Einwurf Dipl.-Ing. Gerhoch Reisegger, Geschäftsführer von Polland, zur Lage der Branche - „Wir müssen nicht allen gefallen“"> Einwurf Dipl.-Ing. Gerhoch Reisegger, Geschäftsführer von Polland, zur Lage der Branche „Wir müssen nicht allen gefallen“

Darf unsere Branche zuversichtlich nach vorne schauen? Polland Geschäftsführer Gerhoch Reisegger hat angesichts diverser Branchengepflogenheiten erhebliche Zweifel daran.„Wir müssen nicht allen gefallen“Mir ist bekannt, dass man immer Optimismus ausstrahlen muss -wenn man möglichst allen gefallen möchte. Aber es gibt auch andere - bewährtere - Weisheiten: „Lügen haben kurze Beine.“ Und das gilt insbesondere für die Wirtschaft. Wenn wir uns vormachen, dass ohnedies alles bestens sei, die Trends nach oben zeigen, die Krise überwunden sei usw., hat dies nur ein böses Erwachen zur Folge, da das mitnichten der Fall ist. Wir müssen jedoch nicht allen gefallen. Unsere Aufgabe ist es, unser jeweiliges Unternehmen erfolgreich, d. h. profitabel, zu führen, und das erreichen wir nur, wenn wir: 1. zufriedene Kunden haben, 2. Produkte und Service stimmen und 3. wir selbst, unsere Kunden und Geschäftspartner die richtigen Strategien umsetzen. Dass im dritten Punkt auch die Kunden und Geschäftspartner mitgenannt wurden, erklärt sich daraus - und eigentlich von selbst, da wir alle aufeinander angewiesen sind, wir also nur dann erfolgreich sein werden, wenn für und von alle(n) Beteiligten eine „Win-win“-Strategie gefahren wird. Dass nur einer gewinnt und die anderen verlieren, rächt sich sofort und kann niemals eine nachhaltige Strategie sein. Vom großen Strategen Carl von Clausewitz belehrt, wissen wir, dass eine erfolgreiche Strategie mit der richtigen Beurteilung der tatsächlichen Lage beginnt, die eigenen und die Mittel der Gegner beurteilt und davon ausgehend die Maßnahmen konzipiert, um realistische Ziele zu erreichen. Lassen Sie mich zur wirtschaftlichen Lage etwas anmerken. Wenn heute in wichtigen Ländern der EU - Frankreich, Italien, Spanien, ... - die Arbeitslosigkeit unerträglich hoch ist, die Fabriken dort nicht ausreichend ausgelastet sind (und sie damit Milliarden Verluste schreiben), der ESM zur „Banken-Rettung“, der mit 750 Milliarden Euro ausgestattet wurde, aber offenbar immer noch nicht ausreicht, wenn im Handel mit den süd- und südosteuropäischen „Oliven“-Ländern sich sogenannte „TARGET-2“-Salden im Umfang von Hunderten Milliarden aufgebaut haben, dann fällt es schwer, Optimist zu bleiben. »Viele Probleme bleiben vor der Wahl zugedeckt.« Auch in Österreich haben wir viele Probleme, die - vor der Wahl - noch zugedeckt bleiben: ◆ die wahren Kosten der Hypo-Alpe-Adria, der VKB, der Invest-Kredit, ◆ die Lage der Banken, die sich vor Jahren in Osteuropa und den „Emerging Markets“ mit 600 Milliarden Euro engagiert haben, wenn dort sich die Lage noch mehr zuspitzen sollte, ◆ unsere viel zu hohe Steuerquote, ◆ der bis heute nicht bekannte Umfang der öffentlichen Hand (Bund, Länder und Gemeinden) an spekulativen „Veranlagungen“ (Siehe: Salzburg, Linz, NÖ, Wien, ...). Wäre die Lage tatsächlich so, wie es der „Stimmungsanzeiger“, der Leitartikel in der österreichischen Fachzeitschrift für Raumgestalter „Farbe-Boden-Wand“ von Mai/ Juni 2013, „Branchenumfrage 2013 - Wir sind zuversichtlich“ andeutet, dann würde wohl Siemens nicht 1.000 Stellen streichen oder die Erzeuger von Sonnenkollektoren - noch vor kurzem als Hoffnungsbranche gefeiert (und stark gefördert) - nach schweren Verlusten hier wieder aussteigen (Greiner-Gruppe in Kremsmünster) - begleitet von einem Verlust von 100 Stellen. Um in der „zuversichtlichen“ Branche zu bleiben, sei schließlich noch ein namhafter Parkettbodenerzeuger erwähnt, welcher jüngst seinen Salzburger Standort gestrichen hat und somit 114 (!) der dortigen Arbeitsplätze. Und weil das alles mit großen Kosten verbunden ist, wird an der Steuer- und Gebührenschraube gedreht, auch wenn man das mit Steuergerechtigkeit zu verharmlosen versucht. Das sind unangenehme Wahrheiten, aber bekanntlich tun diese nur beim ersten Mal weh. Und wir sollten sie bei unseren Strategien bedenken. Ich komme nun zum Punkt „eigene und Mittel des Gegners“; in der nichtmilitärischen, sondern wirtschaftlichen Sprache natürlich: des Mitbewerbs. Mancher glaubt, mit ruinösen Preisen in einem Verdrängungswettbewerb schließlich das Rennen zu machen. Das ist ein fataler Irrtum und nur in jenem Graf-Bobby-Witz erheiternd: Wie er denn in seinem Café den Espresso für 1,90 verkaufen könne, wo doch die Gestehungskosten bei 2 Euro lägen, und Bobby darauf antwortete: „Ja, das stimmt schon; aber die Menge macht’s!“ Schlechte Preise erholen sich nie mehr - die Kosten steigen aber so sicher wie das Amen in der Kirche. Wer sich daher solchen Pseudo-Strategien verschrieben hat, schadet nicht nur der ganzen Branche, den Kunden, die von solchen einmaligen „Erfolgs“-Erlebnissen nichts haben, sondern letztlich sich selbst am meisten. »Mancher glaubt, mit ruinösen Preisen das Rennen zu machen.« So groß sind die Unternehmen in unserer Branche nicht, dass sie dies dauerhaft durchhielten und in einer allgemein wirtschaftlich kritischen Lage hört auch oft sehr schnell die „Quersubvention“ aus anderen Bereichen auf. Da hier auch keine Öl- oder Gold-Claims abgesteckt werden - also exorbitante Gewinne in Aussicht stehen -, die die anfänglichen Verluste hereinbrächten, ist dieses Marktverhalten eigentlich ziemlich dumm. Manche Hersteller haben nicht verstanden, dass der Großhandel eine spezifische Funktion und Dienstleistung ist; sie umgehen diesen im Projektgeschäft, in der irrigen Ansicht, dass dieser Teil von ihnen „gratis“ erledigt werden könne und sie überdies bessere Margen lukrierten. Aber es gibt keinen „Free Lunch“ irgendwo auf der Welt. Es werden nur differenzierte Vertriebsstrukturen nachhaltig geschädigt. Und ob und wie „profitabel“ Großprojekte sind, weiß man meist erst, nachdem auch die Haftungsrücklässe verrechnet sind. Das wäre mir als Großhändler ja noch beinahe egal, wenn nicht die Größenordnungen für solche „Großprojekte“ mittlerweile in die Bereiche von 300 m² und darunter gerückt wären - also eindeutig unser Geschäft! Viel Umsatz wird heute auch über die großen DIY-Häuser und Großflächen getätigt. „Billig“ ist allerdings - „in the Long Run“ - die teuerste Variante. Abgesehen davon, dass die Qualität oft nicht stimmt bzw. diese vom Nicht-Fachmann kaum wirklich beurteilt werden kann, gibt es ja nicht umsonst Fachbetriebe, die Qualitätsprodukte auch fachmännisch verlegen, installieren, aufbauen. Es ist m. A. ein strategischer Fehler der Hersteller, Qualitätsprodukte den Hobby-Bastlern (indem sie als Vertriebskanal jene DIY/Großflächen forcieren) „unkontrolliert“ zu überlassen: es wird meist doch Pfusch und die schlechte Nachrede hat das Produkt bzw. dessen Hersteller, denn irgendwer muss ja „Schuld haben“. Damit der alte Spruch, dass das Handwerk einen goldenen Boden hat, auch in Zukunft seine Berechtigung und Richtigkeit hat, bedarf es der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Hersteller, des Großhandels und der Handwerksbetriebe. Wir müssen im Bewusstsein haben, dass langfristig und vor allem in schwierigen Zeiten man dann gut fährt, wenn von und für alle(n) eine „Win-win“-Strategie angestrebt und praktiziert wird.