Der interessante Schadensfall: Wenn die handwerkliche Leistung nicht an die Ansprüche einer industriellen Fertigung heranreicht Pickel statt Hochglanz

Eine handwerkliche Leistung erreicht oftmals nicht die Präzision wie ein Stück aus der industriellen Fertigung. Dennoch sollte sie den höchstmöglichen fachlichen Anspruch erfüllen.Staubeinschlüsse sowie ein nicht gleichmäßiges Oberflächenbild im Randbereich sind bei einer handwerklich durchgeführten Bodenrenovierung nicht zu vermeiden und können nicht an einer industriellen Versiegelung gemessen werden.Der Parkettboden sah anfänglich aus wie ein Gedicht. So beschrieb es zumindest der Bauherr. Er hatte sich im Wohnzimmer ein fertig versiegeltes, zweischichtiges Kirschparkett verlegen lassen, das unmittelbar nach der Verlegung absolut keine Mängel aufwies. Die Rechnung wurde anstandslos bezahlt. Leider entstanden etwa sechs Wochen später Streifen und Kratzer in der Versiegelung, verursacht durch die Unachtsamkeit der Möbelpacker, als das neue Schrankelement aufgestellt wurde. Der Haftpflichtschaden wurde der Versicherung des Verursachers gemeldet, der die Kosten für das Abschleifen und Neuversiegeln des Bodens eigentlich auch übernehmen wollte. Der Mitarbeiter des Verlegebetriebs rückte also erneut an, jedoch ohne sich vorher ein Bild von dem Boden gemacht zu haben. Warum auch – man war ja vor nicht allzu langer Zeit in dem Objekt tätig gewesen. So hatte keiner daran gedacht, den Kunden auf die möglichen Unterschiede zwischen zu erstellender handwerklicher Arbeit und ehemaliger Industrieversiegelung des Parketts hinzuweisen. Der Geselle hatte zwar vor Beginn der Arbeiten der anwesenden Ehefrau des Auftraggebers angedeutet, dass es schwer werden würde, ein so sauberes Oberflächenbild des Kirschenparketts wiederherzustellen, aber er würde es schon irgendwie hinbekommen. Nach dem maschinellen Abschliff wählte der Handwerker einen Versiegelungsaufbau, der zumindest sehr nah an den intensiven Farbton „Black Cherry“ herankam. Aber es gelang nicht alles so gut wie diese Maßnahme. SchadensbildDas befand schließlich auch der Bauherr, als er nach vollkommener Austrocknung des letzten Versiegelungsauftrages einen kritischen Blick auf den Boden warf. Wo vorher ein absolut gleichmäßiges Oberflächenbild vorgelegen hatte, schien das gesamte Farbbild auf einmal scheckig. Statt einer klinisch reinen Fläche ohne irgendeinen Makel waren zudem Pickel, Staubeinschlüsse und Pinselhaare zu sehen. Außerdem kamen deutliche Schleifspuren zum Vorschein, die man vorher nicht wahrgenommen hatte. Der Fachbauleiter des beauftragten Betriebes wurde zum Ort des Geschehens zitiert, sah das Oberflächenbild und nahm jetzt die Gelegenheit wahr, die monierten Erscheinungsbilder mit den zwangsläufigen Abweichungen von handwerklicher und industrieller Arbeit zu erklären. Das hätte er wohl früher tun müssen, am besten sogar schriftlich, denn der Bauherr tat so, als hätte er das alles nicht gewusst und auch seine Frau hatte völlig vergessen, dass der ausführende Handwerker das Thema kurz angesprochen hatte. Man konnte sich nicht einigen und so endete die Auseinandersetzung nach vielem Hin und Her, zu dem auch noch die Besichtigung des Bodens durch einen Mitarbeiter der Versicherung gehörte, schließlich vor Gericht. Schadensanalyse Dieses beauftragte einen Gutachter, der nach Einberufung eines Ortstermins klären sollte, ob die monierten Schäden tatsächlich einen Mangel darstellten, wer die Verantwortung dafür übernehmen müsste und welche Maßnahmen zur Behebung zu ergreifen wären. Außerdem sollte eine potentielle Wertminderung durch Nutzschichtdickenverlust diskutiert werden, die der Anwalt des Bauherrn ins Gespräch brachte, wohl auch deshalb, weil die Versicherung genauso wie der Auftragnehmer auf dem Standpunkt beharrte, dass der ursprüngliche Zustand des Bodens in vollem Umfange wieder herzustellen sei. Der Gutachter kam allerdings zu einem anderen Ergebnis: Er erläuterte, die vorgefundenen Erscheinungsbilder der Einschlüsse in der trocknenden Versiegelung – wie in der Luft befindlicher Staub oder Pinselhaare – könnten bei einer handwerklichen Arbeit niemals ganz vermieden und auf keinen Fall mit den Bedingungen in einer industriellen Lackstraße verglichen werden. Auch könne kein so gleichmäßiges Farbbild erzielt werden wie bei der industriellen Fertigung, denn gerade im Randbereich stoße die Handhabung der handwerklichen Auftragsgeräte an ihre Grenzen, speziell dann, wenn man mit einem Metallspachtel den ersten Auftrag des Lackes auf dem rohen Holz vornimmt. Und auch Schleifspuren seien niemals komplett auszuschließen, nicht nur wegen der breiten und feiner eingestellten Schleifbänder in einer Parkettproduktion, sondern auch wegen der im Vergleich dazu limitierten Möglichkeiten, die man beim Arbeiten mit einer Fußbodenschleifmaschine hätte. Allerdings kam er zu dem Schluss, dass der Verleger die handwerkliche Arbeit besser ausführen hätte können, und beurteilte die Erscheinungsbilder als nicht tolerabel. Er gestand zwar zu, dass das Abschleifen und Neuversiegeln eines zerkratzten Parkettbodens eine fachgerechte und zielführende Maßnahme sei, allerdings müsste dann die Leistung auch so ausfallen, wie es handwerklich am besten möglich wäre. SchadensbeseitigungDamit war der Auftragnehmer in der Pflicht. Auch zu einer Wertminderung äußerte er sich: Bei einer festgestellten Deckschichtdicke von etwa 3,2 Millimetern würde ein Abschliff bei einem neuen Boden ohne Dellen beziehungsweise ausgetretene Bereiche nach allgemeinen Erfahrungen lediglich einen Nutzschichtverlust von 0,3 bis 0,6 Millimetern bedeuten, was die Zahl theoretischer Schleifmaßnahmen in der Zukunft von drei auf zwei reduzieren und somit einen entsprechenden Minderwert bedeuten würde. Einer Sanierungsmaßnahme würde er aber einem finanziellen Ausgleich vorziehen, schrieb er unter Abwägung aller Einflussgrößen. Bei der mündlichen Erläuterung des Gutachtens konnte er seine Ansicht nochmals unterstreichen, der der erfahrene Richter, der die Sache zu einem Abschluss bringen wollte, letztendlich folgte.