Wartungsfugen: Das sollten Bodenleger wissen

Wann genau ist eine Fuge eigentlich eine Wartungsfuge? Wann ist ein Wartungsvertrag sinnvoll? Und wer haftet bei Fugenabrissen aufgrund von Estrichschüsselungen? Diese Fragen und mehr klären Richard Kille und Martin Kuschel im folgenden Dialog.

Wartungsfuge
Bei Fugen geht es immer um die gleiche Frage: Darf der Auftrag­geber auf einen Gewährleistungsanspruch pochen und innerhalb der vereinbarten Fristen eine Instandsetzung verlangen? ­­ - © IFR GmbH

Fugen gibt es im Bauwesen viele, angefangen bei Bauwerksfugen über Dehnungsfugen, Randfugen bis hin zu Schweißfugen. Den Begriff " Wartungsfuge" findet man hingegen nur selten. Seine Bedeutung genauer zu kennen könnte dem Auftragnehmer und auch dem Nutzer in Streitfällen jedoch weiter helfen.

Denn die Diskussionen drehen sich meistens um Gewährleistungsfragen, denen der Handwerker mit einem vorher abgeschlossenen Wartungsvertrag hätte aus dem Weg gehen können. Wie und in welchen Fällen solche Problemlösungen beiderseitige Vorteile bringen, erarbeiten der Berufssachverständige Richard Kille und Rechtsanwalt Martin Kuschel im folgenden Gespräch.

Was sind Wartungsfugen?

RICHARD KILLE Ich werde immer wieder mit Fugenabrissen konfrontiert, sowohl bei Randschüsselungen des Estrichs als auch bei Abrissen von thermischen Verschweißungen und Verfugungen. Auftragnehmer wenden dann häufig ein, dass es sich um eine Wartungsfuge handelt und damit um keinen Mangel. Ist das richtig?

MARTIN KUSCHEL Dazu müsste man zuerst einen Blick auf die Definitionen werfen: Was ist eigentlich eine Wartungsfuge?

KILLE Die DIN 52460 "Fugen- und Glasabdichtungen – Begriffe" definiert die Wartungsfuge wie folgt: "starken Einflüssen (chemischen, biologischen, physikalischen, mechanischen) ausgesetzte Fuge, deren Dichtstoff in regelmäßigen Zeitabständen überprüft und gegebenenfalls erneuert werden muss, um Folgeschäden zu vermeiden." Der Industrieverband Dichtstoffe (IDV) ergänzt diese Definition in seinem Merkblatt Nr. 15 "Die Wartung von hochbelasteten, bewegungsausgleichenden Dichtstoffen" wie folgt: "Hierzu gehören auch Fugenabrisse aufgrund von Estrichschüsselungen, übermäßiger Beanspruchung sowie Veränderungen durch andere äußere Einwirkungen, die die zulässige Gesamtverformung des Dichtstoffs überfordern."

Martin Kuschel
Rechtsanwalt Martin Kuschel kennt die juristischen Fallstricke im Bodenlegeralltag. - © Tim Friesenhagen, Köln

KUSCHEL Nun gut, dann müssen wir zuerst klären, wann eine dauerhaft verschlossene Fuge als mangelhaft gilt. Nach der Definition des Mangels in § 633 Abs. 2 BGB ist ein Werk mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, beziehungsweise gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist. Diese kann der Besteller nach der Art des Werkes erwarten. Bezogen auf Wartungsfugen bedeutet dies, dass eine Fuge, für die ausdrücklich vereinbart worden ist, dass es sich um eine Wartungsfuge handelt, nicht der gewöhnlichen fünfjährigen Gewährleistungsfrist unterliegt. Mit der Vereinbarung ‚ Wartungsfuge‘ wird als Beschaffenheit der Fuge vereinbart, dass diese Fuge einer besonderen Wartung bedarf. Diese Wartung obliegt grundsätzlich dem Auftraggeber, der bei Bedarf einen entsprechenden Wartungsvertrag abschließen kann, mit dem er die Verpflichtung zur regelmäßigen Wartung – in der Regel entgeltlich – auf einen Unternehmer überträgt. 

KILLE Hat allein mit der Vereinbarung, dass eine Fuge eine Wartungsfuge sein soll, der Auftraggeber keine Gewährleistungsansprüche wegen dieser Fuge mehr?

KUSCHEL Nein. Auch eine ausdrücklich als Wartungsfuge vereinbarte Fuge muss fachgerecht nach den anerkannten Regeln der Technik ausgeführt worden sein. Das zu prüfen ist Aufgabe des Sachverständigen.

KILLE Häufig ergibt sich aus dem Vertrag oder Leistungsverzeichnis nur, dass eine Fuge "dauerhaft zu verschließen" ist. Nicht selten wird bei Verfugungen im Leistungsverzeichnis auch der Begriff "dauerelastisch" ausgeschrieben. Handelt es sich dann bereits um eine Wartungsfuge?

"Für eine ausdrücklich vereinbarte Wartungsfuge gilt die fünfjährige Gewährleistungspflicht nicht." Martin Kuschel

KUSCHEL Der Begriff "dauerelastisch" suggeriert zumindest dem bautechnischen Laien, dass es sich um einen dauerhaft haltbaren, elastischen Fugenverschluss handelt, der also mindestens über die fünfjährige Gewährleistungsfrist hält. Diese Interpretation wird durch das IVD-Merkblatt Nr. 15 gestützt, nach der der Regelfall einer Fugenabdichtung derjenige ist, dass eine Fuge keiner Wartung beziehungsweise Überwachung bedarf. Für "normale" dauerelastische Fugen bestehen also keine rechtlichen Besonderheiten.

Richard Kille. - © Joas

KILLE Häufiger Streitpunkt sind Fugenabrisse aufgrund von Estrichschüsselungen wegen seines Trocknungsverlaufes, wodurch insbesondere die Fugen zu den Sockelleisten einer mechanischen Belastung ausgesetzt sind, die sie reißen lässt. Das IVD-Merkblatt Nr. 15 zählt solche Fugenabrisse zu Wartungsfugen, die nicht der gewöhnlichen Gewährleistung unterliegen und verweist auf "VOB DIN 1961 § 4 – Ausführung, Abs. Nr. 3" und "§ 13 – Gewährleistung, Abs. Nr. 3." Was beinhalten diese Paragraphen?

KUSCHEL Ersterer betrifft die Hinweispflicht auf Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer, der § 13 Abs. 3 VOB/B den Ausschluss der Gewährleistung nach Erfüllung der Hinweispflicht. Aus Sicht des Parkett- und Bodenlegers stellt also der Estrich eine Leistung eines anderen Unternehmers dar, deren Verhalten er nicht oder nur geringfügig beeinflussen kann. Wenn er allerdings im Rahmen seiner Prüfungspflicht erkennen kann, dass der Estrich noch zurückschüsseln wird, muss er darauf hinweisen, dass sich eine Fuge zwischen Bodenbelag und Sockelleiste bilden wird.

KILLE Wenn er so etwas allerdings überhaupt nicht erkennen kann?

KUSCHEL Dann trifft ihn keine Gewährleistungsverantwortlichkeit. Sie resultiert weder aus seinem Gewerk, noch war sie vorhersehbar.

KILLE Auch bei thermischen Verschweißungen und Verfugungen elastischer Beläge kann es durch Dimensionsveränderungen des Bodenbelags zu Fugenabrissen kommen. Im Gegensatz zum vorgenannten gehören sie allerdings zum eigenen Gewerk des Bodenlegers. Was gilt dann?

KUSCHEL Hier hat der Bodenleger es in der Hand, durch Materialauswahl und Verarbeitung Fugenabrisse zu vermeiden. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um Wartungsfugen, soweit chemische (Weichmacher) und/oder physikalische Belastungen (Dimensionsveränderungen des Belags) aus dem Bodenbelags- oder Verfugungsmaterial oder dessen Verarbeitung herrühren.

"Nicht immer kann der Bodenleger das Material frei ­auswählen und hat auf die Architektur Einfluss." Richard Kille

KILLE Nicht immer kann der Bodenleger das Material frei auswählen und auf Architektur und Nutzung hat er auch keinen Einfluss. Bei bodentiefen Fenstern haben wir enorme Temperaturschwankungen und in Krankenhäusern treten starke mechanische Einwirkungen durch Bettrollen sowie chemische durch Desinfektionsmittel auf.

KUSCHEL Liegen die Ursachen von Fugen in äußeren Faktoren, können auch solche im Einzelfall als Wartungsfugen anzusehen sein. Das entbindet den Bodenleger aber nicht von seiner Prüf- und Hinweispflicht, die er bei erkennbaren Risiken hat.

KILLE Was ist dem Auftragnehmer zu raten?

KUSCHEL Gerade in solchen Fällen bietet sich an, einen Wartungsvertrag abzuschließen.