Wenn der Gutachter kommt: Vier Rechtsbegriffe, die man kennen sollte

Eine heikle Situation: Ein externer Gutachter beurteilt zur Schadensaufklärung die eigene handwerkliche Leistung. Welche Aufgaben und Befugnisse hat der Sachverständige, wo sind ihm Grenzen gesetzt? Vier Rechtsbegriffe sind in diesem Zusammenhang wichtig.

Was man wissen sollte, wenn der Gutachter kommt
Ein externer Gutachter beurteilt zur Schadensaufklärung die eigene handwerkliche Leistung. Doch welche Aufgaben und Befugnisse hat der Sachverständige und wo sind ihm Grenzen gesetzt? - © Steinhäuser

Zahlreiche Schadensfälle im Fußbodenbereich landen vor Gericht. Das Gericht schaltet dann einen Sachverständigen ein, der die Schadensursache klären muss. Parkett- und Bodenleger fragen sich häufig: Wie werden die Sachverständigen bei Ortsterminen vorgehen? Wird der Sachverständige und wenn ja, wann und wie, eine Bauteilöffnung vornehmen? Wann kann ich den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnen? Und was bedeutet selbstständiges Beweisverfahren?

1. Der Ortstermin

In Bauprozessen dürfte kaum ein Sachverständigengutachten ohne Ortstermin auskommen. Zu diesem Termin trifft der Sachverständige erstmals persönlich mit den beteiligten Parteien zusammen. Der Sachverständige ist in aller Regel bestrebt, zu diesem Ortstermin alle für das Gutachten noch offenen Fragen zu klären. Deshalb sollte der Handwerker alle Beweis­unterlagen vollständig und sauber geordnet zur Verfügung gestellt haben.

Der Sachverständige muss im Vorfeld klären, wen er zum Ortstermin einladen muss. Hier gilt der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit. Dieser Grundsatz leitet sich aus dem Anspruch des Bürgers auf rechtliches Gehör ab und besagt, dass alle Parteien einen Anspruch darauf haben, über bevorstehende Beweiserhebungen informiert zu werden und daran teilzunehmen. Außer den Verfahrensbeteiligten dürfen auch Dritte an dem Ortstermin teilnehmen, wenn die Beteiligten damit einverstanden sind. Dritte dürfen jedoch nicht dem Verfahren beigetreten sein. Die Einladung zum Ortstermin kann per Fax, E-Mail oder sonst formlos erfolgen, sollte zu Dokumentationszwecken aber immer schriftlich vorgenommen werden.

Der Sachverständige darf den zu begutachtenden Schaden nicht ohne die beteiligten Parteien vorab besichtigen. Er sollte sich davor hüten, bewusst dorthin oder daran vorbeizufahren oder sich gar auf das Grundstück zu begeben, ohne die Parteien zu informieren und zu beteiligen. Hier kann es zur Ablehnung wegen Befangenheit kommen, außerdem liegt in einem solchen Fall ein Verfahrensverstoß gegen den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit vor.

2. Die Bauteilöffnung

Der Sachverständige muss sich Gedanken darüber machen, ob er zum Orts­termin eine Bauteilöffnung vornimmt und wie er diese ggf. durchführen will. Ob eine Weisung des Gerichts an den Sachverständigen zur selbstständigen Bauteilöffnung oder durch ein von ihm eingeschaltetes Unternehmen gemäß § 404a ZPO möglich ist, ist seit einiger Zeit in der Rechtsprechung umstritten.

Die Oberlandesgerichte Celle, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Stuttgart haben sich für die Möglichkeit einer Anweisung ausgesprochen. Das OLG Celle hat sogar entschieden, dass der Sachverständige die erforderlichen Bauteilöffnungen in eigener Regie und Verantwortung vorzunehmen habe. In der Begründung heißt es, es sei die ureigenste Aufgabe des Sachverständigen, die Grundlagen für die Erstattung des Gutachtens zu schaffen, zu beurteilen, was erforderlich sei, und etwaige Hilfspersonen anzuweisen.

Bemerkenswert ist auch die Entscheidung des OLG Celle, dass es nicht Aufgabe des Sachverständigen sei, die Bauteilöffnung wieder zu verschließen, weil die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zur Begutachtung nicht erforderlich sei. Die Oberlandesgerichte Brandenburg, Hamm, Rostock und Bamberg sowie das Landgericht Kiel haben sich gegen die Möglichkeit einer Weisung zur Bauteilöffnung ausgesprochen.

Als Begründung führen diese Gerichte an, dass durch eine Weisung der Sachverständige gezwungen werden könne, Verträge mit Handwerkern abzuschließen und ggf. seinen Versicherungsschutz zu erweitern. Der Sachverständige wäre für eventuelle Beschädigungen aufgrund der Bauteilöffnung haftbar und würde für von ihm eingeschaltete Handwerker einstehen müssen. Richtig ist sicher, dass der Sachverständige die Bauteilöffnung überwachen und eingeschalteten Personen Anweisungen geben sollte. Der Sachverständige muss nicht für die Kosten und Risiken der Bauteilöffnung aufkommen.

In der Baupraxis übernehmen die meisten Sachverständigen unabhängig vom bestehenden Meinungsstreit selbst die Organisation von Bauteilöffnungen. Sie schalten dafür selbst Unternehmen ein, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben und auf die sie sich verlassen können. In einem solchen Fall muss der Sachverständige die Kosten der Bauteilöffnung in seiner Kostenkalkulation berücksichtigen. Außerdem muss sich der Sachverständige vergewissern, ob er über einen ausreichenden Versicherungsschutz verfügt, um im Rahmen seiner Tätigkeit Bauteilöffnungen vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen. Der Sachverständige muss alle Tatsachen dokumentieren. Gerade im Schadensfall muss alles anhand von Prüfprotokollen nachgewiesen werden.

3. Befangenheit

Die Besorgnis der Befangenheit ist beispielsweise dann gerechtfertigt, wenn ein Grund vorliegt, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu haben. Die ablehnende Partei hat in einem solchen Fall die Befürchtung, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen oder unparteiisch gegenüber.Von Gerichtsprozessen wird absolute Neutralität erwartet. Ein gerichtliches Gutachten ist auch deshalb sehr schwer anzugreifen. Der Befangenheitsantrag muss übrigens binnen zwei Wochen ab Kenntnis gestellt werden.

Bei Privatgutachten sieht die Sache schon anders aus. Hier merkt man häufig sehr deutlich, wer das Privatgutachten in Auftrag gegeben hat. Auch deshalb haben Privatgutachten eine rechtliche Unverbindlichkeit, diese Gutachten sind im Grunde wertlos. Das Privatgutachten kann bei Gerichtsverhandlungen als qualifizierter Parteivortrag eingebracht und der Sachverständige als sachverständiger Zeuge gehört werden. Allerdings sind die Gerichte nach einem BGH-Urteil (IV ZR 57/08) verpflichtet, Privatgutachten zu verwerten, die auf ein Gerichtsgutachten eingeholt werden und dieses in Frage stellen.

Abfällige Äußerungen über eine Partei in einem Gutachten können den Sachverständigen "Kopf und Kragen" kosten. Nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 8.9.2011, 8 U 2204/08) führen abfällige Äußerungen über eine Partei selbst dann zur Befangenheit und damit zum Verlust der Honoraransprüche, wenn die Inhalte des Gutachtens völlig in Ordnung sind.

Übrigens können auch Richter nach § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Das kann beispielsweise zutreffen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dieses Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters ist dann gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhaltes Grund zur Annahme hat, der abgelehnte Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beinflusst. Der Ablehnende muss allerdings Gründe für sein Ablehnungsbegehren vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten. Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden (§ 406 Abs. 1 ZPO).

4. Selbstständiges Beweisverfahren

Beim selbstständigen Beweisverfahren geht es nur um die Feststellung von Tatsachen. Deshalb kommt den Fragen eine besondere Bedeutung zu, auf die sich der Sachverständige ausschließlich konzentrieren muss. Der Handwerker muss aus diesem Grund seinen Anwalt darauf drängen, auch die richtigen Fragen zu stellen. Diese Fragen werden in aller Regel vom Antragsteller und ggf. vom Antragsgegner formuliert und vom Richter in den meisten Fällen in den Beweisbeschluss übernommen.

Beim selbstständigen Beweisverfahren kann eine Partei auch außerhalb des Rechtsstreits die Begutachtung durch einen Sachverständigen beim Gericht beantragen, falls ein rechtliches Interesse vorliegt. Im Hauptverfahren wird das im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens erstellte Gutachten herangezogen. Die beteiligten Parteien dürfen noch Fragen an den Sachverständigen stellen oder eine mündliche Befragung vor Gericht beantragen.

Fazit

Parkett- und Bodenleger sollten wissen, dass Sachverständige und das Gericht an zahlreichen Schnittstellen zusammenarbeiten, um die richtige Entscheidung in einem Rechtsstreit zu erreichen. Auch wenn sich manche der beteiligten Parteien als benachteiligt oder gar als Verlierer sehen, Gerechtigkeit ist nun mal ein scharfes Schwert und wer weiß schon, was gerecht und was ungerecht ist. Natürlich gibt es auch Fehlurteile, aber hier hat der Verlierer immerhin die Möglichkeit, weiter zu "klagen".

Erstellt ein vom Gericht ernannter Sachverständiger grob fahrlässig oder vorsätzlich ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. "Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand." Deshalb sollte Ihr Kapitän stets kompetent und zuverlässig sein.

Zur Rolle des Sachverständigen: Kein Gehilfe des Gerichts

Bei einem Gerichtsgutachten wird der Sachverständige vom Gericht beauftragt. Er muss die vom Gericht formulierten bzw. von den Anwälten der Parteien eingebrachten Beweisfragen beantworten. Er darf sich zu nichts äußern, nach dem er nicht gefragt wurde. Sachverständige können im Hauptverfahren oder einem selbstständigen Beweisverfahren beauftragt werden. Der Richter bestimmt in beiden Fällen den zuständigen Sachverständigen. Die beteiligten Parteien dürfen Vorschläge zum Sachverständigen machen.

Die Rolle des Sachverständigen wird häufig als "Gehilfe des Gerichts" definiert. Das ist nicht richtig, denn d ie Befugnisse und Pflichten der Sachverständigen unterscheiden sich ganz wesentlich von denen des Richters. Die Aufgabe des Sachverständigen ist es, für den auf dem jeweiligen Fachgebiet nicht ausreichend sachkundigen Richter die Tatsachengrundlage zu klären, um den Richter in die Lage zu versetzen, das Recht anzuwenden und eine Entscheidung zu treffen. Der Sachverständige kann aber nur Tatsachen feststellen und keine Rechtsfragen klären. Die Erfahrungen zeigen aber immer wieder, dass strittige Rechtsfragen im Hintergrund lauern.