Wenn von Rissen im Parkett Verletzungsgefahr ausgeht Parkett wird zur Barfußfalle

Grobe Äste, Risse, Splint – erst konnte der Dielenboden nicht authentisch genug sein, dann reklamierte die Bauherrin Verletzungsgefahr. War das Verletzungsrisiko vertretbar und lag am Ende gar kein Schaden vor?Parkett wird zur BarfußfalleDer Trend zu rustikalen, breiten und langen Dielen, die bisweilen zusätzlich einer „Stresstrocknung“ unterzogen und deren dadurch bedingte Risse ausgespachtelt werden, hält an. Das kann unangenehm werden, ist aber zumeist reparabel, wie sich in nachstehendem Fall zeigt. Der Dielenboden wurde bewusst rustikal ausgewählt. Grobe Äste, Risse, Markröhre, Farbunterschiede, Splint, selbst Rindeneinschlüsse, der Gutachter fand alles auf dem Boden, was den Charakter des Holzes ausmacht. Das Holz war nach Muster und auf jegliche dieser Merkmale hinweisende Beschreibung ausgesucht worden. SchadensbildDer Kunde war zunächst begeistert, denn das gesamte Erscheinungsbild fiel phantastisch aus. Die nahezu 300 mm breiten Mehrschichtelemente in Längen von etwa 3.000 mm ließen die bis ins Letzte durchgestylte Einrichtung erst richtig zur Wirkung kommen. Doch winterliche Verhältnisse mit geringen Luftfeuchten in den beheizten Räumen führten zur Unzufriedenheit. Fugen und konkave Verformungen des auf Estrich mit integrierter Fußbodenheizung verlegten Bodens kamen als weitere Erscheinungsbilder hinzu. Die Risse vermehrten sich nicht nur zusehends, sondern wurden in der Heizperiode auch etwas unangenehmer. Die Bauherrin, die gewohnt war, den Boden barfuß bzw. mit kleinen Söckchen zu begehen, die sie beim Ortstermin auch vorführte, machte sich allmählich Sorgen um ihre zarten Füßchen. Das war einer der Gründe, weshalb sie einen Sachverständigen kommen ließ, der sich den Boden anschaute, nachdem er in der Auftragsbestätigung auf die zu beurteilenden Problemfelder hingewiesen worden war: Zu breite Fugen, wellenförmige konkave Verformungen, Überstände von bis zu 0,5 mm und vor allem offene Risse, die zu einer Verletzungsgefahr führen würden. Das gesamte Erscheinungsbild mit allen holztypischen Eigenschaften eines großzügig sortierten Bodens, dessen Elemente während der Trocknung eine rissbildende „Extrabehandlung“ erhalten hatten, stand nicht zur Diskussion. SchadensanalyseDas Schadensbild wurde dokumentiert. Fugen von 2,5 mm waren bei dem verklebten Boden mit Dielenelementbreiten in zahlreichem Maße feststellbar. Sie gingen im Gesamtbild unter, schienen die Bauherrin aber zu stören. Derartige Fugenbilder sind bei der Holzart Eiche mit ihrem gegebenen Quell- und Schwindmaß hinzunehmen, erklärte der Sachverständige, auch unter Berücksichtigung der Holzfeuchte, die zum Zeitpunkt der Besichtigung bei etwa 7,0 Prozent HF lag, bei Luftfeuchten direkt über dem Holz gemessen mit etwa 38 Prozent rel. LF. Ähnlich war es mit den Verformungen. Sie wurden bei den 300 mm breiten Elementen mit ca. 0,7 mm in den am stärksten betroffenen Bereichen gemessen. Das erschien dem Gutachter akzeptabel, der die Verformung über den optischen Gesamteindruck bewertete und nicht die Mindestmaße für unverlegte Dielen aus der europäischen Norm für seine Einschätzung heranzog. Im Gegenlicht waren sie zwar durchaus erkennbar, aber keineswegs störend und eher holztypisch. Überstände von 0,5 mm ergaben sich nicht durch übliche Höhenunterschiede zwischen den Stößen, sondern durch die handgehobelte Oberfläche, die zu einer reliefartigen Struktur führte. Dass tiefere Bereiche am Längsstoß der zusätzlich gefasten Elemente für die Überzähne in dieser Größenordnung gesorgt hatten, war nur folgerichtig, auch wenn es an einem Treppenabgang gemessen wurde, erläuterte der Gutachter. Problematisch war allerdings das Rissbild. Grobe Risse waren während der Fertigung ausgespachtelt worden, kleinere waren allerdings bewusst offengelassen worden, um den rustikalen Charakter des Bodens zu betonen. Die ausgespachtelten Bereiche hatten sich stellenweise wieder geöffnet, die offengelassenen, vornehmlich tangentialen Risse waren deutlich fühlbar und geeignet, eine Verletzungsgefahr beim barfuß Darüberlaufen hervorzurufen. Sie ließen an einigen wenigen Stellen beim Darüberstreichen mit dem Finger ein hörbares „Rauschen“ vernehmen, das auf eine Fehlstelle innerhalb des Mehrschichtverbundes schließen ließ. Lokale kleinflächige Öffnungen mit einem Stecheisen zeigten Risse der Mittellagenebene, jedoch nicht zwischen Deckschicht und Träger. Die Verleimung schien intakt zu sein, die raumklimatische Belastung jedoch wohl zu irgendeinem Zeitpunkt im Zuge der Nutzung außergewöhnlich hoch. SchadensbeseitigungDer Gutachter beruhigte die Bauherrin. Der Boden mache einen hervorragenden Eindruck. Verformungen, Fugen und Überstände seien nicht zu beanstanden. Risse könne man mit handwerklichem Geschick verfestigen. Das notwendige Equipment stehe jedem Fachbetrieb zur Verfügung. Übliche und notwendige Hinweise auf die Einhaltung eines geeigneten Raumklimas folgten. Der Sachverständige schlug vor, sich gütlich zu einigen, denn sowohl der Nutzer hinsichtlich des Raumklimas, der Hersteller wegen zu intensiver Risse, die allerdings niemals vollständig zu vermeiden wären, und der Verleger als betroffener Vertragspartner gehörten mit ins Boot. Der Boden wurde repariert, die Kosten gedrittelt und alles war gut.