Der interessante Schadensfall Wozu schon eine Anleitung?

Warum soll ich eine Verlegeanleitung lesen? Wer so denkt, läuft Gefahr, im Schadensfall vom Hersteller oder Lieferanten alleingelassen zu werden. Und schief geht’s bei Holz- und WPC-Terrassenkonstruktionen meist im Bereich des konstruktiven Holzschutzes.Auf dem Flachdach eines Hauskomplexes soll eine neue Holzterrassenkonstruktion erstellt werden. Die Dachisolation ist vorhanden und darauf werden Gummigranulatstücke zum Schiften/Ausrichten der Trägerlatten eingesetzt. Teilweise gelangen auch kleine Holzstücke für die Höhenanpassung der Unterkonstruktion zum Einsatz. Die Trägerlatten aus Tropenholz werden lose darüber aufgelegt. Nur wenn mehrere Gummigranulatstücke übereinander aufgetischt sind, gelangt wenig Klebstoff zum Einsatz. Auf die Latten werden sodann die Terrassenbretter, sichtbar von oben, aufgeschraubt. Hierzu gelangen ebenso Dielen aus Tropenholz zum Einsatz. Die ganze Holzterrasse wird anschließend zwei Mal vor Ort geölt. Nebst über hundert Quadratmeter Terrassenfläche umfasst die Holzterrasse auch die Umrandung eines Pools, welcher schräg zum Dielenboden verläuft. Schadensbild Bei der Abnahme des Werkes werden von der Bauherrschaft diverse Punkte beanstandet. So zum Beispiel, dass die Dielen unterschiedlich breite Fugen zueinander aufweisen, die Terrassenbretter stirnseitig satt aneinander stossen, die Poolumrandung auf die angrenzende Terrassenfläche aufgesetzt und nicht integriert wurde und daraus Stolpergefahren resultieren, viele Bretter bereits kurze Zeit nach dem Einbau stark konkave Verformungen aufweisen und Regenwasser darin stehen bleibt sowie verschiedene Dielen mit Rissen vorliegen. Diese Beanstandungen nimmt der Experte auf und für weitere Kontrollen demontiert er verschiedene Bretter. Dabei kommen zusätzlich Unregelmäßigkeiten zum Vorschein wie stehendes Wasser in der Unterkonstruktion, keine Zwischenräume zwischen Trägerlatten und Terrassendielen, übermäßig große Achsmaße der Trägerlatten, teilweise druckimprägnierte Weichholzlatten, weggerutschte Schiftungen unter den Latten und fehlendes Vorbohren der Dielen beim Verschrauben. Insgesamt erscheint die ganze Holzterrasse sehr mangelhaft konstruiert und weist viele berechtigte Beanstandungen auf. Beurteilungsgrundlagen Verschiedene allgemein gültige Dokumentationen zu Holzterrassen und WPC-Konstruktionen liegen vor, so zum Beispiel umfassende Werke von Holzforschung Austria ("Technische Broschüre Terrassenbeläge aus Holz") oder der Schweizerischen Dachorganisation für das Holz LIGNUM ("Licnatec Terrassen aus Holz“). Dazu verfügen viele Materiallieferanten über detaillierte Montageanleitungen. Allen gemeinsam steht der konstruktive Holzschutz an erster Stelle, welcher garantiert, dass die Holzkonstruktionen im Außenbereich, und somit der Witterung ausgesetzt, über viele Jahre ihren Dienst ordentlich erweisen. Der konstruktive Holzschutz beginnt in der Unterkonstruktion, wobei auf einer Dachisolation zuoberst eine glatte, wasserführende Spezialfolie vorliegen muss, mit einem Gefälle von mindestens 1,5 %. Nur eine glatte, ebene Folie mit Gefälle lässt nie vermeidbare Verschmutzungen durch Meteorwasser regelmäßig abwaschen und die Unterkonstruktion liegt auch immer und sofort wieder trocken vor. Aufgeraute Oberflächen, unebene Isolationsoberseiten, Gummigranulatmatten, Vliese und dergleichen sind absolut ungeeignet als oberste Lage oder Abdeckung einer Dachisolation, da derartige Elemente Dauernässe erzeugen und vor allem auch Verschmutzungen nicht abgewaschen werden. Staub, kleine Blätter, Erde, Essenskrümel etc. werden mit der Zeit zu einer feuchten, kaum mehr trocknenden Masse, womit noch mehr Nässe in der Unterkonstruktion zurück verbleibt. Fehlt ein ordentliches Gefälle der gesamten Dachkonstruktion zu den Abläufen hin, verbleiben stehende Wasserlachen zurück, welche das Holz von der Unterseite her fortlaufend auffeuchten, wogegen im Sommer von der Oberseite her, durch die intensive Sonnenbestrahlung, Austrocknungen eintreten und dadurch die Dielen extrem konkav verformen. Oben resultieren Schwindspannungen aus dem Austrocknen und unten andauernder Quelldruck durch die Auffeuchtung. Ungeeignete Matten in den Terrassen fördern oder begünstigen die unterseitigen Auffeuchtungen von Dielen durch ihre Dauernässe zusätzlich über sehr lange Zeit.Zwischen Trägerlatten und Terrassendielen sind unbedingt einige Millimeter Distanz einzubauen (etwa 4–7 mm), damit die Latten, wie auch die Dielen unterseitig, rasch trocknen können. Distanzhalter aus Kunststoffen oder Bändern liegen in verschiedenen Varianten vor und müssen zwingend eingesetzt werden. Die Achsmaße von Trägerlatten zur Aufnahme der Terrassendielen dürfen maximal 50 cm messen, je nach Holzart und Querschnitt der darauf zu montierenden Bretter können sogar kürzere Distanzen sinnvoll vorliegen. Dazu erfordern Kurzdielen eine Auflage über mindestens 3 Trägerlatten und nicht nur über zwei. Kurze Bretter, auf nur 2 Latten abgestützt, neigen zu starken Durchbiegungen, da kein Gegendruck erzeugt wird. Auch können Kurzstücke über nur 2 Latten intensiver einfedern als Elemente, welche über mehrere Auflagen fixiert sind. Weiter gehören zum konstruktiven Holzschutz ordentliche Fugenausbildungen zwischen den Dielen wie auch in Anschlussbereichen. Gegen Terrassenabschlüsse hin sind mindestens 10 bis 15 mm breite Fugen zu konstruieren. Zwischen den Dielen sollten, je nach Holzart und Dielenbreiten, Fugen von ca. 6 bis 7 mm, sowohl längs wie auch stirnseitig, eingehalten werden. Zu guter Letzt erfordern Stirnstöße von Dielen innerhalb der Terrassenfläche eine Auflage über 2 Trägerlatten (siehe Abb. 10: Detail zur Konstruktion von Holzterrassen). Eine Stoßausbildung auf lediglich einer Latte ist nicht praktikabel, da die Fixierung auf nur ganz kurze Distanz von außen bei der Diele meist zu Mängeln wie Rissbildung, Holzabsplitterung, ungenügender Fixierung und dergleichen führt. Schadensanalyse In der Holzterrassenkonstruktion mit sehr vielen Mängeln fehlt vor allem der konstruktive Holzschutz. Auf der Unterkonstruktion steht Wasser und die aufgeschraubten Exotenholzdielen weisen keine Distanzen zu den Trägerlatten auf. Dazu wurden die Schiftungen unter den Trägerlatten unfachmännisch erstellt und zum Teil sind die Schiftungen ohne Fixierung wieder weggerutscht. Dazu weisen die Trägerlatten mit über 70 cm viel zu große Achsmaße auf und die Dielenstöße wurden auf nur 1 Latte ausgerichtet. Diverse Kurzdielen weisen lediglich zwei Auflagen auf. Dazu sind, vor allem stirnseitig bei Dielenstößen, keine Fugen eingebaut, woraus über die ganze Stirnfläche Dauernässe resultiert und mit der Zeit auch Pilzbildungen entstehen. Die aufgesetzten Dielen als Poolumrandung liegen äußerst unpraktisch und sehr gefährlich vor. Verletzungsgefahren beim Barfußgehen können nicht ausgeschlossen werden. Die Abschlüsse sollten in die Terrassenfläche integriert sein und niveaugleich vorliegen. Mit entsprechenden Anordnungen der Trägerlatten wäre dies technisch machbar. Zu guter Letzt verbleiben die übereinanderliegenden Dielenbretter in der Auflagefläche dauerhaft nass, verformen rasch und beginnen zu faulen. Dielen mit flach zur Oberfläche verlaufenden Rissbildungen liegen mit einem Materialmangel vor, welcher vom Dielenlieferanten zu verantworten ist. Schiefer-/Windrisse können sehr gefährlich sein und beim Barfußgehen resultieren große Verletzungsgefahren. Nur stehende Risse, also senkrecht zur Oberfläche verlaufend, ohne Holzabsplitterungen und/oder Höhendifferenzen sind zu tolerieren. Weiter sind die teilweise eingesetzten Weichholzträgerlatten trotz der Druckimprägnierung wesentlich weniger dauerhaft, als die Tropenholzlatten. Grundsätzlich sollte die Unterkonstruktion, das heißt die Trägerlatten, mindestens die gleiche Holzqualität wie die Terrassendielen selber, wenn möglich sogar eine Güteklasse höher, aufweisen. Nur so kann eine ordentliche Holzterrasse ihren Dienst, resp. ihre Stabilität und Festigkeit über viele Jahre erweisen. Für die verschiedenen, berechtigten Beanstandungen und Mängel liegen auch unterschiedliche Verantwortungen vor. Das fehlende Gefälle in der Dachhaut sowie eine aufgeraute und ungeeignete Schicht zuoberst (Gummigranulatmatte) liegen in der Verantwortung von Planung, Bauleitung und Ersteller der Dachisolation. Der Holzterrassenbauer hat jedoch dazu auch eine Kontroll- und Abmahnpflicht, falls das geforderte Gefälle nicht erstellt wurde und/oder die oberste Schicht nicht wasserführend vorliegt. Der gesamte Holzoberbau darüber liegt in der Verantwortung des Holzterrassenkonstrukteurs. Nur mangelhafte Holzbretter, mit flach zur Oberfläche verlaufenden Rissen, hat der Holzlieferant zu verantworten. Schadensbehebung Die ordentliche Instandstellung der gesamten Holzterrasse erforderte einen Totalersatz. Nach dem Ausbau des Holzes musste die Dachhaut auf ein ordentliches Gefälle hin nachgebessert und darüber eine glatte, wasserführende Folie montiert werden. Auf die Folie konnte anschließend die Unterkonstruktion für die Holzterrasse montiert werden. Mit speziellen Stelzenfüssen, Kunststoffkeilen und dergleichen konnte die Lattung geschiftet werden, welche im Achsmaß maximal 50 cm betragen durfte. Zum Schluss konnten die neuen Terrassendielen, wiederum sichtbar von oben, aufgeschraubt werden, wobei zwischen den Trägerlatten und Dielen Distanzhalter eingesetzt und auch überall ordentliche Fugenbreiten eingehalten werden mussten, sowohl längs zwischen den Brettern wie stirnseitig bei Dielenstößen innerhalb der Fläche und gegen Abschlüsse hin. Bernhard Lysser ist Experte ISP und Mitglied von Swiss Experts, derschweizerischen Kammer technischer und wissenschaftlicher Gerichtsexperten.