bwd im Gespräch Charles Irving-Swift, CEO Armstrong Floor Products Europe, und Marketingdirektor Markus Deimling Ich habe Einsicht in die Mentalität

Das Vollsortiment wird aufgegeben und die europäische Fertigung in Deutschland konzentriert. Mit den aufgewerteten Standorten Delmenhorst und Bietigheim will Armstrong DLW endlich die Wende hin zu einem profitablen Unternehmen schaffen.Ich habe Einsicht in die Mentalität bwd Herr Irving-Swift, Ihrer Managementkarriere ist zu einem großen Teil von der Automobilindustrie geprägt, wo Sie lange Jahre strategisch verantwortliche Positionen bekleideten. Welche Auswirkungen hat dies für Armstrong DLW? Irving-Swift In der Automobilindustrie galt lange vor allen anderen Industrien die Maxime, ohne Zeitverlust, ohne Produktivitätsverlust und ohne Qualitätsverlust in der Fertigung bessere Produkte herzustellen. Das bedeutet Rationalisierung und Lean Manufacturing. Einige Erfahrungen, die ich im Automobilbereich gesammelt habe, kann ich jetzt bei Armstrong DLW direkt anwenden. Nicht vom Produkt her natürlich, aber die Herausforderung lautet: versuchen, mehr mit weniger zu tun. bwd Signalisiert Ihre Berufung einen Strategiewechsel im Management? Irving-Swift Es ist klar, dass eine neue Strategie für Armstrong DLW notwendig ist. Wir haben ja seit Jahren Verluste gemacht. Unser Mutterkonzern in den USA hat das geduldet und hat seit Jahren das Europageschäft bezuschusst. Jetzt ist es Zeit, dass wir die Wende navigieren und endlich auf unseren eigenen Beinen stehen können. bwd Das hören wir nicht zum ersten Mal. Ihre Vorgänger im Amt hatten allesamt den Ehrgeiz, in Europa endlich schwarze Zahlen zu schreiben. In diesem Zusammenhang wurde der übliche Maßnahmenkatalog zitiert: Verwaltung verschlanken, Herstellungskosten reduzieren usw. Waren das nur Lippenbekenntnisse oder warum hat das bisher zu keinem durchschlagenden Erfolg geführt? Deimling Ich denke, wir waren nicht konsequent genug. Wir haben zu viele Werke in zu vielen Ländern mit Problemen betrieben, wo wir Mittelabflüsse verzeichnen mussten. Man hat sich gescheut, harte Entscheidungen zu treffen und zu sagen: Okay, jetzt ziehen wir einen Schlussstrich. Das ändert sich jetzt. bwd Die geplante Schließung der Produktionen in England und Schweden und damit verbunden der Rückzug aus dem CV-Geschäft läuten in der Tat eine Wende ein. Ist Armstrong DLW damit die kranken Unternehmensteile endgültig los? Irving-Swift Das trifft annähernd zu. Die besonders kranken Unternehmensteile liegen in Großbritannien und Schweden. Dort muss man leider Gottes die Werke schließen. Das ist zumindest bisher unsere Absicht, aber wir sind an den betreffenden Standorten noch in Verhandlung mit den Betriebsräten. Also kann ich nicht endgültig sagen, die Werke in Holmesund und Teesside werden geschlossen. Wir müssen laut den Gesetzen in beiden Ländern mit den Arbeitnehmern verhandeln. bwd Aber die deutschen Standorte kommen ja auch nicht ungeschoren davon. Immerhin ist hier auch von Stellenabbau die Rede. Irving-Swift Was Deutschland angeht, möchte ich nicht den Eindruck erwecken, dass hier alles perfekt ist. Wir haben Baustellen hier. Aber die kann man meines Erachtens in den Griff bekommen. Wir haben den Mutterkonzern überzeugt, dass es sich lohnt, weiter in Delmenhorst und Bietigheim zu fertigen. Vorausgesetzt natürlich, dass wir unsere Vertriebs- und Verwaltungsorganisation an die neue Geschäftsstrategie anpassen. Wir haben aus der Vergangenheit eine sehr umfangreiche Verwaltungsstruktur geerbt und die muss jetzt abgebaut werden. Es geht darum, unsere Fixkosten zu reduzieren, damit wir nicht so von Marktschwankungen abhängig werden, wenn die Volumina wieder nach unten gehen. Und das passiert natürlich früher oder später. Wir müssen den Wirtschaftszyklen folgen und auch, wenn die Volumina weniger werden, in der Lage sein, Gewinne zu berichten. bwd Wie viel Zeit geben Sie sich für den Turnaround? Irving-Swift Auf jeden Fall ist es unser Fokus, die Probleme kurzfristig zu lösen. Wir müssen binnen drei Jahren die finanzielle Abhängigkeit von der Konzernmutter in den USA beenden. Deimling Wir sehen schon in diesem Jahr eine deutliche Ergebnisverbesserung und haben ja bereits ein ordentliches drittes Quartal hingelegt. Irving-Swift Im Grunde verfügt Armstrong DLW über viel Potenzial, das man einfach nutzen muss. In der Vergangenheit haben wir versucht, zu viele Produkte in zu vielen Märkten zu vertreiben. Wir müssen konsolidieren und uns auf Standorte, Produkte, Marken und Märkte konzentrieren, wo wir stark sind. Und besonders stark sind wir in Delmenhorst und Bietigheim, wo wir künftig durch den Einsatz von Lean Manufacturing mehr herausholen möchten. bwd Bedeutet das auch, dass in diese Standorte investiert wird? Irving-Swift Ja, wir haben schon zwischen 20 und 30 Millionen Euro für Investitionen im deutschen Raum budgetiert. bwd Vor rund zwei Jahren hat die Konzernspitze noch 14 Millionen Euro Investitionen in die Produktion von heterogenen Belägen angekündigt. Dieses Investment hat sich in Anbetracht des Ausstieges aus der CV-Produktion wohl erübrigt. Irving-Swift Nein, diese Investition passt nicht mehr. Aber insgesamt sind Investitionen ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie. Wir werden gezielt investieren und nicht pauschal und großzügig über die gesamte Produktpalette. bwd Welche Produkte haben für Armstrong DLW Zukunft? Irving-Swift In erster Linie natürlich Linoleum. Daneben der Löwenanteil unserer homogenen Beläge, Designbeläge, aber auch Nadelvlies. Vom CV-Geschäft werden wir uns zurückziehen, unsere heterogene Produktpalette werden wir bereinigen. bwd Heißt das, es wird weiterhin ein Restsegment an heterogenen Belägen geben? Irving-Swift Wir werden in Zukunft eine kleine Palette von heterogenen Belägen zukaufen, ja. bwd Zukaufen von wo? Irving-Swift Wir werden zusammen mit unserer Konzernmutter eine Produktlinie vermarkten. Deimling Wir werden aber auch die Produktpalette der homogenen Beläge verschlanken und uns auf die Marktsegmente konzentrieren, wo höherwertige Produkte zum Einsatz kommen und wo wir höhere Preise und Margen erzielen können. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir uns von Produkten verabschieden, mit denen wir uns nicht vom Wettbewerb differenzieren können. bwd Was wiederum die angekündigten Konsequenzen für den Vertrieb nach sich zieht. Deimling Richtig. Wir haben bereits heute einen guten Zugang zum Architekten. Daran halten wir fest, das bauen wir aus. Daneben setzen wir auf den Großhandel und den Bodenleger. Die angekündigten Veränderungen finden deshalb vielmehr in ausgewählten Märkten statt. bwd Welche Märkte meinen Sie konkret? Irving-Swift Märkte, in denen wir verhältnismäßig schwach sind wie Großbritannien oder Frankreich. Wir sagen nicht, dass wir in diesen Ländern überhaupt nicht mehr tätig sein werden. Vielleicht müssen wir über neue Vertriebsformen nachdenken, um unsere Produkte dort effizienter an den Mann bringen zu können. Vielleicht über strategische Partnerschaften. Deimling In Deutschland wird es im Übrigen keine massiven Einschnitte geben. In Deutschland sind wir traditionell stark und dort werden ja auch die Produktionsstandorte gestärkt. bwd Kann man darin ein klares Bekenntnis zum deutschen Markt sehen? Deimling Es gibt in Europa drei bedeutende Märkte: England, Frankreich und Deutschland. Die Änderung der Vertriebsstrategie in den beiden erstgenannten Märkten unterstreicht doch eindeutig die Bedeutung des deutschen Marktes. bwd Die Frage, welche Bedeutung der europäische Markt für den amerikanischen Mutterkonzern hat, wird seit der DLW-Übernahme in schöner Regelmäßigkeit gestellt. Irving-Swift Es heißt Armstrong World Industries. Wer einen weltweiten Anspruch hat, kann Europa nicht außer Acht lassen. Es ist doch ganz klar, dass Europa weltweit betrachtet für Armstrong eine bedeutende Rolle spielt. Es gibt ein klares Bekenntnis zu Europa. Ich bin auch kein Company-Doktor, der hier mal eben für sechs Monate nach dem Rechten sieht. Mein Engagement ist langfristig. Ich möchte nicht nur die Strategie dieser Neuausrichtung mitbestimmen, ich möchte auch die guten Jahre, die nach der Wende kommen, begleiten. bwd Das unterscheidet Sie offenbar von Ihren amerikanischen Vorgängern. Irving-Swift Ich bin hier vor Ort, von Montag bis Freitag, von morgens früh bis abends spät. Ich fliege nicht rein, um ein paar Befehle zu geben, und fliege dann wieder nach Hause. Im Gegenteil, ich lebe das hier mit. Ich hoffe, dass ich das bald zeigen kann. Ich habe ein bisschen Einsicht in die deutsche Mentalität. Ich habe im Rahmen meiner beruflichen Laufbahn das eine oder andere deutsche Werk geleitet. Ich habe vier Jahre in Deutschland gewohnt, ich habe an der Universität Deutsch studiert. Daneben habe ich aber auch sechs Jahre in den USA gelebt und viele Jahre für einen amerikanischen Konzern gearbeitet. Ich denke, ich kann zwischen den „Kulturen“ ganz gut vermitteln. bwd Haben Sie auch einen „Draht“ zum Bodenbelagsgeschäft? Irving-Swift Meine Frau ist begeisterte Innenausstatterin, mein Großvater war Designer. Ich habe Interesse an ästhetischen Dingen. Und unter ästhetischen Aspekten sehe ich auch die Bodenbeläge, die wir herstellen. bwd Herr Irving-Swift, Herr Deimling, vielen Dank für das Gepräch. Mit Charles Irving-Swift und Markus Deimling sprach Stefan Heinze am Armstrong DLW Firmensitz in Bietigheim.