sondern lediglich auf einem Vorder- bzw. Hinterbein stattfindet, wird die Auflagefläche nochmals verdoppelt, das heißt zirka 3,2u2 = 6,4 mm2. Das Hundegewicht von 350 N verteilt auf die Fläche (6,4 mm2) bedeutet einen Druck von 55 N/mm2. Dieser Flächendruck liegt über der Druckfestigkeit des Buchenholzes von zirka 30 N/mm2 und sagt aus, dass irreversible Eindruckstellen möglich sind, wenn die Belastung vornehmlich auf den Krallen stattfindet. Unberücksichtigt sind bei dieser ungefähren Betrachtung dynamische Kräfte, die die theoretischen Erkenntnisse unterstützen dürften. Ob es Willy war, der die Spuren im Parkett verursacht hat, brauchte der Gutachter nicht beantworten. Damit wäre er wohl auch überfordert gewesen. Dass ein Schäferhund überhaupt in der Lage ist, solche Erscheinungsbilder im Buchenparkett hervorzurufen, konnte er allerdings praktisch nachweisen und theoretisch untermauern. Kratzer von Steinchen in Schuhsohlen, wie ebenfalls vermutet wurde, zeigen sich übrigens anders: Sie schädigen meist die Versiegelung, was ebenfalls nachgewiesen wurde.-