Armstrong Bodenbelagshersteller schickt Topkunden in die Wüste Mehr Umsatz für ein „Harleyluja“

Verkaufswettbewerbe gehören zum Marketinginstrument nahezu aller Bodenbelagshersteller. Was die Armstrong DLW ihren Kunden im Frühsommer bot, dürfte in der Branche allerdings seinesgleichen suchen.Mehr Umsatz für ein „Harleyluja“ Hart haut die Hitze aufs Hirn. StefanWässa lehnt sich entspanntzurück. Der Geschäftsführer der Domofloor Fußbodensysteme GmbH aus Speyer gleitet auf einer dunkelblauen Harley-Davidson durch die Wüste Nevadas. Er fährt auf Position neun. Hinter ihm folgen weitere 32 Bikes des legendären Motorradherstellers aus Milwaukee. Fat Boy, Electra Glide, Road King und Heritage Softail heißen die Träume aus Chrom und Stahl, die Armstrong ihren Topkunden für eine knapp zweiwöchige Tour durch Kalifornien, Nevada und Arizona spendiert hat. Entlang der legendären Route 66, quer durch Städte, Wüsten und Nationalparks. „Einmal im Leben diese Straße fahren, das ist für jeden gestandenen Biker eine Herausforderung“, sagt Wässa. Als Armstrong Anfang 2006 den Wettbewerb „Route 66“ unter seinen Kunden aus dem Objektgeschäft auslobte, war die Resonanz entsprechend groß. Und das, obwohl die Bedingungen zur Teilnahme echte Initiative erforderte. Wer den warmen Fahrtwind auf der Haut spüren und den heißen Wüstensand riechen wollte, musste zwischen dem 1.Juli und 31. Dezember 2006 seinen Umsatz mit Armstrong um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern und aus eigener Tasche 1.800 Euro zuzahlen. Und er musste natürlich eine entsprechende Fahrpraxis auf dem „Moped“, so nennen eingefleischte Motorradfahrer liebevoll ihre schweren Maschinen, vorweisen können. 120 Kunden nahmen diese Hürden, rund dreimal so viele, wie Harleys zu vergeben waren. Am Ende entschied deshalb das Los. Treffpunkt Flughafen Frankfurt/Main. Mit Lederjacke und Helm im Handgepäck warten die Motoradfreaks auf den Abflug in die Staaten. Grüppchen bilden sich, es wird gefachsimpelt. Wässa hat zu Hause in der Garage eine BMW R 1200 RT stehen. Die Harley Modell Heritage Softail wird für ihn eine neue Erfahrung. Elvira Kern vom Fußboden-Meisterbetrieb Friedrich Altvater & Söhne, Erlenbach, wagt das Abenteuer zusammen mit ihrem Bruder Rüdiger. Sie fährt seit ihrem 18. Lebensjahr Moped. Eine Tour diesen Außmaßes hat sie noch nie gemacht. Die ersten Tage lassen sie es denn auch langsam angehen. Von Los Angeles nach Cambria, einem beschaulichen Badeort an der Pazifikküste, sind es rund 280 Kilometer. Das Fahren in der Gruppe will gelernt sein. Michael Wettengel, Organisator der Reise und im wahren Leben bei Armstrong für das Marketing Zentraleuropa zuständig, führt als Road Captain die Gruppe an. Auf Position zwei und drei fahren die Safety Officer Peter Kudilek und Jörg Meuser. Dann kommt der Bikertroß und am „Rear End“, dem hinteren Ende, Tony Müller. Die drei sind allesamt Außendientsmitarbeiter von Armstrong. Flower-Power Für das Verhalten on the Road gibt es klare Regeln und Captain Wettengel überwacht mit militärischer Strenge deren Einhaltung. „Wer sich nicht an das Überholverbot hält, gibt den Schlüssel ab und fährt die nächste Etappe imAuto mit“, droht der Boss inbarschem Kasernenton beim Morgenappell. Spätesten hier wird klar, dass es sich um eine Kundenveranstaltung der anderen Art handelt. Darf der so mit seinen besten Kunden umgehen? Elvira Kern nimmt’s cool. Vor dem Start bindet sie ihre langen blonden Haare nach hinten, setzt sich die Sonnenbrille auf und schwingt sich kaugummikauend in Jeans und Lederjacket auf den Sozius. Bis nach San Francisco sind es 350 Kilometer. In der Abendsonne wird sie zusammen mit ihrem Bruder auf der silbernen Electra Glide Classic über die Golden-Gate-Brücke rollen. Flower-Power-Hippy-Feeling made bei Armstrong. Es sind diese Gegensätze, die den besonderen Reiz der Reise ausmachen. Weite unberührte Landschaften, Wälder im Wechsel mit Wüsten und dann natürlich Städte wie Los Angeles oder San Francisco. In den Citys ist die Disziplin der Biker gefordert. Im dichten Berufsverkehr heißt es dranbleiben am Vordermann. Jetzt bloß nicht die Gruppe trennen. Plötzlich prescht Safety Officer Jörg Meuser links vor und bringt seine Road Glide mitten auf der Kreuzung in Position. Dann taucht wie aus dem nichts kommend Rear-End-Tony auf. Die beiden sperren mit ihren quergestellten Harleys die Straßen von San Francisco ab für ein beeindruckendes Schauspiel. Während der Berufsverkehr an der Kreuzung praktisch zum Erliegen kommt, donnern die Bikes Rotlicht hin oder her mit brüllenden Motoren an den staunenden Wartenden vorbei. Die verrückten Deutschen leben den amerikanischen Traum. Dafür spenden die wartenden Autofahrer mit einem Hupkonzert begeistert Applaus. Vielleicht muss man in der Tat ein bischen verrückt sein, um so eine Reise zu organisieren. Auf jeden Fall braucht es Enthusiasmus und Herzblut. Über beides verfügt „Mic“ Wettengel reichlich. Dass er obendrein ein leidenschaftlicher Harley-Fahrer ist, muss eigentlich nicht extra erwähnt werden. Es ist beeindruckend, was er zusammen mit seiner Kollegin Eva-Maria Wenger auf die Beine gestellt hat. Die Planungen zur Route 66 begannen schon Anfang 2006. Bis ins Detail war alles zu organisieren. Wieviel Kilometer kann die Gruppe pro Tag zurücklegen? Welche Hotels, Lodges und Camps sind dem plötzlichen Ansturm von 70 Bikern gewachsen? Welches Restaurant kann on the Road mit minimalem Vorlauf Hamburger, Burritos und Tacos für die hungrige Meute bereitstellen? Gibt es entlang der Route genügend Tankstellen in entsprechenden Abständen? Schließlich verfügen Harleys über eine vergleichsweise geringe Reichweite und müssen rund alle zweieinhalb Stunden einen Tankstopp einlegen. Um all das zu klären, fuhren Wenger und Wettengel bereits Monate zuvor mit dem PKW die 3.718 Kilometer lange Strecke ab. Akribisch notierten sie mögliche Verpflegungsoptionen: Zum Beispiel: Mittagessen am 16. Mai 2007 in Rusty’s Lighthouse in Santa Barbara, diverse Pizzas vom Blech. Oder: 18. Mai Hamburger im Old Iron Saloon, Groveland, und, legendär und bekannt aus dem Film „Out of Rosenheim“, das Bagdad Café in Newberry Springs für einen Stopp am 24. Mai. Die größter Herausforderung ist indes der Fuhrpark. 41 Harleys müssen vom Vermieter Eagle Rider Los Angeles auf einen Schlag bereit gestellt werden. Dazu von der Autovermietung fünf Cabriolets für diverse Nichtbiker, ein Van für die Quartiermacher und ein Versorgungstruck, der in gebürendem Abstand mit dem Gepäck hinterherfährt. Keine Spazierfahrt Vom immensen Aufwand, der hinter den Kulissen betrieben wird, bekommen die Kunden nichts mit. Von San Francisco aus fahren sie durch die Berge Richtung Yosemite Nationalpark. Gelegenheitsbiker merken allmählich, dass das hier keine Spazierfahrt ist. Jeden Tag verbringen sie im Schnitt zehn Stunden auf der Mühle. Doch es kommt noch besser. 19. Mai, 18.30, Death Valley: Temperatur 46 Grad im nicht vorhandenen Schatten. Es ist der vierte Tag. Road Captain Michael Wettengel weiß, dass die gut 700Kilometer lange Tagesetappe vom beschaulichen Fish Camp im Yosemite Nationalpark nach Furnace Creek quer durch das Taldes Todes seinen Leuten das Äußerste abverlangt. Trocken-heißer Wind bläst den Bikern wie aus einem gigantischen Föhn ins Gesicht. Die Harleys müssen jetzt regelmäßig abgestellt werden, damit sie nicht heiß laufen. Die Luftkühlung funktioniert bei der Hitze nicht mehr. Stefan Wässa nimmt einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. Spitzbübisch blinzeln seine Augen aus dem unrasierten, bereits von Wind und Sonne gezeichneten Gesicht. Roman Karner, Siegfried Severin, Carsten Gessler – aus grundsoliden Bodenlegern und Objekteuren macht die Route 66 binnen weniger Tage verwegen dreinschauende Typen. Hier ein bischen was von ZZ-Top, dort eine kleine Brise Clint Eastwood, Der Coolnessfaktor steigt mit jedem Tag der Tour. Sie tragen schwarze Tücher bankräubergleich über Mund und Nase, um sich vor Sand und Wind zu schützen. Über ihre schweren Lederjacken spannt sich eine ärmellose Jeansweste. Auf dem Rücken prankt von Weitem sichtbar das eigens von Armstrong entworfene Route-66-Label. Auf der linken Brusttasche steht geschrieben, wer drinnensteckt. Tene, Icke, Kutte, Leddi oder Teety nennen siesich on the road. Doch Rear-End-Tony ist der Coolste von allen. Erist born to be wild. Auf seine Road King zu Hause hat er stolze222.222 Kilometer draufgespult. Seine Markemzeichen: Panzerknacker-Sonnenbrille, Vollbart und ein baumelnder Fuchsschwanz am Helm. War der Mann nicht schon in Woodstock mit dabei? Aus den Stereoanlagen der Harleys brüllen Deep Purple und ACDC gegen das dumpfe Grollen der Motoren an. Es ist der Soundtrack für ein Abenteuer, das filmreif ist. Aus diesem Grund begleitet der Fotograf und Filmer Michael „Mek“ Heidenreich die Gruppe. Er hat als Einziger die Lizenz, sich von der Gruppe abzusetzen, um seine Kamera rechtzeitig in Position zu bringen. Mek hat am Ende alles im Kasten: Den Tourstart in Los Angeles, den Strand von Malibu, Sonnenuntergang in San Francisco, Baumriesen im Yosemite Nationalpark. Er filmt die Freaks auf dem Strip in Las Vegas und beim Blick in die tiefen Schluchten des Grand Canyon. Alles wird festgehalten für die Zeit daheim, wenn der Job die Biker wieder am Boden hält mit Lino und CV-Belägen. Wenn der Baustellenalltag mal wieder die letzten Nerven kostet und man am liebsten aussteigen möchte. Dann kann der Blick ins Fotoalbum die Rettung sein. Und die Erinnerung: Ich war frei, fürein paar unvergessliche Tage lang. Auf „meiner Harley“ auf der Straße aller Straßen, der Route 66. Stefan Heinze stefan.heinze@holzmannverlag.de