Bundeslehrlingswettbewerb Sieger mit Migrationshintergrund In 1.000 Tagen an die Spitze

Vor drei Jahren ermöglichte ihm die Firma FP-Parkett eine Ausbildung zum Bodenleger. Heute ist Mustafa Temur der Gewinner des österreichischen Bundeslehrlingswettbewerbes und ein Beispiel für funktionierende Integration.Mit Hilfe der Ausbilder (Wilma und Franz Fennes, Fa. FP-Parkett) hat es Mustafa Temur zum besten Bodenlegerlehrling in Österreich geschafft.In 1.000 Tagen an die Spitze Jeder achte Jugendliche in Österreich beendet die Schulzeit ohne Abschluss. Diese jungen Menschen haben es am Arbeitsmarkt besonders schwer, eine passende Lehrstelle zu finden. Wie man sich in einer schwierigen Situation auch als pubertierender 16-Jähriger wie Münchhausen aus dem Sumpf ziehen kann, zeigt das Beispiel des Siegers vom österreichischen Bundeslehrlingswettbewerb der Bodenleger auf der Casa in Salzburg. Mustafa Temur hatte sicher keinen optimalen Start im Berufsleben. Durch mangelnde Sprachkenntnisse und ein dementsprechendes Schulzeugnis fand er im Sommer 2009 keine Lehrstelle. Das Arbeitsmarktservice AMS vermittelte ihn dann im September zu einer Berufsorientierung in die Wiener Bauberufsschule. Dort werden in drei Orientierungswochen weniger das bereits vorhandene handwerkliche Geschick als vielmehr das Interesse am Job und besonders die Einsatzbereitschaft und die Verlässlichkeit gefordert. Bereits nach einigen Schnuppertagen werden aus den 100 Kandidaten nur 28 Teilnehmer ausgewählt. Diese haben die Chance auf eine Lehrstelle. 20 Lehrstellen werden vergeben Der Lohn für diese „zweite Chance“ ist für mehr als zwei Drittel der Teilnehmer eine gesicherte berufliche Zukunft durch einen hochwertigen Ausbildungsplatz als Bodenleger-Handwerker. „Wir vermitteln sofort 20 Lehrplätze für unsere Teilnehmer,“ so KR Christian Dobianer, LIM-Stellvertreter des Bauhilfsgewerbes in Wien und Berufsschullehrer aus Leidenschaft. Aber nicht nur die Jugendlichen profitieren von diesem einzigartigen System, welches derzeit nur in Wien praktiziert wird. Auch die händeringend Facharbeiter suchenden Fachunternehmen sind mit dem System zufrieden. Einer von ihnen ist Franz Fennes, Inhaber der Firma FP-Parkett in Wien. Gemeinsam mit seiner Frau Wilma hat er einige Male für mehrere Stunden den Kurs besucht und die Teilnehmer genau beobachtet: „Nach kurzer Zeit sieht man sofort die Unterschiede bei den Ausbildungswilligen. Wir haben uns sofort für Mustafa entschieden, weil er einen überdurchschnittlichen Einsatz gezeigt hat.“ Für Fennes ist genau dieser Einsatz entscheidend, da der Jugendliche laut demUnternehmer den Rest lernen kann. Er spricht aus Erfahrung. Schließlich hat er dieses erfolgreiche Modell bereits mehrmals genutzt und trotz des noch „jugendlichen“ Firmenalters von zehn Jahren bereits fünf Lehrlinge bei nur einem einzigen Ausfall ausgebildet. Das Unternehmen, das ehemals eine Tischlerei war ist nun schon seit einigenJahren im Bodenbereich tätig und beschäftigt mittlerweile 30 Mitarbeiter. Da die Firma innerhalb weniger Jahre sehr schnell gewachsen ist, war es für Franz Fennes schwer, geeignete Facharbeiter zu bekommen. Als einzige Lösung für dieses Problem sah er die Möglichkeit, seine Fachkräfte selbst auszubilden. Die Fähigkeiten voll ausschöpfen Zu den besonderen Fähigkeiten und der Förderung im Betrieb sagt der Firmenchef: „Mustafa ist einfach ein besonders gelungenes Beispiel für die Facharbeiterausbildung in unserem Betrieb. Wir haben ihn wie alle anderen gefördert, aber keine Extrawürste für ihn gebraten.“ Nach Aussagen des Unternehmers zeichnen Mustafa vor allem sein starker Leistungswillen und sein Ehrgeiz aus. So konnte er seine sprachlichen Defizite, die ihm früher noch im Weg standen, überwinden und seine Fähigkeiten voll ausschöpfen. Besonders stolz auf den Sieg beim Bundeslehrlingswettbewerb ist auch Innungsmeister und Berufsschullehrer Heinz Hofer, der damit nicht gerechnet hätte. „Wir sind wirklich stolz auf die Leistung von Mustafa. Er hat seinen Status als Vorzeigelehrling ohne Druck ganz locker bewiesen, indem er bereits 90 Minuten vor dem Ende des Wettbewerbs fertig war“, gratulierte Hofer. Der Innungsmeister bescheinigte dem Sieger darüber hinaus nicht nur eine Vorbildfunktion in SachenEinstellung, sondern sagt ihm auch eine vielversprechende Zukunft voraus: „Mustafa ist nicht nur ein Vorbild in seinem Betrieb, sondern motiviert alle seine Kollegen in der Berufsschule und darüber hinaus.“ Ein Lob erhielt auch die Firma FP-Parkett für ihr Engagement in der Ausbildung von Jugendlichen. Ein Vorbild für die Integration Der Erfolg gibt aber nicht nur dem erfolgreichen Bundessieger Recht, sondern bestätigt auch die Wichtigkeit der kontinuierlichen Nachwuchsarbeit, die in Wien bestens funktioniert. Gab es vor zwölf Jahren lediglich sieben Lehrlinge so sind es derzeit beachtliche 78 in der Bundeshauptstadt. Zu seinen Zielen befragt, gibt der mittlerweile 19-jährige Mustafa, der auch in der Berufsschule überdurchschnittliche Erfolge hat, einen guten Lehrabschluss an. Ausruhen will er sich auf seinen Lorbeeren aber nicht. Stattdessen plant er, in vier bis fünf Jahren die Meisterprüfung im Bodenlegerhandwerk abzulegen. „Ich will vorher noch genügend Erfahrung sammeln und nichts überstürzen“, sagt der sympathische und bescheiden auftretende Junghandwerker. Mit seinen besonders unterstützenden Ausbildern Wilma und Franz Fennes und mit Hilfe der beiden Innungsmeister, die auch die Meisterkurse organisieren, sollte dies kein Problem sein. Mustafa ist durch seine Ausbildung und denErfolg zu einem Vorbild für die Jugend und nicht zuletzt für die Integration geworden. Sein Beispiel zeigt, dass es auch Menschen mit Migrationshintergrund schaffen können beruflich erfolgreich zu sein. Thomas Mayrhofer