TKB-Tagung Modifizierte Spachtelmassen unter der Lupe Unterschiedliches Verhalten von Faserarmierungen

Dr. Matthias Hirsch, Kiesel Bauchemie in Esslingen, stellt bei faserarmierten Spachtelmassen eine deutliche Verbesserung der mechanischen Eigenschaften fest. Es folgt ein kurzer Abriss seiner wichtigsten Untersuchungsergebnisse.Unterschiedliches Verhalten von Faserarmierungen Dabei zeigt der Beitrag des Chemikers, dass Zunahmen von rissüberbrückenden Qualitäten und Bruchfestigkeit von unterschiedlichen Faktoren abhängig sind. Hirsch untersuchte aktuell fünf beispielhafte Spachtelmassen (SPM). Verbundwerkstoffe, eben zum Beispiel faserarmierte Spachtelmassen, sollen positive Eigenschaften verschiedener Werkstoffe kombinieren. Die Verbesserung mechanischer Eigenschaften mit anisotropen Materialien wie Fasern oder Gitternetzen hat sich in der Praxis bewährt. Eine mineralische Bindemittelmatrix, die ihre Festigkeit überwiegend etwa mit zementärem Bindemittel erzielt, zeigt gute Druck-, jedoch nur geringe Zug- und Bruchfestigkeiten. Um die zu verbessern, werden Fasern, Gitternetze sowie ähnliche anisotrope Materialien zugesetzt. Damit werden Zug- und Bruchfestigkeit parallel zur Faserachse beziehungsweise Gitterebene stark verbessert. Die Druckfestigkeiten bleiben laut Hirsch im Vergleich mit den unmodifizierten Systemen erhalten. In der Untersuchung wurden fünf gips- sowie zementgebundene Spachtelmassen einer Prüfung unterzogen. Da sich Spachtelmassen im rheologischen Verhalten deutlich unterscheiden, wurden je eine selbstnivellierende sowie standfeste Spachtelmasse für die zwei mineralischen Bindemittelarten Gips und Zement ausgewählt. Zum zusätzlichen Vergleich wurde eine standfeste SPMauf Zementbasis eingesetzt (R 300 S), die direkt mit der F 333 zu vergleichen ist. Die F 333 hat allerdings einen feinen, die R 300 S einen groben Kornaufbau. Biegestreifen für die Messungen Für die Ergebnisdiagramme wurden die SPM entsprechend ihrer Basis und ihres rheologischen Verhaltens abgekürzt: Zement- (Z) und Gipsbasis (G), selbstnivellierend (SL), standfest (ohne Zusatz). Mit den aufgeführten (siehe Grafik 2) SPM wurden die verschiedenen Prüfkörper hergestellt. Für die Messungen wurden so genannte Biegestreifen in Anlehnung an die EN 12002 hergestellt und nach der Auslagerung von 28 Tagen Normklima (NK) beziehungsweise nach einer zusätzlichen Unterwasserlagerung von einem Tag (+1dW) geprüft. Wesentliche Parameter der Biegestreifen sind ihre Dicke von drei Millimeter und die Stützweite im dritten Punktbiegeversuch von 200 Millimeter. Bei einer Variation der Fasermenge in Vorversuchen zeigte sich, dass sich Bruchweg sowie Bruchkraft nicht immer gleich verändern. Für erkennbare Maßeffekte benötigt man eine Fasergrundmenge. Deshalb sind die Messungen in den Prüfkörpern immer konstant mit zwei Masseprozent Fasergehalt erfolgt. Interessante Ergebnisse erbrachte der Dreipunkt-Biegeversuch mit G-SL 1000 (siehe Grafik 3): Hier sind der Bruchweg S in Millimeter sowie die Bruchkraft F in Newton auf einer gemeinsamen Größenachse gegen die Fasermodifizierzung für die SMP G-SL 1000 aufgetragen. Der genaue Zahlenwert der jeweiligen Säule ist zusätzlich als Messwert auf der Säule angegeben. Dabei zeigt sich zunächst, dass die Bruchfestigkeit nennenswert mit der AR-Festigkeit ansteigt. Kaum beeinflusst werden die jeweiligen Bruchwege. Weiterhin wird deutlich, dass die Bruchfestigkeiten dieses selbstnivellierenden Gipssystems sich bei Wasserbelastung deutlich verringern. Dies ist für das Bindemittel Gips durchaus zu erwarten. Analog wurden die anderen Spachtelmassen getestet. Unter anderem wurden folgende Ergebnisse ermittelt: Bei der standfesten Gips- SPM G-2000 wird so der Bruchweg anders als bei der G-SL 1000 mit AR-Faser signifikant erhöht. Bei der Z-SL 111 erhöht sich der Bruchweg mit der PAN-Faser bei gleich bleibender Bruchkraft. Mit der AR-Faser werden dagegen die größten Bruchfestigkeiten erzielt. Bei der grobkörnigen, standfesten sowie zementären Spachtelmasse Z-300 verändert die Fasermodifizierung an mechanischen Festigkeiten außer der Bruchfestigkeit kaum etwas, überaus deutlich ist der Armierungseffekt bei der feinkörnigen Z-333 mit zusätzlicher Fasermodifizierung. Mit der PAN- und der AR-Faser werden in der Größenordnung der vorigen Z-300 Bruchfestigkeiten mit der Z-333 erreicht. Damit kann der Festigkeitsverlust durch den feinen Kornaufbau kompensiert werden. Diagramm zeigt die Verformung Am Beispiel der Z-333 werden die Kraft-Weg-Diagramme mit und ohne Fasern und zusätzlicher Wasserbelastung erläutert. Mit diesem Kraft-Weg-Diagramm ist es möglich, das Verformungsverhalten zu erkennen. Der absolute Messwert des Bruchweges sagt schließlich nichts über ausgeprägte, plastisch fließende Bereiche im Dreipunktbiegeversuch aus. Weiterhin kann, etwa im Falle der Z-333, die „Endpunktsfindung“ (Ist der Prüfkörper tatsächlich gebrochen oder nicht?) sehr schwierig sein. Durch Faserzusatz brechen die Prüfkörper nämlich nicht komplett durch, so dass die Bruchpunktsfindung in einem ausgeprägten Fließbereich unter Umständen nicht eindeutig ist. Was ein Kraft-Weg-Diagramm über die untersuchte Spachtelmasse verrät, verdeutlicht die entsprechende Prüfung der Z-333 ohne Faserzusatz (siehe Grafik 4). Den vorher gezeigten Bruchwegen und -festigkeiten liegen derartige Dreifach-Bestimmungskurven zu Grunde. Die dick gezeichnete Kurve in Orange ist eine so genannte Ausgleichs- oder Mittelwertkurve, die sich maschinell ergibt. Die Mittelwertkurve weist in diesem Fall einen steilen sowie nahezu linearen Kraftanstieg auf und ist noch gut verwendbar. Weiter zeigt sich der Bruchpunkt deutlich durch einen drastischen Kraftabfall bei bestimmter Durchbiegung. Die Kurve flacht nur ganz gering und auch nur kurz vor dem Bruch ab, im Wesentlichen liegt also ein hart-elastisches Verhalten vor, ohne nennenswerte Bereiche mit plastischem Fließen. Dies ändert sich zum Beispiel durch Zugabe der PAN-Faser zur Z-333, noch mehr mit der AR-Faser, deren Verhalten im trockenen und feuchten Bereich durch entsprechende Kraft-Weg-Diagramme in der Untersuchung dargestellt sind. Es zeigt sich, dass fasermodifizierte SPM nach einer Bruchbelastung nicht versagen und sogar wie beim vorigen Thema der Kraft-Weg-Diagramme auch noch große Kräfte übertragen können. Hierbei handelt es sich um eine der wichtigsten Eigenschaften dieser Ssteme. Auch mit Rissstabilisierung und Rissüberbrückung beschäftigte sich Dr. Matthias Hirsch, Kiesel, in seinen Untersuchungen. Durch die SPM-Bruchbilder von zehn Millimeter dicken Parametern werden Eigenschaften der Kraftübertragung in einem Vergleich optisch abgebildet. Statt drei Millimeter messende Biegestreifen zu fotografieren, wurden Zehn-Millimeter-Prismen mit und ohne Fasermodifizierung dargestellt. Auch die Größenordnung einer möglichen Rissüberbrückung durch herausstehende Fasern ist auf den Illustrationen zu sehen, wenn der vollständig durchgebrochene Prüfkörper vergrößert dargestellt ist. Bei einem typischen Biegebruch wird die Stabilisierung des Risses gezeigt. Die fasermodifizierte SPM versagt auch nach diesem Bruch nicht sofort vollständig. Sie kann auch künftig Kräfte übertragen. Dadurch wird der aufgetretene Riss überbrückt und stabilisiert. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse: Bei den durch Dr. Matthias Hirsch, Kiesel, Esslingen, erfolgten umfangreichen Untersuchungen von fünf mineralischen Spachtelmassen mit sowie ohne Faserzusatz wurde ein anisotroper Charakter der verbessernden Wirkung in allen Fällen gefunden, folglich ist die Verbesserung der mechanischen Festigkeiten in jedem Fall richtungsabhängig. Dicke Schichten, bezogen auf die Faserlänge, zeigen lediglich relativ geringe Verbesserungen mechanischer Festigkeiten. In dünneren Schichten, in denen die Faserlänge eine Größenordnung von vier Millimeter erreicht, verbessern sich dagegen die mechanischen Festigkeiten stark. Auch bei größeren Schichtdicken bleiben die sehr wichtigen Eigenschaften Rissüberbrückung und Rissstabilisierung erhalten. Die Möglichkeit, Risse zu überbrücken sowie ein Versagen der Spachtelmasse nach einem Bruch zu verhindern, stellt eine wichtige Anwendung für fasermodifizierte Spachtelmassen dar. Als geeignet haben sich dabei insbesondere feste (hochmodulige) Fasern von zirka vier Millimeter Länge erwiesen. Diese organischen und anorganischen Fasertypen waren für alle Spachtelmassentypen verträglich. Auch bei Gipssystemen gab es keine Verträglichkeitsprobleme. Es können damit standfeste sowie selbstnivellierende Spachtelmassen auf Alphagips- oder Zementbasis verbessert werden. Bei zusätzlichen Belastungen – diese können beispielsweise durch das Eindringen von Wasser/Durchfeuchtung oder Frost/Tau hervorgerufen werden, zeigten alle fasermodifizierten Spachtelmassen in Sachen Bruchfestigkeit bessere Ergebnisse als Spachtelmassen ohne Fasermodifizierung. Feines Korn sorgt für Fortschritt Die deutlichsten Verbesserungen im mechanischen Verhalten zeigten im Test die Spachtelmassen mit feinem Kornaufbau sowie vergleichsweise hohem Kunststoffgehalt. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass dadurch die Haftung der Fasern an der mineralischen Matrix gesteigert wird. Es würde bedeuten, dass die Fasern die von außen einwirkenden Kräfte effektiver in der Längsrichtung aufnehmen könnten. Die umfangreichen Ergebnisse seiner Untersuchungen präsentierte Chemiker Dr. Matthias Hirsch, Kiesel Bauchemie in Esslingen, in seinem Vortrag bei der TKB-Tagung.Walter Pitt walter.pitt@t-online.de