Fachkräftemangel: Können Flüchtlinge wie Parkettleger-Azubi Mohammad Haidari dem Lehrlingsmangel entgegenwirken? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

Zahlreiche Studien belegen, dass immer mehr Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben. Diese Lücke könnte mit jungen Flüchtlingen gefüllt werden. Doch die Umsetzung stellt die Betriebe in der Realität vor viele Herausforderungen.Wie man es auch dreht oder wendet: Immer weniger junge Leute interessieren sich für eine Ausbildung, die Suche nach Lehrlingen gestaltet sich für die Betriebe zunehmend schwerer. Das zeigen unter anderem die Zahlen des Berufsbildungsberichts 2016, die auch dieses Jahr wieder einen Rückgang der abgeschlossenen Ausbildunsverträge auf 522.000 melden und damit ein Minus um 0,2 Prozent. Inzwischen gibt es einige Initiativen, die darauf abzielen, diese Stellen mit Flüchtlingen zu besetzen, um auf diese Weise dem Fachkräftemangel, auch in der Parkett- und Bodenlegerbranche, entgegenzuwirken. Ein Beispiel ist die Initiative „Wege in Ausbildung für Flüchtlinge“, die im Februar in Zusammenarbeit mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Dr. Frank-Jürgen Weise, und dem Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, vereinbart wurde. Doch die Einstellung einer geflüchteten Person als Auszubildender ist für die Betriebe trotz vorhandener Initiativen in der Realität nicht immer einfach und bringt einige Faktoren und Voraussetzungen mit sich, die beachtet werden sollten. Bodo Ziegler, Geschäftsführer von floor-concept GmbH aus Höchberg bei Würzburg, gehört zu den wenigen Unternehmern, die einen Flüchtling als Lehrling eingestellt haben. Frage der MotivationSein Name ist Mohammad Haidari, er stammt aus Afghanistan und ist 2013 nach Deutschland geflohen. Mit 13 Jahren hat er bereits als Fliessenleger in seiner Heimat gearbeitet. Seit dem 1. September 2015 macht er bei floor-concept eine Ausbildung zum Parkettleger. Im Vergleich mit deutschen Lehrlingen ist Bodo Ziegler eines sofort aufgefallen: „Die ausländischen Azubis sind deutlich motivierter.“ Gerold Stühler-Lenhard, Geschäftsführer der Handwerkskammer Service GmbH und Koordinator für Flüchtlingsfragen, kennt dieses Phänomen: „Nach der Ankunft in Deutschland ist die Motivation bei fast allen sehr hoch. Doch je länger die jungen Menschen in einer Massenunterkunft sitzen, desto mehr sinkt die Motivation. Die Erkenntnis, dass man mit Taschengeld und sozialen Leistungen auch ganz gut durchkommt, ist für die Motivation ebenfalls nicht förderlich.“ Dementsprechend ungünstig ist es, dass die Bearbeitungszeit der Asylanträge in der Regel mehrere Monate dauert. Und nicht in jedem Fall kann eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden. Diese ist abhängig von Aufenthaltsstatus und Herkunftsland der geflüchteten Person. Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten herrscht beispielsweise ein generelles Beschäftigungsverbot. Mindestlohn bevorzugtGleichzeitig drängt sich die Frage auf, ob sich die Flüchtlinge überhaupt für eine Lehre interessieren, da zum einen das System der dualen Ausbildung nach Gerold Stühler-Lenhard in den meisten Herkunftsländern nicht bekannt sei. Zum anderen sind die meisten der geflüchteten Personen bereits älter als 18 Jahre und somit nicht mehr berufsschulpflichtig. Im Jahr 2015 wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 68,9 Prozent der Asylerstanträge von über 18-Jährigen gestellt. „Da reizt es natürlich, für 8,50 Euro irgendwo arbeiten zu gehen, anstatt eine Ausbildung zu machen“, sagt Gerold Stühler-Lenhard. Daher unterstützen Bundesinnungsmeister Peter Fendt, Bundesfachgruppenleiter Aus- und Weiterbildung Tobias Michalak und die Mitglieder des Bundeslehrlingswarte- und Berufsschullehrertages des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik die von der Bundesregierung angestrebte Verlängerung der Berufsschulpflicht für junge Flüchtlinge und Migranten bis zum 25. Lebensjahr. Mit der verlängerten Schulpflicht soll zum einen das Zeitfenster für eine gute berufliche Qualifikation ausgedehnt werden – Grundlage für den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung. Zum anderen beabsichtigt man, einer dauerhaften Ausweichbewegung weiter Teile der Migranten in den zuvor angesprochenen, durch den gesetzlichen Mindestlohn zunächst attraktiv erscheinenden Billiglohnbereich entgegengenzuwirken. Sprache verstehenDaneben sieht Tobias Michalak entsprechende fachsprachliche und allgemeine Deutschkenntisse für einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung als grundlegend an: „Die Berufsschulen senken ihr Niveau nicht. Um dieses zu erreichen, sollte man der deutschen Sprache mächtig sein. Daneben verwenden wir auch viele Fachwörter, die verstanden werden wollen. Auch wenn in den Betrieben viel ,Learning by Doing‘ ist und das praktische Ausbildungsziel leichter zu erreichen ist.“ Sollte die sprachliche Voraussetzung neben den rechtlichen Rahmenbedingungen gegeben sein, sieht Tobias Michalak in den Flüchtlingen das Potential, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken: „Aus den eigenen Reihen kommt nicht so viel nach. Die Flüchtlinge sind eine neue Chance, die sich offenbart und von der wir zehren können. Das ist für uns eine Tür, die sich öffnet.“ Wenig ErfahrungswerteGleichzeitig hält Tobias Michalak aber auch fest, dass die Erfahrungswerte in diesem Bereich noch nicht so groß sind: „Alles steckt noch in den Kinderschuhen.“ So sieht das auch Thomas Wilms, Geschäftsführer bei der auf Sport- und Holzfußböden spezialisierten Wilms GmbH in Wiesentheid bei Würzburg. Er möchte diesen September einen Flüchtling aus Afrika als Lehrling bei sich einstellen, wusste jedoch nicht, wohin er sich mit seinen Fragen wenden sollte: „Im Handwerk findet man kaum noch deutsche Azubis. Ich denke, dass die Flüchtlinge motiviert sind, zu arbeiten.“ Für Thomas Wilms spielt neben der Beherrschung der Sprache vor allem die schulische Vorbildung eine entscheidende Rolle: „Die Schulen in Afrika darf man sich nicht so vorstellen wie bei uns. Abdulahi Mohammad Hassan hat mir erzählt, dass er in seiner Heimat nur zwei bis drei Jahre in der Schule war. Wenn er in der Berufsschule aber zum Beispiel Flächen ausrechen muss, dann reicht seine Vorbildung dafür nicht aus.“ Schulische VorbildungDementsprechend müsste die Sprach- und Schulförderung von staatlicher Seite aus deutlich mehr unterstützt werden. Das sieht auch Bodo Ziegler so: „Mohammad Haidari hatte großes Glück. Er hat einen ehrenamtlichen Rentner, der ihm fast jeden zweiten Tag Unterricht gegeben hat.“ Das macht er auch nach wie vor und Mohammad Haidari ist über diese zusätzliche Hilfe sehr dankbar: „Er unterstützt mich überall, wo ich Hilfe brauche. Er lernt mit mir viel Deutsch, aber auch andere Fächer, wie zum Beispiel Sozialkunde oder Mathematik.“ Unterstützung nötigEr ist sich sicher: „Wenn ich diese Hilfe nicht gehabt hätte, dann könnte ich die deutsche Sprache jetzt nicht so gut und hätte auch keinen Job bekommen.“ Denn auch Mohammad Haidari hat in seiner Heimat nur zwei Jahre die Schule besucht. Zum Schluss legt Thomas Wilms noch auf eine andere Einstellungsvorraussetzung Wert: „Wichtig ist, dass sich die Flüchtlinge integrieren und unseren Gepflogenheiten anpassen. Ein Beispiel ist, dass sie auch eine Kundin respektvoll behandeln. Unser Betrieb arbeitet sehr kundenorientiert und der Umgang mit diesen ist für mich besonders wichtig.“ Doch solange die rechtliche Lage nicht befriedigend gelöst ist, wird jeder Betrieb mit gewissen Unsicherheiten konfrontiert. Bodo Ziegler würde sich hier von staatlicher Seite mehr Klarheit wünschen: „Die Azubis dürfen zum Beispiel im dritten Lehrjahr abgeschoben werden. Auch ist nicht eindeutig geklärt, ob ein Flüchtling einen Führerschein machen darf.“ Bei Mohammad Haidari ist der Asylantrag ebenfalls noch nicht bearbeitet: „Ich weiß nicht, ob ich bleiben darf. Die Lehre würde ich aber gerne fertig machen und danach einen Meisterkurs“, sagt Mohammad Haidari. Rechtliche UnsicherheitDaher begrüßt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, die Einigung der Regierungskoaltion auf die Umsetzung der 3+2-Regelung. Das bedeutet, dass Flüchtlinge für die Dauer ihrer Ausbildung und für weitere zwei Jahre bleiben dürfen, sofern sie im Ausbildungsbetrieb oder bei einem anderen Unternehmen arbeiten können. Das würde auch den Betrieben deutlich mehr Sicherheit geben. Klar ist aber auch, dass mit Flüchtlingen alleine der Fachkräftemangel nicht beiseitegeschoben werden kann. In der Parkett- und Bodenlegerbranche spricht Tobias Michalak in Bezug auf die Erfahrungswerte von ungefähr zehn Flüchtlingen: „Wir haben insgesamt sieben Schulen in Deutschland. Wenn an jeder Schule ein bis zwei Flüchtlinge sind, sprechen wir aktuell von bundesweit zehn Flüchtlingen, die im Parkett- oder Bodenlegergewerbe tätig sind.“ MehraufwandFraglich ist auch, ob sich der zusätzliche Mehraufwand, der durch die Einstellung entsteht, bezahlt macht. Bodo Ziegler ist sich dessen sicher: „Ich sehe Flüchtlinge als Chance, dem Lehrlingsmangel im Handwerk entgegenzuarbeiten. Es gibt nicht viele Betriebe, die so etwas machen. Wir machen, um den Leuten zu helfen und um politisch etwas anzuschieben.“ Wenn man merke, dass es funktioniere, lohne es sich auch mal, ein Risiko einzugehen.