Schadensersatz bei Werkmangel: Handwerker durch neues Urteil besser gestellt

In einer bahnbrechenden Entscheidung ordnete der BGH im Februar 2018 die Grundsätze zur Ermittlung des Schadens, der dem Auftraggeber bei Werkmängeln entsteht, neu. Das stellt vor allem die Handwerker besser.

Schadensersatz bei Werkmangel
Ein typischer Werkmangel bei Parkett: Hohlstellen. Steht dem Auftraggeber wie bisher Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten zu, so können diese zum Beispiel auch die Kosten für den Austausch der mangelfreien Bodenabschnitte enthalten, die nur wegen des einheitlichen Erscheinungsbilds ausgetauscht werden. - © Pitt

Der Richtungswechsel des BGH bei der Schadensberechnung birgt für das Handwerk erhebliche Vorteile. Schadensersatz in Höhe der Kosten der Mangelbeseitigung muss der Unternehmer nur noch dann leisten, wenn der Bauherr den Mangel tatsächlich hat beseitigen lassen (Vorleistung des Bauherrn). An dernfalls besteht ein Anspruch auf Schadensersatz nur in Höhe eines bestimmten Anteils des in Rechnung gestellten Werklohns für den mangelhaften Teil des Werks.

Ausgangssituation: Neuer Parkettboden mit Hohlstellen

Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer ( AN) schlossen einen Vertrag über die Herstellung eines neuen Parkettbodens. Nach Fertigstellung stellt sich heraus, dass das Werk mangelbehaftet ist, weil die Verklebung nicht ausreichend erfolgt ist und das Parkett ein unangemessen hohes Maß an Hohlstellen aufweist.


  • Ansprüche des Auftraggebers bei tatsächlich durchgeführter Mangelbeseitigung: Lässt der AG den Mangel tatsächlich beseitigen, steht ihm gegen den AN ein Anspruch auf Ausgleich der hierzu erforderlichen Kosten zu, wenn diese dem Grunde nach erforderlich und der Höhe nach angemessen sind. Dabei kann der AG in Vorleistung gehen, also die Mangelbeseitigung auf eigene Rechnung vornehmen lassen und später Ersatz vom AN fordern. Der AG kann aber vom AN auch Vorschuss auf diese Kosten der Mangelbeseitigung fordern und nach abgeschlossener Mangelbeseitigung abrechnen.
  • Ansprüche des "sanierungsunwilligen" ­Auftraggebers: Will der AG den Mangel nicht beseitigen, beispielsweise weil die Kinder klein sind und der Boden ohnehin stark beansprucht werden wird, bleibt dem AG die Möglichkeit, einen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen.

Schadensersatz bei Werkmangel: Das galt bisher

Bislang war allgemein anerkannt, dass dem AG auch dann ein Schaden in Höhe der Kosten der Mangelbeseitigung entsteht, wenn er den Mangel nicht beseitigen lässt. Die Kosten der sogenannten "fiktiven" (weil nicht erfolgten) Mangelbeseitigung wurden in der Regel durch Sachverständige ermittelt, die den Betrag errechneten, der zur Mangelbeseitigung erforderlich wäre. Die so ermittelte Summe war dann (netto) als Schadensersatz an den AG zu leisten.

Für den AN war diese Vorgehensweise wenig vorteilhaft. Die Kosten der Mangelbeseitigung waren oftmals erheblich höher als die Herstellungskosten des gesamten Werks selbst. Zudem waren diese Kosten dem AG tatsächlich nie entstanden. Im Ergebnis erhielt dieser oftmals ein einigermaßen funktionstüchtiges Werk und zusätzlich die Kosten der fiktiven Mangelbeseitigung als Geldleistung, in deren Verwendung er völlig frei war, also beispielsweise auch eine Urlaubsreise finanzieren konnte.

Schadensersatz bei Werkmangel: Das ist neu

In der Entscheidung vom 19. Februar 2018 (VII ZR 46/17) führt der BGH aus, dass der Schaden, der dem AG wegen des Mangels am Werk entsteht, nicht "pauschal" über die Kosten der Mangelbeseitigung bestimmt werden darf, wenn die Mangelbeseitigung nicht erfolgen soll. Damit trägt der BGH dem Umstand Rechnung, dass der Ersatz­anspruch des AG in der Regel deutlich höher ausfällt als der tatsächliche Schaden.

Deutlich wird dies am eingangs skizzierten Beispiel: Weist ein Parkettboden Hohlstellen auf, wird die Mangelbeseitigung, die Herstellung einer ordnungsgemäßen Verklebung in der Regel durch Neuverlegung, erfolgen. Abhängig von der Art der Verlegung, dem verlegten Material etc. kann es erforderlich sein, zur Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbilds auch Bereiche zu erneuern, die für sich genommen mangelfrei sind. Steht dem AG nun Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten zu, so sind auch die Kosten des Austauschs der mangelfreien Bodenabschnitte umfasst, die nur wegen des einheitlichen Erscheinungsbilds getauscht werden müssten, wenn die Beseitigung durchgeführt würde. Hinzu kommen die Kosten des Ausbaus, die ebenfalls nicht anfallen.

Neue Formel zur Berechnung der Schadensersatzhöhe

Schadensersatz bei Werkmangel-Grafik
© bwd

Diese Art der Berechnung ist recht aufwendig und dürfte in manchen Gegenden Deutschlands wegen der hohen Immobilienpreise dazu führen, dass der Vergleich keinen Unterschied ergibt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Kaufpreis und damit der Wert einer Wohnung in der Münchener Innenstadt mit mangelhaftem Bodenbelag überhaupt nicht von dem Wert der Wohnung mit mangelfreiem Bodenbelag abweicht. Damit wäre dem AG kein Schaden entstanden.

Der BGH selbst wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass die Höhe des Schadens über die Grundsätze der Minderung ermittelt werden kann. Das bedeutet, dass ein Gericht von dem Werklohn, den der AN für den mangelbehafteten Teil der Werkleistung in Rechnung gestellt hat, einen bestimmten, in Ansehung des Mangels angemessenen Prozentsatz abzieht.

Wie die Rechtsprechung diese neuen Leitlinien genau ausfüllt, wird sich zeigen. Sicher dürfte sein, dass der Minderwert, der auf diese Weise als Schadensersatz zu leisten wäre, nicht höher sein kann, als das anteilige Entgelt für die mangelhafte Werkleistung. Für das Handwerk ist damit einiges gewonnen.

Anspruch auf Schadensersatz: Darauf sollten Handwerker achten

Sollte ein Bauherr mit dem Verlangen nach Schadensersatz auf Sie als Auftragnehmer zukommen, sind Sie – vorbehaltlich der vorab zu klärenden Frage des Vorliegens eines Mangels – zunächst gut beraten, sich nachweisen zu lassen, dass der Mangel bereits behoben wurde. Ist das nicht der Fall, sollten Sie sich die Berechnung der Forderung erklären lassen.

Keinesfalls sollten Sie Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten leisten, ohne sich die Rechnungen der erfolgten Beseitigungsarbeiten vorlegen zu lassen. Erklärt der Bauherr, die Mangelbeseitigung zeitnah vornehmen zu lassen, leisten Sie ausdrücklich einen "Vorschuss auf die Kosten der Mangelbeseitigung" und fordern Sie ihn spätestens nach einem Jahr zur Abrechnung auf.

Anna Kiermeier ist Rechtsanwältin und Mitglied der Münchener Sozietät PFGC Peters Fleschutz Graf v. Carmer Kääb.