Der interessante Schadensfall: Wanderfugen, Stippnähte und eine im Internet ersteigerte Handwerkerleistung Schnäppchenkauf mit fatalen Folgen

Überall ist zu lesen, dass wieder mehr Wert auf Qualität und Preiswürdigkeit gelegt wird. Dass diese Einschätzung keineswegs generell gilt, zeigt folgender Schadensfall, bei dem am falschen Ende gespart wurde.Schnäppchenkauf mit fatalen Folgen Bei einer Rabattaktion eines DIY-Anbieters erwarb ein Bauherr einen Laminatboden, der tatsächlich noch günstiger war als die dazugehörige, minderwertige Trittschalldämmunterlage. Anfang des Jahres wurde beides in einem Altbau verlegt. Bei den Verlegeelementen handelte es sich um ein Verbindungsprofil, das leimlos waagerecht ineinanderrastete und an der Kopfseite mit einem leichten Schlag zusammengeführt werden sollte. Als Unterlage diente ein zirka drei Millimeter dicker Schaumstoff, der wiederum auf einer 0,2 Millimeter dicken Folie lag. Den Boden hat der Bauherr ohne Beanstandungen abgenommen, obwohl ihm einige aufgestippte Kopfstöße ins Auge fielen. Er sah darin keinen Grund für eine Beanstandung. Kurze Zeit später zeigten sich Fugenöffnungen, vornehmlich an den Stirnstößen. Der Handwerker, dessen Leistung der Bauherr im Internet ebenfalls sehr preisgünstig ersteigert hatte, wurde nochmals vor Ort zitiert und auf die Fugenbildungen hingewiesen. „Das bekommen wir wieder hin“, beruhigte der „Fachmann“ den Bauherren und reparierte in aller Ruhe den Boden. Abends schien alles wieder perfekt. Doch der Schein trog. Die Fugen öffneten sich wieder, wenn auch an anderer Stelle. Der Bauherr bestellte umgehend einen Privatgutachter zu sich, der klären sollte, wo der Fehler lag. Lose Verbindung: Hier fehlt es an Stabilität Es waren einige offene Kopffugen vorhanden, die sich vorwiegend in Rand- und Wandnähe, aber auch direkt im Eingangsbereich befanden. Sie waren teilweise bis etwa einen Millimeter breit, manche sogar etwas mehr. Beim kräftigen Auftreten auf eine Diele unmittelbar vor einer Fußleiste öffnete sich ein Spalt zwischen den Elementen, der vorher geschlossen vorlag. Die Verbindung zwischen den Elementen schien nicht besonders stabil zu sein. Allein diese Belastung reichte, um die kopfseitige Verriegelung zwischen den nur sechs Millimeter dicken Elementen zu lösen. Ein Blick auf ein vorgehaltenes Reststück offenbarte dem Sachverständigen das Dilemma: Die Kopfverbindung war derart ausgebildet, dass sie sich zwar bei der Verlegung leicht einrasten ließ, aber aufgrund des vergleichsweise schwächlichen Profils keinen wirkungsvollen Auszugswiderstand bot. Auch die Längsverbindung schien wenig vertrauenserweckend. Die nachgiebige Unterlage unterstützte den Auflösungsprozess und führte dazu, dass gerade die Elemente in Wandnähe sich aufgrund des vorhandenen Randabstandes bei zielgerichtetem Betreten in diesen Freiraum bewegen konnten. Das erklärte die Anordnung der offenen Fugen sowohl in den beschriebenen Bereichen als auch im stärker frequentierten Eingangsflur. Außerdem stellte sich heraus, dass der Estrich zwar gespachtelt war, dies allerdings schon zirka zehn Jahre zurück lag und seinerzeit der Verlegung eines Teppichbodens diente, der dann dem Laminat gewichen war. Ausreichend eben schien der Untergrund nicht zu sein. Das bemerkte der Gutachter schon beim Darüberlaufen. Zudem fielen dem Sachverständige einige verleimte Stellen anhand von Leimresten auf. Der Handwerker hatte wohl bei seiner ersten Reparatur die Schwachstellen umgehend erkannt, etwas Leim in die offenen Fugen gegeben und dann die Elemente wieder zusammengeschoben oder vielleicht mit Spanngurten aneinandergetrieben. Die teilweise im Gegenlicht erkennbaren Stippnähte schienen durch zu kräftiges Zusammenschlagen der sehr leicht gängigen und aufgrund der Abmessungen hochsensiblen Profilverbindung entstanden zu sein. Der Empfehlung in der Verlegeanleitung, die Elemente nur mit leichtem Druck kopfseitig zusammenzufügen, war der kräftige Handwerker wohl nur unzureichend gefolgt. Es war jetzt die Frage zu klären, ob eine punktuelle Reparatur ausreichen würde. Der Privatgutachter plädierte kompromisslos für einen kompletten Austausch. Eine Sanierung des Billiglaminats war nicht nur wegen der schwächlichen Profilierung fachlich unvertretbar, sondern versprach auch in Verbindung mit der nachgiebigen Unterlage bzw. des ungeeigneten Unterbodens keine nachhaltige Besserung. Schwierig gestaltete sich für den Bauherrn allerdings die Frage der Verantwortlichkeit, denn schriftliche Unterlagen für das Geschäft zwischen Bauherrn und Verleger gab es kaum. Die Fronten waren zwar klar: Der Bauherr warf dem Verleger vor, er hätte erkennen müssen, dass die Materialien so nicht miteinander funktionieren. Dagegen berief sich der Handwerker darauf, dass er nur für die reine Verlegung hilfreich zur Verfügung gestanden hätte. Guter Vorsatz: Nicht am falschen Ende sparen! Der Gutachter machte dem Bauherrn wenig Hoffnung, die entstehenden Kosten weitergeben zu können. Der reine Austausch des Bodens war darüber hinaus auch gar nicht der entscheidende Kostenfaktor für den Bauherrn. Denn bei der mit wertvollem Porzellan gefüllten Schrankwand hatte er nicht so sehr gespart. Die hätte ausgeräumt, abgebaut, zwischengelagert und wieder eingebaut werden müssen. All das stand für den Bauherrn in keinem Verhältnis zu dem bezahlten Wert des Fußbodens. Er sah ein, dass er am falschen Ende gespart hatte und entschloss sich, mit den sich vergrößernden „Wanderfugen“ zu leben und in einigen Jahren im Zuge einer Wohnungsrenovierung den notwenigen Austausch vorzunehmen. Das Material sollte dann aus dem Fachhandel kommen, ebenso wie die fachgerechte Verlegung. Schade, dass Einsichten oft so unangenehm sind.