Der interessante Schadensfal: Bauschäden durch Propangasbeheizung Trocknungsprozess produziert 50 Eimer Wasser

In den Geschäftsräumen einer Buchhandlung wurde im Zuge einer Renovierung ein neuer Spanplattenunterboden und darauf ein hochwertiger Bodenbelag verlegt. Der Boden zeigte nach einiger Zeit konkave Schüsselungen, die sich durch den Oberbelag deutlich abzeichneten.

Trocknungsprozess produziert 50 Eimer Wasser

Was war passiert? In den Geschäftsräumen einer Buchhandlung wurde im Winter im Zuge einer Renovierung ein neuer Spanplattenunterboden und darauf ein hochwertiger Bodenbelag verlegt.


Der Boden zeigte nach einigen Monaten über die gesamte Fläche konkave Schüsselungen, die sich durch den Oberbelag deutlich abzeichneten. Der Bauherr sah sich genötigt, die Arbeiten zu monieren. Das ausführende Verlegeunternehmen war sich keiner Schuld bewußt, so daß ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger hinzugezogen wurde.

Sachverhalt

Zunächst wurde der komplette Sachverhalt aufgenommen. Der flächenfertige Boden zeigte tatsächlich in Teilbereichen konkave Schüsselungen, die mit einer Präzisionswaage und einem Metallmeßkeil größenordnungsmäßig ermittelt und mit 2 bis 6 Millimeter festgehalten wurden. Somit lagen die Verformungen eindeutig außerhalb der gültigen Abweichungen nach der DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau“. Diese läßt bekanntlich auf einer Meßstrecke von 1,00 Meter Höhenunterschiede von bis 4 Millimeter zu.


Daraufhin wurde der Aufbau des Fußbodens von der Rohdecke an bis zur Oberkante Oberbelag unter die Lupe genommen.

Fußbodenaufbau

Feuchtigkeitssperre durch eine aufgeklebte Bitumenschweißbahn, Lagerhölzer ca. 80 u 80 Millimeter mit eingelegter Dämmung, Schalbrettzwischenlage d = 22 Millimeter, Vliesmatte d = ca. 5 Millimeter, schwimmend verlegte Spanverlegeplatten V 100 E1 d = 22 Millimeter mit verleimten Stößen, Haftvorstrich, Armierungsgewebe, lose, geheftet, vollflächige Spachtelung mit Systemausgleichsmasse, stellenweise Ausgleichsspachtelung mit Renovierungsausgleichsmasse, PVC-Belag, d = 2,5 Millimeter, in Streifen 76 u 915 Millimeter, diagonal verlegt und mit Dispersionskleber verklebt.Es wurden nur anerkannte und bewährte Verlegewerkstoffe und Materialien eingesetzt.

Befund

Der Sachverständige stellte nach Befragen fest, daß die Schüsselungen durchaus schon einmal in größerem Umfang vorgelegen hatten, wie auch der bei der Baubesprechung anwesende Architekt glaubhaft bestätigte.


Dem Sachvertändigen oblag in seinem Auftrag allerdings nicht allein die Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes, sondern auch die Ermittlung der Ursache, der Verantwortung und die Erstellung eines Lösungs- oder Sanierungsvorschlages.

Mit aufsteigender Feuchtigkeit nicht zu rechnen

Im konstruktiven Aufbau konnte der Gutachter keine Mängel feststellen. Mit aufsteigender Feuchtigkeit, die für eine konkave Verformung ursächlich gewesen sein könnte, war wegen des Einbaus einer aufgeklebten Bitumenschweißbahn nicht zu rechnen. Entsprechende Hinweise auf diese Erscheinungen konnten auch nicht ermittelt werden. Dennoch mußte die Verformung der Verlegeelemente mit einem Feuchtigkeitseinfluß, woher auch immer, zu tun haben. Andere Gründe für die Verformung eines Holzwerkstoffelementes waren bei dieser Schadenskonstellation nicht denkbar.


Auch die Vorbehandlung der Spanplatten erfolgte nach Angaben des Herstellers und war als fachgerecht zu bezeichnen. Woher sollte also die Feuchtigkeit kommen?


Auf Befragen stellte der Sachverständige fest, daß zum Zeitpunkt der Verlegung, wie so häufig, die Termine zur Fertigstellung des Baus erheblich drängten. Was das bei einem Ladengeschäft heißt, weiß jeder Fachmann.


Nicht die Verschiebung des Einzugstermins war angesagt, sondern die Beschleunigung bauphysikalisch ablaufender Prozesse. Die Umbaubereiche wurden im betreffenden Zeitraum wegen der winterlichen Temperaturen mit zwei Propangasbrennern beheizt. Gleichzeitig zur Verlegung der Spanplatten fanden in unmittelbar angrenzenden Räumen Putz- und Malerarbeiten statt.


Die Propangasflaschen waren für den Sachverständigen der Schlüssel zur Findung der Schadensursache. Propan ist ein einfaches brennbares Kohlenwasserstoff mit der Formel CH3–CH2–CH3. Dieses bei der Erdöl- bzw. Kohlehydrierung anfallende Gas wird durch Druck verflüssigt und dient häufig als Heizgas. Es wird üblicherweise in Stahlflaschen gehandelt, kommt aber auch z.B. in Gasfeuerzeugen zum Einsatz. Bei der Verbrennung entstehen unter Sauerstoffeinbindung Wasser (H2O) und Kohlendioxyd (CO2). Gerade das freiwerdende Wasser kann aber zu Bauschäden führen, die vielfach nicht richtig und rechtzeitig erkannt werden.


Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß speziell zur raschen Austrocknung von Neubauten eingesetzte Gasheizgeräte eine unproblematische Funktion als Entfeuchter für neuzuerstellende Wohnräume dienen. Sich dieser Zusammenhänge bewußt, ging der Gutachter bei der Beurteilung der Situation von folgenden belegbaren Grundlagen (Arbeitsblätter BP Hamburg) aus:


Beim Verbrennen von 1 Kilogramm Propangas entstehen ca. 1,64 Kilogramm Wasser. Die Heizleistung eines Kilogramms Gas beträgt 12,87 Kilowatt pro Stunde.


Die verwendeten Heizgeräte hatten eine Leistung von 30 Kilowatt pro Stunde, so daß bei einem Verbrauch von 2,33 Kilogramm Propangas pro Stunde 3,82 Liter Wasser pro Gerät produziert wurde. Bei einer angenommenen Laufzeit der Brenner von rund 64 Stunden (wurde nach dem überprüften Bauablauf angenommen), liefen die Brenner wahrscheinlich 64 Stunden.

490 Liter Wasser

Zwei Geräte von je 30 Kilowatt pro Stunde produzieren in 64 Stunden ca. 490 Liter. Das entspricht rund 50 Eimer Wasser. Dieses Wasser wurde, wegen der gleichzeitigen zwangsläufigen Lüftung nur teilweise, aber doch in nicht ganz vernachlässigbarem Umfang, insbesondere über die Seitenflächen der Verlegeplatten aufgesogen. Auch bei einer geringeren Wirkzeit und Menge hätte, natürlich immer in Abhängigkeit von den raumklimatischen Verhältnissen, eine unverhältnismäßig hohe Belastung des hygroskopischen Spanplattenunterbodens stattgefunden, konstatierte der Sachverständige. Unterstützt wurde dieses Verhalten noch durch die gleichzeitig stattfindenden Maler- und Putzarbeiten und eventuell die Temperaturen an der Oberfläche der Holzwerkstoffelemente. Damit waren die Ursachen für die Verformung der Spanplatten für den Fachmann klar. Eine Verformung der Unterbodenelemente war zu Beginn der Verlegung noch nicht feststellbar, zudem war eine Messung der Spanplatten mit den handwerksüblichen Geräten wegen des hohen, das Ergebnis verfälschenden Leimanteils auch nicht möglich. Die Verleger nahmen also ohne Kenntnis der Zusammenhänge, aber mit bestem Wissen die Grundierung, Spachtelung und PVC-Verlegung vor. Mit diesen Maßnahmen wurde die Feuchtigkeit eingeschlossen und konnte nicht mehr nach oben entweichen. Eine spätere Verformung war vorprogrammiert. Die unteren trockenen Bereiche der Spanplatte quollen durch das gestaute Wasser an der abgeschlossenen Oberseite an und sorgten in der Folgezeit für eine konkave Verformung, die schließlich den Anlaß für die Beanstandung gab. Erst allmählich erfolgte eine Austrocknung über die Randbereiche und Stöße und unverschweißten PVC-Nähten, so daß das Schadensbild, wie auch von den Anwesenden bei der Baubesichtigung festgestellt, in den Folgemonaten nach einem zwischenzeitlichen Höchstmaß zunehmend besser wurde.


Ein vollkommenes Zurückgehen der Verforung konnte der Sachverständige allerdings nicht in Aussicht stellen, so daß die Beseitigung des zum Zeitpunkt der Besichtigung vorhandenen Mangels nur über eine komplette, allerdings unverhältnismäßige Aufnahme und Neuverlegung des tragenden Unterbodens und der Aufbeläge möglich wäre. Ein Hinweis auf ein zum Zeitpunkt der Verlegung geeignetes Raumklima fehlte selbstverständlich nicht.


Somit zog der Gutachter, in diesem Fall Dipl. Ing. Arch. Jürgen Ehret, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Parkett und Bodenbeläge, Hamburg, folgende Schlußfolgerung aus diesem Schadensfall:


Die Beheizung mit Propangas ist zwar aus Gründen der Erzielung von erforderlichen Bearbeitungstemperaturen für eine handwerkliche Leistung durchaus sinnvoll, andererseits birgt sie gerade bei der Verwendung von hygroskopischen Unterböden, wie den hier eingesetzten Spanplatten, unvorhergesehene Risiken.