Der aktuelle Schadensfall Wenn der Kunde liefert

Manchmal ist bei Bodenbelagarbeiten der Auftraggeber auch der Lieferant. In solchen Fällen ist Obacht geboten! Sind die Materialien für den vorgesehen Zweck geeignet? In einem Ladenlokal kam es zu Schäden bei einem Designbelag.Ein Einzelhändler plant, über einen Franchisegeber ein Fachgeschäft für Freizeitmode und Sportartikel zu eröffnen. Bei dem Wohn- und Geschäftshaus handelt es sich um einen Neubau. Das betreffende Ladenlokal im EG war seit der Fertigstellung nicht vermietet und über ein dreiviertel Jahr leerstehend. Der Innenausbau und die Bodenbelagarbeiten mussten nach Vorlage über das Corporate Identity (CI) des Franchisegebers erfolgen. Daher wurde die Innenausstattung und die Bodenbelagqualität vom Franchisegeber vorgegeben und auch für die Bodenbelagarbeiten geliefert. Beim Bodenbelag handelt es sich um eine fliesenförmige Qualität aus Vinyl. Als Untergrund war ein Calciumsulfat-Fließestrich als flächenbeheizte Fußbodenkonstruktion vorhanden. Auf diesem Untergrund wurde der vorgenannte Vinylbodenbelag vollflächig unter Verwendung einer Grundierung, einer zementären Spachtelung und Verklebung mit Rollklebstoff verlegt. Die Bodenbelagarbeiten wurden von Ende Oktober bis Anfang November ausgeführt. Das Ladenlokal wurde entsprechend ausgestattet und eingerichtet, die Eröffnung konnte planmäßig im Dezember erfolgen, um das Weihnachtsgeschäft zu tätigen. Der Kunde war zufrieden: die Rechnung des Bodenlegers wurde bezahlt. Schadensbild Im folgenden Jahr zeigten sich nach Inbetriebnahme und Eröffnung des Ladenlokals während der Nutzung unterschiedlich breite Fugen zwischen den Verlegeeinheiten der fliesenförmigen Bodenbelagqualität. Der Einzelhändler informiert den Auftragnehmer und fordert Mangelbeseitigung. Der Bodenleger zeigt sich ohne Verantwortung und erklärt, keine Fehler bei der Ausführung gemacht zu haben, schließlich habe der Kunde das Material vorgegeben. Zur Klärung der Schadens und der Verursacherfrage wurde ein Sachverständiger des iba-INSTITUTs beauftragt. Zum Zeitpunkt des Gutachtertermins wurde das Ladenlokal dem vorgesehenen Verwendungszweck nach genutzt und war daher entsprechend eingerichtet vorzufinden. Das Ladenlokal gliedert sich in einen großflächigen Verkaufsraum (ca. 102 m²), der über eine verglaste Schaufensterfront zur Straßenseite angrenzt. Der Zugang erfolgt über eine Doppelflügeltüre ohne Stufen und Versatz (niveaugleich). Im Verkaufsraum war die fliesenförmige Vinyl-Bodenbelagqualität in hellgrauem, meliertem Farbton vorhanden. Aus aufrecht stehender Betrachtungsweise zeigten sich im hinteren bis mittleren Bereich im Verkaufsraum für die Bodenbelagebene zunächst keine auffälligen und/oder negativen Erscheinungsbilder. Ab Mitte des Verkaufsraums bis zur Straßenseite waren dagegen beginnende Fugenspalten (> 0,1 mm bis 0,5 mm bis 2,5 mm bis < 4,0 mm) vor dem Schaufenster zwischen den einzelnen fliesenförmigen Verlegeeinheiten zu konstatieren. Es erfolgte eine weitere Inaugenscheinnahme sowie an besonders interessierenden Teilflächenbereichen auch eine Öffnung der Bodenbelagebene. Dabei war es vor dem Schaufenster mühelos möglich, einzelne Verlegeeinheiten ausgehend von den klaffenden Fugenspalten vom Untergrund abzuheben. Eine hinreichende Arretierung durch die Verklebung war nicht (mehr) festzustellen. Zur Raummitte hin war bei geringeren Fugenspalten (s.o.) ein Ablösen der Verlegeeinheiten zwar mit höherem Kraftaufwand verbunden, aber immer noch ohne nennenswerten Widerstand möglich. Als Bruchzone/Bruchbild war überwiegend ein Adhäsionsbruch zwischen den Rückseiten der Verlegeeinheiten der fliesenförmigen Bodenbelagqualität zum Rollkleber auf dem Untergrund (Calciumsulfat-Fließestrich, beheizt) zu konstatieren. Augenscheinlich-visuell war eine Benetzung der Rückseite der einzelnen Fliesen mit Rollkleber nur unzureichend oder gar nicht erfolgt – die Ablüftezeit war entweder überschritten, oder die Einlegezeit nicht beachtet worden! Im zum Verkaufsraum angrenzenden Lager ist eine dem Grundsatz nach gleichartig gelagerte Bodenbelagqualität vorhanden, die jedoch nach übereinstimmenden Angaben ohne derartige Schadensbilder vorzufinden und daher nicht streitgegenständlich war. Daher erfolgten im Lager keine Befunderhebungen. Vom Auftragegber vorgezeigt wurde eine Verkaufseinheit der seinerzeit verwendeten Bodenbelagqualität in der Original-Verpackung. Schadensanalyse Grundsätzlich kritisch waren Protokollangaben des Bodenlegers zu Untergrundprüfungen: Auf Nachfrage sei eine Untergrundprüfung auf (Rest-)Feuchte und/oder Belegreife mit der CM-Methode wegen der Fußbodenheizung und Gefahr der Beschädigung der Heizrohre nicht erfolgt.Augenscheinlich-visuell sei der Estrich nach zwei Jahren Liegezeit trocken gewesen.Auf Nachfrage konnte kein Aufheizprotokoll für den Heizestrich übergeben werden. Eine Recherche der in den technischen Merkblättern der Hersteller von Kleber und/oder Bodenbelag zu entnehmenden Voraussetzungen für erfolgreiche Bodenbelagarbeiten erbrachte folgende Erkenntnisse: Aus dem technischen Merkblatt des Herstellers der Vinyl-Bodenbelagqualität ist zu entnehmen: „(…) Wir empfehlen den Gebrauch von Dispersionsklebstoff. (…) Die Vorgaben der Klebstoffhersteller z.B. im Hinblick auf Menge, Ablüftezeit usw. sind zu beachten(…).“Im technischen Merkblatt des Herstellers für den verwendeten Kleber ist beschrieben, dass es sich um einen Rollklebstoff auf Dispersionsbasis handelt, ausgelobt für „(…) Anwendungsbereiche (…) PVC-Designbeläge in Platten und Fliesenformaten (Liste der geprüften und freigegebenen Beläge beachten) auf geeigneten, saugfähigen Untergründen in Wohn- und Gewerbebereichen (innen). Verabeitungsempfehlung (…) Hinweis (..) In Nassbereichen oder bei erhöhter Wärmeentwicklung (z.B. Schaufenster, Wintergärten) empfehlen wir die Velegung mit (…)“ zweikomponentigem PU-Klebstoff durchzuführen.Zum einen ergab die Nachfrage beim Hersteller des Rollklebers, dass es keine Freigabe für die verwendete Vinyl-Bodenbelagqualität gibt: Dieser Bodenbelag wurde bislang dort nicht geprüft! Zum anderen wäre ausweislich der Hinweise im technischen Merkblatt im Ladenlokal wegen der bodentiefen Schaufensteranlage auch ein zweikomponentiger Polyurethanklebstoff einzusetzen gewesen, um eine ausreichende Arretierung wegen dem zu erwartenden Maßänderungsverhalten bei Sonneneinstrahlung gewährleisten zu können und Fugenbildungen zwischen den Fliesen zu vermeiden: Diese Vorgaben blieben vom Bodenbeleger allerdings unbeachtet. Fazit Im vorliegenden Fall hätte der Auftragnehmer bei Kenntnisnahme der Auslobungen der Hersteller des Designbelages und Rollklebers den Schaden vermeiden können. Der selbst ausgewählte Rollkleber war überfordert und damit für die vorgesehene Verwendung ungeeignet. Weder der Bodenbelag noch der Rollkleber waren die Schadensursache. Nun muss im Ladenlokal der Oberboden entfernt und erneuert werden – ein teures Unterfangen! Deshalb: Prüfen bleibt Pflicht. Der Werkunternehmer schuldet auch für Fälle, in denen Materialien geliefert werden, den Erfolg und die Gewährleistung! Das iba-INSTITUT lädt am 28. Februar 2018 zum BauFach-Symposium nachKoblenz ein. Zusammen mit Experten aus Forschung und Anwendungstechnik bringt das iba-INSTITUT die Teilnehmer in puncto Schadensaufkärung produkt- und fachbezogen auf den neuesten Stand.Weitere Informationen und Anmeldung: www.iba-institut.de TKB-Merkblatt empfiehlt Kontaktklebeverfahren!Im Januar 2017 erschienen und gültig für Design- und Multilayer-Bodenbeläge ist das TKB-Merkblatt 15. Unter Abschnitt „(…) 4. Klebstofftypen (…)“ werden dort Dispersionsklebstoffe für das Haftklebeverfahren nicht empfohlen. Der Grund sind mögliche Eindrücke im Bodenbelag durch Klebstoffquetschungen, z.B. hervorgerufen durch Tischbeine oder Standfüße von Möbeln. Daher sollte das Kontaktklebeverfahren bevorzugt werden. Der Kleber wird dabei auf die Rückseite der Planken oder Fliesen und den Untergrund aufgetragen. Nach der Ablüftezeit erfolgt das Einlegen und Anwalzen des Bodenbelags. Auch Dispersionshaftfixierungen (z.B. Rollkleber u.a.) oder Trockenklebstoffe bis zu Reaktionsharzklebstoffen können verwendet werden. Tipp: Entscheidend bleibt, welche Empfehlungen die Hersteller von Design- und Multilayer-Bodenbelägen und Hersteller von Klebstoffen in den Produktdatenblättern ausloben!