bwd im Gespräch David Oakey, international renommierter Designer im Dienste von Interface - „Nachhaltigkeit ist meine Passion“"> bwd im Gespräch David Oakey, international renommierter Designer im Dienste von Interface „Nachhaltigkeit ist meine Passion“

Design kann von der Natur lernen, findet der international angesehene Designer David Oakey. Im Interview verrät der Chefdesigner von Interface, wie er sich in der deutschen Teppichbodenindustrie getäuscht hat und wieso die Natur als Vorbild nicht nur klug, sondern auch sexy ist.David Oakey hat mit Urban Retreat für Interface die erste weltweite Kollektion designt.„Nachhaltigkeit ist meine Passion“bwd Seit wann und warum haben Sie sich der Nachhaltigkeit und Biomimikry (Anm. d. Red.: Das Übertragen von Phänomenen der Natur auf die Technik bzw. hier des Designs) verpflichtet und was bedeutet Ihnen diese Verpflichtung? Oakey Das Jahr 1997 war für mich der entscheidende Zeitpunkt umzudenken. Bis dahin hatte ich bereits viele Bücher zum Thema Nachhaltigkeit und Biomimikry gelesen. Jedoch war das Verständnis von Nachhaltigkeit früher noch ein ganz anderes. Wir Designer haben das Thema anfänglich eher auf die Verwendung natürlicher Materialien bezogen. Doch dann habe ich das Buch von Janine M. Benyus gelesen und begriffen, worum es bei Biomimikry wirklich geht - nämlich darum, von der Natur zu lernen. Interface zählte bereits damals zu meinen Kunden. Das öffentliche Bekenntnis des Unternehmensgründers Ray Anderson zu einer konsequenten Nachhaltigkeitsstrategie hat mich zusätzlich stark beeindruckt und ich fing an, meine eigene Arbeit in Richtung Closed-Loop-Recycling voranzutreiben. Für mich bedeutet dieses Bestreben meinen persönlichen Anteil zum Verständnis und dem guten Umgang mit unserer Umwelt. bwd Wie beeinflusst das Ihre tägliche Arbeit? Was sind die ersten Schritte, die Sie gewöhnlich unternehmen? Oakey Der erste Schritt für uns ist immer, den Anteil recycelter Materialen und Inhaltsstoffe sowie die graue Energie unserer Produkte zu messen. Wir versuchen jedes Jahr, die Ökobilanz der Produkte zu verbessern, indem wir den Anteil recycelter Materialien erhöhen und die benötigte Energiemenge reduzieren. In den letzten Jahren hat eine große Entwicklung stattgefunden. Anfangs konnten wir lediglich Industriemüll recyceln. Inzwischen sind wir in der Lage, mit postkonsumen Materialen zu arbeiten, um negative Umwelteinflüsse zu minimieren oder auszuschließen. Wir bewegen uns jedes Jahr ein Stück weiter in Richtung Nachhaltigkeit. Interface „Mission Zero“ ist dabei auch für uns eine Vision, die uns täglich motiviert und antreibt. bwd Beeinflusst Sie Ihre eigene Verantwortung in Sachen Nachhaltigkeit in der Zusammenarbeit mit Interface? Oakey In den ersten Jahren unserer Zusammenarbeit hat Interface mich stark beeinflusst - vor allem hinsichtlich meiner eigenen Verantwortung gegenüber der Umwelt. Nachhaltigkeit und Biomimikry wurden für mich im Laufe der Zeit zu einer Passion. Heute arbeite ich als Berater für Interface und würde sagen, dass ich beeinflusse und vor allem herausfordere. Ich möchte Interface weiterhin unterstützen, das Ziel zu erreichen, bis 2020 das weltweit erste vollständig nachhaltige Unternehmen zu sein. Es geht weniger um Einfluss als um das Teilen von Erfahrungen, um mit Partnern, Kunden und Lieferanten positiv auf die Umwelt zu wirken. bwd Die aktuelle Kollektion von Interface heißt Urban Retreat. Hatten Sie konkrete Vorgaben für das Design oder haben Sie sich frei inspirieren lassen? Oakey Urban Retreat ist die erste weltweite Kollektion von Interface: jedes einzelne Produkt ist in jeder Spezifikation und Farbe in allen Ländern erhältlich. Für uns war wichtig, globale Trends zu erkennen und aufzugreifen. »Wir begegnen immer wieder der Verbindung von Architektur und Natur.«Dabei begegneten wir immer wieder dem Thema von Stadtentwicklung und der Verbindung von Architektur und Natur. Die Generation der „Millenials“ möchte in Großstädten leben mit Bezug zu natürlichen Umgebungen. Diesen Trend hat Interface aufgegriffen und umgesetzt. Wir haben uns auf Spaziergängen durch die Natur inspirieren lassen, beispielsweise von an einer Mauer wachsenden Moosen, um eine Verbindung zwischen Mensch und Natur zu schaffen. bwd Woher nehmen Sie die Ideen für die Interface-Kollektionen und wie lang dauert es, bis Sie selbst mit dem Ergebnis zufrieden sind? Oakey Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Durchschnittlich dauert es sechs Monate, über ein Design und den Prozess nachzudenken und zu entscheiden. Manchmal ist es aber auch ein Gefühl, dass eine Idee ganz sicher erfolgreich sein wird. Ich greife nicht gern auf klassische Marktanalysen zurück. Vielmehr untersuchen wir weltweit Kultur, Mode, Architektur, Nachhaltigkeit, alles eben. Sowie sich Trends erkennen lassen, finde ich die Inspiration, diese in Teppichdesigns umzusetzen. Für Urban Retreat gab es beispielsweise sehr schnell positives Feedback. Mir war zu einem frühen Zeitpunkt bewusst, dass wir mit dieser Kollektion weltweiten Interior-Trends nachkommen. bwd Ist schon eine neue Teppichfliesen-Kollektion geplant? Oakey Ja, das Design ist bereits fertig. Grundlage war der weltweite Trend der Farbe Blau, den wir in der Mode als auch im Interior-Design beobachten konnten. Zusätzlich haben wir uns von den Farben Eigenschaften des Ozeans inspirieren lassen. bwd Wie stehen Sie zur Diskussion um das Thema „Greenwashing“? Erkennen Sie Unterschiede im Umweltbewusstsein von Europäern und Amerikanern? Oakey Wir beobachten weltweit ein steigendes Interesse und eine erhöhte Aufmerksamkeit. Grundsätzlich denke ich, dass es sehr wichtig ist, Menschen auf Themen wie Greenwashing hinzuweisen, damit sie darüber sprechen. Das ist der erste Schritt, um etwas zu verändern. Diese Diskussion zwingt Unternehmen dazu, nachhaltiger zu denken und zu produzieren. Wir Menschen haben ein besonderes Schuldbewusstsein, das uns veranlasst, über diese Dinge nachzudenken. Ziel für alle sollte es sein, nach der Diskussion um Greenwashing öffentliche Transparenz in Form von Dritt-Partei-Zertifizierungen zu schaffen. Dann werden sich die Dinge wirklich ändern! Es reicht nicht, wenn ein einzelnes Unternehmen oder ein Land nachhaltig handelt, es ist eine globale Mission für jeden von uns. »Ein Teppichboden muss die Einrichtung aufwerten.«bwd Was denken Sie, wie sexy Nachhaltigkeit und Biomimikry sein können? Oakey Ein Produkt muss immer gut aussehen, egal wie nachhaltig es ist. Die besten nachhaltigen Produkte lernen von der Natur. Biomimikry heißt von der Natur lernen. Sich den Sonnenuntergang am Strand anzusehen, ist sexy. Sich den Sonnenaufgang in den Alpen anzusehen, ist sexy. Natur ist sexy und je ähnlicher ein Produkt der Natur ist, umso attraktiver ist es für uns. bwd Welchen Eindruck haben Sie von der deutschen Teppichbodenindustrie? Oakey Vor kurzem besuchte ich Deutschland und traf Architekten, Designer und Kunden. Mein erster Eindruck war, dass Teppichbodendesign in Deutschland uniformiert und grau scheint. Die Gespräche mit deutschen Architekten und Designern haben mir aber gezeigt, dass das so nicht stimmt. Deutsches Design ist dem anderer Märkte oder dem der USA sehr ähnlich. Trotzdem hat es Besonderheiten und kann damit den Rest der Welt beeinflussen. Ich werde auf jeden Fall wieder nach Deutschland kommen, um den Markt noch besser kennenzulernen und möglicherweise Impulse in alternative Richtungen zu geben. Vor allem im gewerblichen Bereich entwickelt sich Interior-Design weiter. bwd Gibt es eine Zukunft für die Teppichbodenindustrie? Was müssen textile Bodenbeläge leisten, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Oakey Ganz allgemein möchte ich sagen, dass Teppichboden mehr sein muss als ein kostengünstiger Bodenbelag - er sollte eine Inneneinrichtung aufwerten. Textile Bodenbeläge werden immer häufiger auch im Office-Bereich eingesetzt. Grund dafür ist u.a. das Thema Akustik, das ein wichtiger Teil innerhalb des Interior-Designs geworden ist. Teppichboden kann ein funktionaler Teil einer Akustiklösung sein, gleichzeitig aber auch ein gestalterischer. Modularer Teppich betrachtet Fußboden nicht als eine einheitliche Oberfläche. Er bietet individuelle Gestaltungs- und Modifizierungsmöglichkeiten, um Interior-Design auch künftigen Trends anpassen zu können. Teppichfliesen sind leistungsstark, elastisch und in vielen Designs für jede Raumgröße verfügbar. Ich sehe eine große Zukunft für modulare Bodenbeläge, vor allem im Bereich innovative Raumkonzepte und im Open-Office-Segment. bwd Abschließend interessiert uns natürlich noch, welchen Bodenbelag Sie bei sich zuhause haben. Oakey Meine Frau und ich leben in einem Loft in Atlanta, USA. Insgesamt haben wir 14 verschiedene Teppichbodendesigns in unseren Privaträumen. Da ich Engländer bin, ist mein persönliches Highlight das Teppichfliesenensemble in Form des Union Jacks in einem unserer Schlafzimmer. Die Fragen stellte Mirabell Schmidt.