Der interessante Schadensfall: Abrissfugen nach Verlegung von PVC-Belägen und keramischen Fliesen Kein Kavaliersdelikt

Nicht immer trifft bei Abrissfugen den bodenlegenden Handwerker die Schuld. Im vorliegenden Fall hat der Auftragnehmer allerdings fahrlässig gehandelt.Abrissfuge im Übergangsbereich zwischen Holzsockel und elastischem Bodenbelag.Kein Kavaliersdelikt In einem mehrstöckigen Büro- und Verwaltungsgebäude haben ein Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten sowie ein Auftragnehmer für Fliesen- und Plattenarbeiten verteilt auf mehrere Etagen auf einer Gesamtgrundrissfläche von ca. 6.500 m2 Bodenbelagarbeiten sowie keramische Fliesenarbeiten ausgeführt. Als Untergrund lag den Auftragnehmern eine unbeheizte, schwimmende Zementestrichkonstruktion vor. Nach entsprechenden Untergrundvorbereitungsarbeiten, d.h. nach Durchführung eines Sauberkeitsschliffs und entsprechenden Grundierungsmaßnahmen, haben die Auftrag-nehmer jeweils ihre Bodenbeläge mit den entsprechenden Klebstoffen bzw. Mörtelsystemen verlegt beziehungsweise geklebt. Im Bereich der PVC–Bodenbelagebenen wurde als Wandabschluss ein entsprechender PVC-Streifen in einer Höhe von ca. 50 mm, unter Verwendung eines Kontaktklebstoffsystems, angebracht. Der Übergangsbereich zwischen Sockel und Fußbodenkonstruktion wurde mit einem elastischen Dichtstoffmaterial entsprechend geschlossen. Im Bereich der keramischen Fliesenebenen wurden als Wandabschluss keramische Fliesen in einer Breite von 65 mm mit entsprechendem Klebemörtel geklebt und der Übergangsbereich zwischen dem Sockel und der Fußbodenebene ebenfalls mit einem elastischen Dichtstoffmaterial verfüllt. Rund sechs Monate nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der Fußbodenkonstruktionen beanstandete der Bauherr so genannte Abrissfugen, überwiegend im Bereich der Randfugen. Materialspezifisch unvermeidbar Eine Überprüfung der betreffenden Teilflächenbereiche vor Ort ergab, dass es jeweils zwischen dem Wandsockel, d.h. zwischen dem PVC-Streifen bzw. den keramischen Fliesenstreifen und dem Bodenbelag, zu Flankenabrissen bzw. Brüchen innerhalb des elastischen Dichtstoffmaterials kam. In dem hier in Rede stehenden Projekt wurden seitens des beauftragten Sachverständigen zunächst 60 Räume sowie die unzähligen Flure in den verschiedenen Etagen visuell überprüft. Im Rahmen der Überprüfung der Fußbodenkonstruktion in den zuvor genannten Teilflächenbereichen wurden in unterschiedlicher Intensität, ausschließlich jedoch in Räumen, in denen keramische Fliesen und Platten im Dünnbettverfahren verlegt waren, so genannte „Randabsenkungen“, einhergehend mit teilweise feststellbaren Aufwölbungen in der Mitte der Räume, festgestellt. Diese zeigten sich in erster Linie in Abrissen des elastischen Verfugungsmaterials im Übergangsbereich zwischen Fußbodenebene und Sockelleiste mit Breiten zwischen 2 mm und 5 mm. Randabsenkungen stellen eindeutig einen bauphysikalischen Vorgang einer mineralischen Zementestrichkonstruktion dar und entstehen insbesondere durch die Verlegung von keramischen Fliesen und Platten und/oder dampfdichten Belägen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schwindvorgänge der zementären Lastverteilungsschicht noch nicht abgeklungen sind. Randabsenkungen, d.h. Verformungen einer Estrichscheibe bis zu 3 mm, sind als materialspezifisch unvermeidbar zu bezeichnen und auf die bindemittelspezifische Eigenschaft des Zementes zurückzuführen, da das Schwinden an der Ober- und Unterseite der jeweiligen Zementestrichplatten unter Berücksichtigung der Austrocknungsverhältnisse im Bauvorhaben unterschiedlich schnell stattfindet. Daraus entstehen bezogen auf den Estrichquerschnitt Spannungsdifferenzen, die sich in Formveränderungen bemerkbar machen. Liegen größere Formveränderungen mit Randabsenkungen bis zu 5 mm bis 6 mm vor, so kann eindeutig ausgesagt werden, dass die Verlegung der keramischen Fliesen und Platten zu einem Zeitpunkt stattfand, an dem die Estrichkonstruktion keine verlegereife Restfeuchtigkeit für die Aufnahme von Fliesen/Platten aufwies. Der gleiche Sachverhalt gilt für dampfdichte, elastische PVC-Bodenbeläge. Da sich die beschriebenen Randabsenkungen in erster Linie in den Abrissfugen des elastischen Verfugungsmaterials zeigten, ist davon auszugehen, dass die Estrichkonstruktion zum Zeitpunkt der Fliesenverlegung innerhalb der meisten Flächenbereichen aufgrund der unterschiedlichen Spannungsdifferenzen zwischen Ober- und Unterseite in den Randbereichen aufgeschüsselt, d.h. erhöht vorlag. Als Beleg für die Tatsache, dass für die beschriebenen Randabsenkungen hauptsächlich dass Schwinden der Zementestrichscheibe ursächlich ist, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich frühestens nach einem halben Jahr, längstens zwei Jahre nach den Estricharbeiten das Rückschüsseln und die daraus erkennbaren Randabsenkungen einstellen können. Innerhalb dieser Zeitspanne muss mit Formveränderungen der Estrichscheibe bzw. Fußbodenkonstruktion gerechnet werden. Abrissfugen des elastischen Fugenmaterials werden in Fachkreisen unter Beachtung der zurzeit geltenden Normen und Richtlinien, insbesondere der als Regeln der Technik und des Fachs anzusehenden Merkblätter als „Wartungsfugen“ bezeichnet. In diesem Fall ist bauseits eine Nachverfugung vorzunehmen. Dies gilt jedoch nur für die zuvor in einer Größenordnung bis 3 mm genannten Abrisse des Verfugungsmaterials, die in materialspezifische unvermeidbaren Formveränderungen begründet sind. Fazit Die Auftragnehmer sollten die Auftraggeber bzw. die Bauherrn vor Durchführung der Verlegemaßnahmen auf diesen materialspezifischen Sachverhalt und diese Eigenart einer neu hergestellten schwimmenden Zementestrichkonstruktion hinweisen. Auch sollte versucht werden, dem Bauherrn klarzumachen, dass es sinnvoller ist, wenn die Sockel entsprechend gesetzt und an die Wandkonstruktion geklebt werden, die Verfugung, d.h. das Ausspritzen mit einem elastischen Dichtstoffmaterial im Übergangsbereich zwischen dem Sockel und der Fußbodenkonstruktion, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Aus optischen Gesichtspunkten wird freilich meist darauf verzichtet. Abrissfugen sind daher zwangsläufig die Folge.