Der interessante Schadensfall Rissbildung im Estrich und im Natursteinbelag Teure Totalsanierung

Bei der Sanierung von Rissbildungen im Estrich eines Eigenheims machten die Auftragnehmer folgenschwere Fehler. Nach dem zweiten missglückten Versuch empfahl der Sachverständige, die Estrichkonstruktion zu entfernen.Sichtbare Risse im Naturstein, nachdem er angefeuchtet wurde.Teure Totalsanierung Eine junge Familie hatte sich von einem Generalunternehmer ein Eigenheim bauen lasen. Dabei baute im April 2002 ein Auftragnehmer für Estricharbeiten im Wohnzimmer, Esszimmer sowie in der Küche einen schwimmenden Calciumsulfatfließestrich ein. Die Besonderheit hierbei war, dass im Wohnzimmer und im Esszimmer keine Warmwasserfußbodenheizung im herkömmlichen Sinne vorhanden war, sondern lediglich ein Fußbodenerwärmungssystem. Dabei erwärmt sich die Fußbodenkonstruktion nicht gleichmäßig, sondern nur partiell in kleineren Bereichen. Die erwärmten und nicht erwärmten Bereiche wurden nicht durch entsprechende Fugen innerhalb der Estrichkonstruktion voneinander getrennt. Die Erwärmung der Raumluft im Wohnzimmer und im Esszimmer erfolgte mit handelsüblichen Warmwasserheizkörpern. Die Raumgeometrie Esszimmer/Wohnzimmer war L-förmig. Weder der Auftragnehmer für Estricharbeiten noch der Auftragnehmer für Heizungsarbeiten oder die Bauleitung hatten entsprechende Bewegungsfugen in dem zirka 50 Quadratmeter großen Wohnzimmer/Esszimmer vorgesehen. Lediglich im Übergangsbereich zwischen Esszimmer und Küche stellten die Handwerker eine Bewegungsfuge innerhalb der Estrichkonstruktion her. Im Juni 2002 hatte im Anschluss ein Auftragnehmer für Naturwerksteinarbeiten Granitplatten vom Typ „Kaschmir White“, im Format 60 mal 30 mal 1 Zentimeter, mittels eines Dünnbettmörtels verlegt. Der Auftragnehmer nahm seine Prüfpflichten am Untergrund gewissenhaft wahr und stellte unter anderem mehrfach sach- und fachgerechte Feuchtigkeitsmessungen an. Erst nach Erreichen der Verlegereife begann er mit den Verlegearbeiten. Unmittelbar nach Erstinbetriebnahme des Fußbodenerwärmungssystems stellte der Bauherr Risse innerhalb der Naturwerksteinplattenebene, jeweils von den Eckbereichen ausgehend, im Wohnzimmer und im Esszimmer sowie in der Küche fest. Ursachenforschung Für eine genaue Ursachenforschung wurden die Randfugen sowie die Bewegungsfugen im Übergangsbereich zwischen Wohnzimmer und Esszimmer hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit überprüft. Der Auftragnehmer für Naturwerksteinarbeiten hatte auch in diesem Fall wieder sehr sorgfältig und genau gearbeitet. Er hatte erst nach der Verfugung der Naturwerksteinplatten die PE-Randdämmstreifen abgeschnitten, so dass kein Mörtel oder sonstige Substanzen in die Randfugen eindringen konnten. Auch die Bewegungsfuge war sach- und fachgerecht seitens des Auftragnehmers für Naturwerksteinarbeiten ausgeführt worden. Die Risse innerhalb der Naturwerksteinplatten waren nur bei extremer Gegenlichtbetrachtung bzw. durch Anfeuchten der Naturwerksteinplattenoberfläche feststellbar. Abplatzungen oder Ähnliches lag an einer Naturwerksteinplatte im Rissbereich vor. Eine Überprüfung mittels Richtscheit bzw. auf kleineren Nennmaßbereichen mit einem Risslineal bestätigte, dass lediglich kleinere Aufschüsselungen bzw. Verformungen von weniger als 0,5 Millimeter innerhalb der Naturwerksteinplattenebene bzw. innerhalb einzelner Naturwerksteinplatten aufgetreten waren. Zwecks weitergehender Ursachenforschung entnahm der Sachverständige eine Probeplatte der Estrichkonstruktion aus einem Teilflächenbereich, in dem definitiv keine Heizrohre oder sonstige Leitungen vorhanden waren. Diese entnommene Probeplatte wurde einer Bestätigungsprüfung gemäß DIN 18560, Teil 2, unterzogen. Die hierbei ermittelten Biegezugfestigkeitswerte überschritten die Mindestfestigkeitsvorgaben gemäß der zuvor genannten Norm für eine Estrichkonstruktion der Festigkeitsklasse „AE 20“, die gemäß Protokollangaben und Angebotsschreiben hätte eingebaut werden sollen. Gemäß DIN 18560, Teil 2 muss die Biegezugfestigkeit für Heizestriche auf Dämmschichten für Verkehrlasten bis 1,5 Kilonewton pro Quadratmeter im Mittel mindestens 2,5 Newton pro Quadratmillimeter betragen. Ermittelt wurde im Rahmen der normengemäßen Prüfung eine Bruchlast von im Durchschnitt zirka 3,3 Kilonewton. Somit ergibt sich eine Biegezugfestigkeit im Mittel von 7,7 Newton pro Quadratmillimeter. Die Dicke der Estrichkonstruktion lag im Mittel bei etwa 55 Millimeter. Ebenfalls gemäß der zuvor genannten Norm muss bei beheizten Estrichkonstruktionen auf Dämmschichten die Rohrüberdeckung mindestens 45 Millimeter betragen. Im Rahmen der Schichtdickenbestimmung ermittelte der Sachverständige eine Gesamtdicke von 54 Millimeter, wobei anhand der technischen Unterlagen die Rohrdicke bei rund 15 Millimeter lag. Somit ergab sich eine Unterschreitung der Normvorgaben in Bezug auf die Mindestrohrüberdeckung von 45 Millimeter. Aufgrund der extrem hohen Bruchlast- und Biegezugfestigkeitswerte war diese geringfügige Unterschreitung der Mindestrohrüberdeckung der Estrichkonstruktion hier allerdings zu vernachlässigen und nicht schadensursächlich. Bei der Fußbodenkonstruktion handelte es sich um eine Calciumsulfatfließestrichkonstruktion mit einem partiell verlegten Fußbodenerwärmungssystem. Aufgrund eines unglücklichen Zusammenspiels mehrerer Faktoren bildeten sich im Rahmen des Aufheizprozesses der Fußbodenkonstruktion nach Verlegung der Naturwerksteinplatten Risse innerhalb des Fußbodens. Der erste Sanierungsversuch Calciumsulfatfließestrich weist eine sehr hohe Härte/Festigkeit auf. Durch das Fußbodenerwärmungssystem, das lediglich partiell innerhalb der Estrichkonstruktion vorhanden ist, kommt es im Rahmen des Aufheizprozesses zu unterschiedlichen Spannungen innerhalb der sehr harten und festen Estrichkonstruktion. Durch die fehlenden Hohlräume bzw. Poren, d.h. durch das dichte Estrichgefüge und aufgrund fehlender Bewegungsfugen, ist ein Spannungsabbau nicht mehr möglich. Die Folge sind Risse innerhalb der Estrichkonstruktion, die dann an den darüber befindlichen fest verklebten/arretierten Naturwerksteinbelag weitergegeben werden. Aufgrund der ermittelten Sachverhalte wurde mit den Beauftragten der beteiligten Parteien vereinbart, dass die Naturwerksteinplatten aufgrund der Vielzahl der Risse vollflächig vom Untergrund entfernt werden und im Anschluss eine Risssanierung folgt. Dabei schneidet der Fachmann die vorhandenen Risse mittels einer Flex ein, schließt sie anschließend kraftschlüssig mittels eines niedrigviskosen zweikomponentigen Epoxidharzmaterials und streut mit feuergebranntem, ofengetrocknetem Quarzsand ab. Zusätzlich wurde mit den Parteien vereinbart, dass im Übergangsbereich zwischen dem Wohnzimmer und dem Esszimmer eine entsprechende Bewegungsfuge innerhalb der Estrichkonstruktion neu hergestellt wird. Im Innenverhältnis führten die unterschiedlichen Auftragnehmer einvernehmlich eine entsprechende Schadensaufteilung durch und vereinbarten, die Sanierungsmaßnahmen gemeinsam durchzuführen. Reibungslose Terminierung Die Auftragnehmer für Estricharbeiten und Naturwerksteinarbeiten entfernten gemeinsam die vorhandenen Granitplatten vom Untergrund und schliffen den Untergrund entsprechend. Der Auftragnehmer für Estricharbeiten übernahm die Risssanierung. Zunächst schnitt er die vorhandenen Risse mittels einer Flex 2,5 Zentimeter ein, um die darunter befindlichen Warmwasserheizrohre nicht zu beschädigen. Im Anschluss wurden die Risse, nachdem sie ausgesaugt worden waren, mit einem niedrigviskosen zweikomponentigen Epoxidharzmaterial kraftschlüssig geschlossen. Zusätzlich baute der Auftragnehmer entsprechende Wellenanker als Quervernadelung ein. Nach rund 24 Stunden war jedoch das Epoxidharzmaterial immer noch nicht ausgehärtet, sondern wies eine zähe plastische Konsistenz auf. Daraufhin schnitt der Auftragnehmer die ursprünglich etwa fünf Millimeter breiten Risse nochmals rechts und links mittels einer Flex zirka 2,5 Zentimeter tief ein und entfernte den Estrich im Rissbereich, inklusive des nicht ausgehärteten Epoxidharzmaterials. Die zu sanierenden Risse lagen nun allerdings in einer Breite von zirka vier bis fünf Zentimeter vor. Der Auftragnehmer für Estricharbeiten hatte die Risse von ursprünglich fünf Millimeter Breite auf zirka 40 bis 50 Millimeter erweitert. Im unteren Rissbereich war allerdings immer noch das zähplastische Zweikomponenten-Epoxidharzmaterial vorhanden. Im Anschluss pinselte der Auftragnehmer die Estrichflanken im Schnittkantenbereich mit entsprechender Grundierung/Epoxidharzmaterial ein und verschloss eine erneute Rissverfüllung mit dem zuvor verwendeten Zweikomponenten-Epoxidharzmaterial unter Zusatz von Quarzsand. Eine Quervernadelung war aufgrund der Breite der zu sanierenden Risse nicht mehr möglich, da die vorhandenen Wellenanker zu kurz für die Quervernadelung waren. Die neue Bewegungsfuge innerhalb der Estrichkonstruktion stellte ebenfalls der Auftragnehmer für Estricharbeiten her. Hierbei kam es in einem Eckbereich zu einem Wippen der Estrichkonstruktion, d.h. zu einem Nachgeben bei Belastung, so dass der Auftragnehmer die Estrichkonstruktion in diesem Bereich auf einer Fläche von zirka 40 mal 40 Zentimeter und ebenfalls die darunter befindliche zirka 25 Millmeter dicke Polystyroldämmplatte entfernte. Der entstehende Hohlraum innerhalb der Dämmschichtkonstruktion wurde im Anschluss mit einem normalen trockenen Sand aufgefüllt und danach wiederum ein „Epoxidharzestrich“ an die vorhandene Calciumsulfatfließestrichkonstruktion angearbeitet. Zirka zwölf Stunden nach Durchführung der Sanierungsmaßnahmen war das vorhandene neu hergestellte Epoxidharzmaterial in den vier bis fünf Zentimeter breiten sanierten Rissen immer noch nicht ausgehärtet. Der 36 Stunden zuvor hergestellte neue Epoxidharzestrich war ebenfalls nicht vollständig ausgehärtet, obwohl das verwendete Epoxidharzmaterial aus zwei unterschiedlichen Chargen stammte. Mit Rissen übersäht Nach Besichtigung der Estrichflächen konnte man optisch eindeutig feststellen, dass insbesondere die Estrichkonstruktion im Esszimmerbereich nahezu vollständig mit vier bis fünf Zentimeter breiten, mit zweikomponentigem Epoxidharzmaterial verfüllten Rissen übersäht war. Das gleiche Bild bot sich innerhalb der Küche. Fraglich war, warum der Auftragnehmer die Risse derart breit saniert hatte. Aus technischer Sicht war dies völlig unnötig. Vorteilhaft war, dass die vorhandene Bewegungsfuge im Übergangsbereich zwischen dem Esszimmer und der Küche durch den Sachverständigen nun hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit überprüft werden konnte. Hierbei stellte der Experte fest, dass in mehreren Bereichen keine funktionsfähige Bewegungsfuge vorhanden war. Die Bewegungsfuge war lediglich bis zu den Heizrohren funktionsfähig und im unteren Drittel der Estrichkonstruktion, im Bereich der Heizungsrohre, war die Estrichkonstruktion durchgehend miteinander verbunden. Demzufolge musste der Auftragnehmer die Bewegungsfuge in diesem Bereich nochmals sanieren. Aufgrund der Unverhältnismäßigkeit einer nochmaligen dritten Sanierung, insbesondere im Hinblick auf die vielen breiten Risse innerhalb der Estrichkonstruktion im Esszimmer und im Wohnzimmer, empfahl der Sachverständige, die Estrichkonstruktion im Esszimmer und in der Küche, inklusive des darunter befindlichen Fußbodenerwärmungssystems und der Dämmschicht, zu entfernen und durch eine neue zu ersetzen. In diesem Zusammenhang konnte auch die unsachgemäße Anarbeitung der Estrichkonstruktion im Bewegungsfugenbereich zwischen Esszimmer und dem Wohnzimmer nachgearbeitet werden. Im Rahmen dieser Sanierungsmaßnahmen waren weitere, teilweise kuriose Sachverhalte feststellbar. Der Auftragnehmer für Heizungsarbeiten hatte die PE-Randdämmstreifen an die Wandkonstruktion getackert, wie es in der Praxis üblich ist. Die Tackernägel sind allerdings nicht im Bereich der Estrichkonstruktion anzuordnen, sondern oberhalb, damit diese nach Fertigstellung der Estrichkonstruktion bzw. nach Durchführung der Bodenbelagarbeiten wieder entfernt werden können. Der Auftragnehmer hatte die Tackernägel allerdings im Bereich der herzustellenden Estrichkonstruktion angeordnet. Die PE-Randdämmstreifen waren in diesem Bereich eingedrückt und eingebeult und wiesen keine Kompressionsmöglichkeit und damit keine Dämmung mehr zur Wand auf. Der Auftragnehmer für Estricharbeiten hätte im Rahmen seiner Prüfungs- und Hinweispflicht gemäß der VOB ebenfalls die PE-Randdämmstreifen diesbezüglich überprüfen müssen. Dies versäumte er allerdings und arbeitete die Calciumsulfatfließestrichkonstruktion im Bereich der Tackernägel teilweise hart an die Wandkonstruktion an. Im Rahmen der Überprüfung waren teilweise die Stellen erkennbar, an denen die Estrichkonstruktion hart am Wandputz anlag. Die PE-Randdämmstreifen zeigten sich im Bereich der Tackernägel komprimiert bzw. zerrissen, so dass die Estrichkonstruktion an die Wandkonstruktion angearbeitet wurde. Hierdurch waren weitere zusätzliche Spannungen in der Estrichkonstruktion vorprogrammiert. Im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen musste der Auftragnehmer daher nochmals die Estrichkonstruktion überprüfen und nacharbeiten. Fazit Es war klar erkennbar, dass der Auftragnehmer für Estricharbeiten Risssanierungsmaßnahmen bisher noch nicht sehr häufig durchgeführt hatte. Einfache Sanierungsmaßnahmen, die fehlschlagen, können teilweise eine erheblich umfangreichere Sanierung nach sich ziehen. Die betreffenden Estrichkonstruktionen hätten ohne größeren Zeit-/Kostenaufwand saniert werden können. Die Missachtung der Verlegehinweise und Prüfpflichten machte, zumindest in zwei Räumen, eine Totalsanierung der Estrichkonstruktion notwendig.