Auszeit in England: Anton Spiegel verbringt zwei Monate auf der Insel „Ich bin dann mal weg“

Welcher Handwerkschef in den besten Jahren träumt nicht mal davon, vorübergehend auszusteigen? Ein Vorarlberger hat sich getraut und nicht nur er hat davon profitiert, sondern auch seine Firma.„Ich bin dann mal weg“Den ganzen Tag läutet das Handy, vier Kostenvoranschläge warten und die Reklamation am Abend liegt auch noch schwer im Magen: Das ist für viele Handwerksunternehmer Alltag. Stress den ganzen Tag und das jahraus, jahrein. Urlaub? Fehlanzeige und wenn, dann nur ein paar Tage, die aber auch nie ungestört sind, weil der Chef schließlich für schwierige Fälle jederzeit erreichbar sein muss. Die Mitarbeiter können ja nicht alles alleine entscheiden. Ein Kollege hat es geschafft, all diesen scheinbar unvermeidbaren Sachzwängen zu entkommen und damit seinem ganzen Unternehmen neuen Schwung zu verleihen. Doch alles der Reihe nach: Anton Spiegel, 53, führt ein florierendes Bodenlegerunternehmen mit fünf Mitarbeitern, dazu noch ein Gutachter-Büro sowie die Herausforderung in der Innungsarbeit als Verantwortlicher für die Euro- und World Skills-Teilnahme. Da kann man ganz schön ins Schwitzen kommen. „Ich mache meine verschiedenen Aufgaben wirklich gerne, aber mit zunehmendem Alter wird die Belastung und die Verantwortung immer größer und schwerer und die Lebensqualität bleibt auf der Strecke. Wenn ich einmal krank bin, dann steht die Firma gleich still, weil niemand Entscheidungen treffen kann. So wollte ich nicht weitermachen“, erzählt er. Was kann ein Handwerker aber machen, um dem drohenden Burnout zu entgehen? „Bevor man an Veränderungen denkt, muss man eine schonungslose Analyse des Ist-Zustandes durchführen. Danach kann man seine Ziele und die dazugehörigen Umsetzungsschritte definieren und planen“, erklärt Spiegel. Bessere Organisation schaffte FreiheitenSeine Firma hat schon vor einiger Zeit mit dem Öko-Zertifikat begonnen, die Wirtschaftlichkeit mit Augenmerk auf die Ökologie zu verbessern. Dabei ging es unter anderem um die Vermeidung von unnötigen Fahrten. Durch die Ausarbeitung von Checklisten wurde die Organisation erheblich verbessert. Ein weiterer Schub kam dann durch die Vorbereitungsarbeiten für die Austria-Gütezeichen-Zertifizierung (siehe Kasten). Nach Wochen und Monaten der Vorbereitung war es dann geschafft. Nicht die Auszeichnung als erster und bislang leider einziger Vorarlberger mit dem Austria-Gütezeichen zertifizierter Bodenleger-Betrieb stand im Mittelpunkt, sondern die geänderten und optimierten Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten. So werden im Unternehmen alle Abläufe genau definiert und auch die Verantwortlichen für die jeweiligen Bereiche benannt, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten autonom entscheiden können, wie sie die Vorgaben und Ziele erreichen. Als die Firma nach den vielen Änderungen und Umstellungen wieder richtig lief, wollte der Firmenchef die gewonnene Freiheit nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Weil Toni Spiegel für seine Tätigkeit als Instruktor bei den internationalen EuroSkills-Wettbewerben gerne besser Englisch lernen wollte, fiel seine Wahl auf eine Auszeit in England. „Ich wollte zuerst selbst bei einem Kollegen auf einer Baustelle mitarbeiten. Als ich diesen Wunsch bei Klaus Stolzenberger deponiert hatte, haben wir gemeinsam den Plan geändert.“ Der heutige Marken-Chef von Pallmann hatte vor einigen Jahren die Marke in England aufgebaut und selbst dort zwei Jahre mit Familie gelebt. Daher kennt er den Markt und die Gegebenheiten auf der Insel sehr gut. Die Beiden entwickelten einen neuen Plan. Der zweimonatige Lehraufenthalt wurde in zwei Teile gesplittet. Der erste Monat sollte dem Vertiefen der Sprache in einer Schule sowie der Akklimatisierung gewidmet werden. Im zweiten Teil würde Toni Spiegel den Pallmann-Mitarbeiter im Außendienst quer über die Insel zu Kunden- und Baustellenbesuchen begleiten, um zu sehen, wie in England in der Praxis gearbeitet wird. Bevor es im vergangenen August losging, gab es aber noch viele organisatorische Details zu klären. Toni Spiegel hatte dabei den vollen Rückhalt seiner Gattin Barbara und aller Mitarbeiter. „Ich habe am letzten Tag mein Handy an meine Mitarbeiterin übergeben, damit alle sehen, dass sie für die nächsten acht Wochen der Boss ist.“ Dann der große Tag: Toni Spiegel wird an einem Samstagmorgen von Pallmann-UK-Mitarbeiter Mike Hamer vom Flughafen Manchester abgeholt. Dank seines Bemühens klappt die Verständigung beim ersten englischem Frühstück schon ganz gut, sodass sich der Besucher schon auf seine Gastfamilie freut. Die wurde ihm über eine Agentur vermittelt. Wohngemeinschaft mit JamaikanerDer österreichische Handwerker war kurz irritiert, als sich die angekündigte Familie als Single-Mann aus Jamaika entpuppte, aber die Chemie zwischen den beiden Exoten stimmte gleich. Fiz, der Gastgeber, redete nur wenig und seine Kochkünste beschränkten sich auf Reis mit Huhn in den verschiedensten Variationen. Aber Englisch wollte Toni Spiegel ja schließlich auch in der Schule lernen. Dort waren zwar die Lehrer nett, mit 15 Sprachschülern in nur 10 m² kleinen Klassenräumen war es jedoch recht eng. „Das ist im Sommer durch die hohe Nachfrage bei uns immer so“, war die lapidare Antwort auf die vorsichtig vorgebrachte Kritik. Zudem änderte das Personal die elektronischen Lehrpläne ständig, sodass die Studenten immer wieder in falschen Klassen saßen. Doch der Unterricht trug bald Früchte. Schon nach wenigen Tagen wurde die Konversation durch das bessere Vokabelwissen immer flüssiger und leichter. „Ich konnte es einfach locker angehen, weil ich ja keine Verantwortung zu tragen hatte. Mit Lockerheit lernt man eine Sprache auch viel besser und schneller vor Ort, als mühsam zu Hause mit Kassetten“, erzählt Toni Spiegel. Viel zu schnell waren die ersten vier Wochen vergangen und dann hieß es für den Österreicher: „Pallmann on Tour.“ Lesen Sie in der Februar-Ausgabe der boden wand decke, was Toni Spiegel auf seiner Tour gelernt und mit nach Österreich genommen hat. Thomas Mayrhofer