Der Markt für Bodenbeläge kommt zurück In Moskau drehen die Kräne wieder

In den Nullerjahren galt vielen Bodenbelagherstellern Russland als Mega-Markt der Zukunft, bis 2008 der Crash den Höhenflügen ein plötzliches Ende setzte. Alles Schnee von gestern. Die Volumina kratzen schon wieder an alten Rekorden.

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    Moskau-City: Fanal für einen stark expandierenden Objektmarkt.
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    Grafik Marktvolumina
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    Exklusive Präsentation: Parkett wird zum Shopping-Erlebnis in einem Moskauer Designcenter für Inneneinrichtung.
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    2 Luftfeuchtigkeit und Temperatur werden permanent überwacht in einem Moskauer geschäft für Musterböden.

In Moskau drehen die Kräne wieder

Der russische Markt für Bodenbeläge zieht wieder an. Das war eine zentrale Botschaft am Rande der Domotex Russia in Moskau, die erstmalig Ende September stattfand. Bis 2008 hatte ein beispielloser Bauboom dem Bodenbelagmarkt in Russland enorme Zuwachsraten beschert.

Vor allem in St. Petersburg und Moskau herrschte Goldgräberstimmung. Ein Jahr später platzte die Blase. In Moskau-City, dem neuen Wolkenkratzer-Stadtteil, hörten die Kräne auf, sich zu drehen. Statt glasverspiegelter Hightech-Fassaden prägten fortan erst einmal löchrige Betonskelette die neue Skyline der russischen Kapitale. Der Bodenbelagmarkt brach von heute auf morgen um 20 Prozent ein. Inzwischen herrscht auf der Megabaustelle unweit der Moskwa wieder rege Betriebsamkeit. „Die Bauwirtschaft zeigt wieder ein positives Wachstum“, sagt Vera Nikolskaya, Direktorin des russischen Marktforschungsinstitutes abarus. Allein 2011 wurden in Russland 788.200 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 62,2 Millionen Quadratmeter fertiggestellt, knapp zwei Millionen weniger als im Boomjahr 2008, aber immerhin. Entsprechend weist der Markt für Bodenbeläge 2011 wieder ein Wachstum von zehn Prozent auf. Für 2012 liegen die Erwartungen noch bei einem Plus von rund acht Prozent.

Laminat hat stark zugelegt

Ganz unterschiedlich entwickeln sich dabei die einzelnen Belagsegmente. Laut abarus ist der Marktanteil von elastischen Bodenbelägen von in der Spitze 60 Prozent zu Beginn des neuen Jahrtausends auf inzwischen 49 Prozent zurückgegangen. Für westeuropäische Verhältnisse ist das immer noch eine stolze Menge. Was PVC-Beläge verloren haben, konnte parallel dazu Laminat dazugewinnen, dessen Marktanteil inzwischen fast bei 20 Prozent liegt. Für die Marktforscher bleibt Laminat das am schnellsten wachsende Bodenbelagsegment mit zuletzt jährlichen Wachstumsraten von 20 Prozent.

Mit gerade mal acht Prozent spielt der Teppichboden im einstigen Zarenreich fast eine Nebenrolle und dazu eine konstante, wie es scheint. Das Institut abarus wies bereits vor zehn Jahren diesen Marktanteil für das textile Produkt aus.

Auf einem ebenfalls konstanten Niveau liegen keramische Beläge mit einem Marktanteil von etwa 18 Prozent. Bemerkenswert ist, dass Parkett absolut betrachtet seine Menge zwar verdoppeln konnte, bezogen auf den Marktanteil seit 2000 jedoch 1,5 Prozent auf nunmehr zwei Prozent verloren hat.

Elastische Beläge bleiben Spitzenreiter

Die erste Geige spielen auch künftig elastische Bodenbeläge. 2007 wurden in Russland 132,5 Millionen Quadratmeter PCV-Beläge produziert. Über 80 Prozent davon alleine von Tarkett im Werk Samara. Heute liegt die Inlandsproduktion bei deutlich über 140 Millionen Quadratmeter. Zusätzlich werden noch über 120 Millionen Quadratmeter importiert, rechnet Nikolskaya vor. Importiert werden vor allem verschleißfeste Objektbeläge, die so gut wie nicht in Russland gefertigt werden. Einzig Tarkett produziert PVC-Objektbeläge in der geforderten Qualität. Nikolskaya: „Angesichts des wachsenden Objektmarktes ist der Ausstoß eines Herstellers aber nicht genug.“ Im privaten Wohnbereich würden neben PVC-Belägen zunehmend Bodenbeläge aus Verbundwerkstoffen nachgefragt.

Bei Abarus räumt man ein, dass das explodierende Laminatsegment in Russland kaum präzise zu analysieren ist. Der Mangel an verlässlichen Produktionsstatistiken verhindert exakte Marktzahlen. Proportional gehen die Importe drastisch zurück von einem Anteil in Höhe von 77 Prozent 2005 auf geschätzte 45 Prozent 2012.

Bis 2010 gab es mit Kronostar und Kronospan lediglich zwei größere Laminat-Produzenten in Russland. Im Januar 2010 eröffnete dann Tarkett vor den Toren Moskaus eine Laminatfertigung nach westeuropäischem Standard. Die jährliche Produktionskapazität der Tarkett-Produktion beträgt in der vollen Ausbaustufe 18 Millionen Quadratmeter, was 25 Prozent der russischen Gesamtproduktion entspricht. Nicht zuletzt dieses Invest machte Tarkett in den letzten Jahren zum Marktführer für Bodenbeläge in Russland.

Bleibt schließlich noch das Parkettsegment, das in Russland durchaus speziell ist. Zum einen ist es das von außen unabhängigste Belagsegment. Der Anteil heimischer Produkte überwiegt traditionell die Importe. Zum Zweiten kam Parkett relativ unbeschadet durch die Rezession. Der russische Parkettmarkt wird von heimischen Produzenten dominiert. Offizielle Zahlen sprechen russlandweit von 35 Herstellerbetrieben für Massiv- und Mehrschichtparkett. Zählt man die kleinen Firmen mit, dürfte die aktuelle Anzahl an heimischen Produzenten noch weit höher liegen.

Parkett: Was wird importiert?

Die großen Hersteller beliefern Bauunternehmen und Renovationsbetriebe direkt. Kleinere und mittlere Parketthersteller vertreiben ihre Produkte dagegen über den Handel. Wenngleich das Marktsegment insgesamt klein bleiben dürfte, rechnet man bei abarus mit einer steigenden Nachfrage nach hochwertigem Parkett. Der Import dürfte sich auf großformatiges Parkett aus Exotenhölzern sowie Harthölzern aus Nordamerika und Europa beschränken. Importiert werden außerdem Terrassendielen und Korkparkett.

Stefan Heinze

stefan.heinze@holzmann-medien.de