Fataler Irrtum: Versagen einer Gewässerschutzbeschichtung Fugen nicht erkannt

Vor der Herstellung einer Gewässerschutzbeschichtung auf Stahlbetonbodenplatte hat der Auftragnehmer den Untergrund entsprechend vorzubereiten. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Joachim Rolof, iba-Institut, sagt exklusiv in ’boden wand decke‘, was passiert, wenn dabei Scheinfugen nicht fachgerecht bearbeitet und Randfugen nicht ausgebildet werden.

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    Gerichteter Riss oberhalb der Arbeitsfuge zwischen den Betonierabschnitten mit einer Breite von 0,5 bis 1,6 Millimeter.
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    Falten, Risse und Enthaftungen in der Beschichtung oberhalb der Raumfuge.
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    Ursache: Die umlaufende Randfuge wurde mit Kunstharzmörtel überarbeitet. Dadurch wurden Bodenplatte und Wandbildner kraftschlüssig verbunden.

Der Folgeschaden ist vorprogrammiert: Die Beschichtung weist in Kürze Risse, Falten, Blasen auf. Im vorliegenden Fall wurde an einen galvanischen Betrieb ein zweigeschossiger Anbau erstellt. Auf zirka 1.400 Quadratmeter sollten im Obergeschoss galvanische Anlagen und im erdreichangrenzenden Untergeschoss eine Abwasserbehandlungsanlage eingerichtet werden. Bodenplatte und Geschossdecke bestanden jeweils aus Ortbeton. Der Rohbauer gab an, die Bodenplatte des Untergeschosses sei in zwei Abschnitten betoniert worden.

Die Arbeitsfuge zwischen beiden Betonierabschnitten liege in Längsrichtung des Gebäudes in der Hälfte der Fläche. Der zweite Betonierabschnitt wurde ohne Abstand („press“) an den ersten Abschnitt betoniert. Im Unterschied dazu war der Beschichter der Auffassung, dass vor der Applikation keine Arbeits- oder Scheinfuge zu erkennen gewesen sei.

Die übrigen in die Bodenplatte eingeschnittenen Fugen seien schon vor dem Beschichten verharzt worden. Nach weiterer Untergrundvorbehandlung wurde eine Gewässerschutzbeschichtung appliziert. Anschließend erfolgte die Abnahme, Behälter und Anlagen wurden montiert und die Abwasserbehandlungsanlage ging in die gewünschte Nutzung.

Bereits während der ersten beiden Jahre kam es zu Mängelrügen des Auftraggebers. Es hatten sich Risse und Blasen im Hallenboden der Abwasseranlage gebildet. Entlang der Wandflächen hätten sich ferner Falten ausgebildet. Der Bauunternehmer weigerte sich, die Beanstandung anzuerkennen. Der Beschichter sah keinen Fehler bei seinen Werkleistungen. Es kam zum Streitfall, als der Auftraggeber Verpflichtungen aus der Baugenehmigung nicht mehr erfüllen konnte: Ein Verstoß gegen die wasserrechtliche Genehmigung drohte!

Wurmartige Faltenbildung

In der Abwasserbehandlungsanlage fand der eingeschaltete Sachverständige zwischen den Betonierabschnitten oberhalb der Arbeitsfuge einen gerichteten Riss, 0,5 bis 1,6 Millimeter breit, in der Beschichtung. Der setzte sich im weiteren Verlauf der Arbeitsfuge, wo die Behälter der Abwasserbehandlungsanlage standen, zwar nicht fort. Doch zeigten sich in der Beschichtung auch dort Ansätze einer wurmartigen Faltenbildung, die auf einen im Untergrund lokal vorhandenen Riss zurückzuführen sein könnte.

Ursachenforschung: Es wurden Bohrkerne in der Beschichtung im Bereich des Risses entnommen. Danach zerbrach der Bohrkern entlang des über den ganzen Querschnitt verlaufenden Risses in zwei Teile. Der Beton an den Rissflanken war glatt. An den Außenwänden sowie Stützen waren raumseitig im Sockelbereich horizontal verlaufende wurmartige Faltenbildungen der Beschichtung mit Einrissen oberhalb der Dreieckkehle, beginnende Rissbildungen der Beschichtung der Dreieckkehlen angrenzend zu dem waagrechten Grundrissteilflächenbereich und stellenweise Risse mit Versatz an solchen Stellen festzustellen.

Partiell löste sich die Beschichtung im Sockelbereich bereits ab.

Weitere Bohrkerne wurden daher angrenzend zu den Wandbildnern entnommen, dazu Teile der Dreieckkehle der Beschichtung. Es war festzustellen, dass in der Raumfuge zwischen Bodenplatte und Wandbildner ein fünf Millimeter breiter Stellstreifen vorhanden war.

Diese Raumfuge war jedoch nicht in die Beschichtungsebene übernommen worden. Es wurde stattdessen durch die Ausbildung der Dreieckkehle mit Kunstharzmörtel und in der Folge eine Beschichtung der Bodenplatte mit umlaufendem Sockel ein kraftschlüssiger Verbund zwischen Bodenplatte sowie Wandbildner hergestellt. Bezüglich der krakeleeartigen Rissbildungen sowie Abblätterungen an den Sockelflächen der Wandbildner und Stützen war klar festzustellen, dass diese Schäden bedingt durch die Nichtbeachtung der vorhandenen, mit Stellstreifen versehenen Raumfugen verursacht wurden: Durch Herstellung und Überarbeitung mit der Dreieckkehle aus Kunstharzmörtel und eine anschließende Beschichtung ist ein kraftschlüssiger Verbund zwischen der Bodenplatte und dem Wandbildner beziehungsweise den Durchdringungen (Stützen und Pfeiler) entstanden. Die Folge: Wegen behinderter Längenänderung der Bodenplatte aus Stahlbeton kam es zu Schäden an der WHG-Beschichtung, was durch Entnahme der Bohrkerne nachgewiesen wurde. Aus Kriechen, Schwinden und/oder last- sowie zeitabhängigen Verformungen resultieren Längenänderungen zwischen der Bodenplatte und Wandbildner oder Durchdringungen. Folge: Die kraftschlüssig aufgetragene WHG-Beschichtung riss oberhalb der Raumfuge im Bereich der Dreieckkehle ab. Ferner fiel auf, dass alle Anschlüsse zwischen horizontalen Grundrisssteilflächenbereichen sowie aufgehenden Bauteilen (Wände, Stützen, wannenartige Aufmauerung) als Dreieck-, nicht wie üblich als Hohlkehlen, vorzufinden waren. Beim Riss in der Beschichtung und/oder Bodenplatte entlang der Arbeitsfuge handelt es sich je nach Lage und dem Erscheinungsbild um eine so genannte Scheinfuge, die gemäß Fugenplan des Gebäudes vor Ausführung der Beschichtung der Bodenplatte eingeschnitten und danach kraftschlüssig verschlossen hätte werden müssen – etwa mit niedrigviskosem Reaktionsharz und durch Abstreuen mit feuergetrocknetem Quarzsand im Überschuss.

Durch Verharzen hatte der Beschichter an anderer Stelle Scheinfugen verschlossen. Um im jungen Beton Risse zu vermeiden, sollten in sechs bis acht Meter Seitenlänge Abstand die Scheinfugen vorgesehen werden, bei Betonplatten sind quadratische Felder anzustreben. Zwischen „press“ angearbeiteten Betonierabschnitten resultierende Ansätze erfordern einen Fugenschnitt sowie kraftschlüssiges Verschließen durch Verharzen. Achtung: Nur Bewegungsfugen sind mit einem Fugenprofil zu übernehmen und im Oberboden höhengleich fortzuführen. Forderungen wie nach Flüssigkeitsdichtheit und Chemikalienbeständigkeit sind zu erfüllen. Infolge der aus Kriechen sowie Schwinden der Bodenplatte resultierenden Eigenspannungen im Beton ist die WHG-Beschichtung oberhalb der Betonierabschnitte gerissen, da sich hier eine Fuge (Scheinfuge) zwischen den beiden Betonierabschnitten ausgebildet hatte. Weil aber die Beschichtung nur eine materialspezifisch begrenzte, rissüberbrückende Eigenschaft aufweist, ist es lokaler Überbeanspruchung wegen zu Rissbildung gekommen. Fatale Folge: Die WHG-Beschichtung ist nun undicht, erfüllt nicht mehr die Schutzfunktion.

Bei jeder neuen Fußbodenkonstruktion sollte vom Planverfasser ein Fugenplan erstellt werden. Die Funktionstüchtigkeit von Fugen entscheidet wesentlich über die Dauerhaftigkeit von Betonböden, Estrichen und Oberböden. Die Fuge ist das kleinste Bauteil – bedarf aber besonderer Beachtung in Planung sowie Ausführung.

Weiterhin waren lokal auch Blasenbildungen im Durchmesser von acht bis zwölf Millimeter vorzufinden, wobei sich solche Blasen auf eine Fläche von etwa sechs mal sieben Meter beschränkten. Die lokal begrenzt festgestellten Blasen in der Beschichtung sind auf bauphysikalische Transportvorgänge von Feuchtigkeit aus der erdberührten Bodenplatte des jungen Stahlbetons oder den Wassertransport durch Feststoffe beziehungsweise Beton aufgrund von Diffusion und/oder Osmose hervorgerufen worden.

Weiterhin kann auch eine Kondensatbildung an der Oberfläche der mechanisch vorbehandelten Bodenplatte zum Zeitpunkt der Ausführung der Grundierung und/oder zum Zeitpunkt der Applikation der Beschichtung aufgrund der zu diesem Zeitraum vorherrschenden Klimabedingungen und Oberflächentemperaturen nicht ausgeschlossen werden: Man beachte die während der Beschichtungsarbeiten vorherrschende Luftfeuchtigkeit/-temperatur in der Halle sowie die Bauteiloberflächentemperatur der Stahlbetonbodenplatte und den Taupunkt beziehungsweise die daraus resultierende Taupunkttemperatur. Zu den Klimabedingungen während der Applikation lagen keine Aufzeichnungen des Beschichters oder der Bauleitung vor.

Die Prüfungspflicht des Auftragnehmers umfasst die Überprüfung der Haushaltsfeuchtigkeit des Untergrunds vor der Herstellung der WHG-Beschichtung. Der Beschichter nimmt in einer Entnahmetiefe von zirka 20 Millimeter dazu an der oberflächennahen Randzone der Bodenplatte eine CM-Prüfung vor. Dabei ist zu bedenken, dass bei derartigen Maßnahmen eine aussagefähige Messung des Feuchtegehalts der gesamten Bodenplatte über den Querschnitt betrachtet nicht möglich und im Übrigen auch nicht üblich ist: Die in der oberen Zone der Betondecke festgestellten Messwerte lassen keine Rückschlüsse auf im Querschnitt vorliegende Feuchtigkeit in den tieferen Zonen eines Industriefußbodens zu. Aus wissenschaftlichen sowie bauphysikalischen Untersuchungen ist in der Fachwelt bekannt, dass dicke Stahlbetonbodenplatten über Jahre schwinden und auch die Feuchtigkeitsabgabe aus tieferen Zonen des gesamten Querschnitts durchaus mehr als ein Jahr nach der Fertigstellung andauern kann. Es hat sich gezeigt, dass frühes Abdecken von Bodenplatten aus dickem Stahlbeton mit dampfdichten Oberböden und/oder Kunstharzbeschichtungen vor Ende dieses unbestimmten Zeitraums zu Schäden an Oberböden und bei WHG-Beschichtungen führt. Daher hat der Auftraggeber im Innenverhältnis mit seinem Planverfasser durch geeignete planerische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass Feuchtigkeit aus dem Untergrund in der Folge nicht zu Schäden an den Grundierungen, Klebstoffen, Oberböden beziehungsweise Beschichtungen führt – etwa durch eine Grundierung mit Beschichtung, die auf ihr Verhalten bei rückseitig einwirkender Feuchtigkeit geprüft wurde. Auch Pufferschichten, die Feuchtigkeit in gewissem Umfang einzulagern vermögen, haben sich bewährt (etwa PCC/Mörtelschicht).

Hinweise zur Sanierung: Alleine die osmotischen Blasenbildungen hätten im vorliegenden Fall einen Rückbau der Gewässerschutzbeschichtung nicht notwendig gemacht. Diese Blasen waren nur in geringem Umfang und lokal begrenzt vorhanden. Auch sind nur solche Teilflächenbereiche betroffen gewesen, in denen Fußgängerverkehr, aber keine große mechanische Beanspruchung durch Flurförderzeuge vorliegt. Daher war durch die Blasen eine Dichtigkeit der Gewässerschutzbeschichtung nicht gefährdet. Wegen Enthaftungen, Falten, Blasen sowie Rissbildungen in der Beschichtung ist ein Rückbau jedoch unabdingbar, da der Gewässerschutz nun nicht mehr gewährleistet war. Vor dem Entfernen der schadhaften WHG-Beschichtung ist es notwendig, die Abwasserbehandlungsanlage auszuschalten sowie Behälter und Anlagen zu demontieren, so dass die beschichtete Bodenplatte wieder freigelegt wird. Die Beschichtung muss dann in Abhängigkeit von der jeweiligen Schichtdicke durch ein- oder mehrmaliges Kugelstrahlen gegebenenfalls im Kreuzgang bis auf die tragfähige Oberfläche der Bodenplatte abgelöst werden. Die Haftzugfestigkeit der mechanisch vorbehandelten Fußbodenkonstruktion sollte Messwerte von mehr als 1,5 Newton je Quadratmillimeter aufzeigen. Wenn das nicht der Fall ist, sind Maßnahmen nötig, über die im Einzelfall befunden werden muss.

Sodann kann die neue Beschichtung nach geeigneter Untergrundvorbehandlung wie dem Verschließen von Rissen und gegebenenfalls Kratzspachtelung je nach Rautiefe der Bodenplatte nach dem Kugelstrahlen in für das ausgewählte System erforderlichen Arbeitsschritten (Grundierung, Absanden und Schlussbeschichtung) appliziert werden. Die Beschichtung der Bodenplatte muss von umlaufenden Raumfugen aufgehender Bauteile ebenso wie von Durchdringungen entkoppelt werden. Davon sind die Hohlkellen durch Stellstreifen

zu trennen sowie mit elastischen, spritzbaren Fugendichtstoffen abzudichten (Wartungsfuge!). Dieser spritzbare, elastische Fugendichtstoff muss chemisch beständig gegen die anfallenden Medien sein. Für die gesamte Ausführung der Beschichtung sind die Vorgaben des Herstellers und/oder der jeweils systemspezifischen Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (AbZ) zwingend zu beachten. Ein in der Reaktion auf die rückseitige Feuchtigkeitseinwirkung geprüftes Beschichtungssystem sollte Verwendung finden. Hierzu sollte der Hersteller der Beschichtungsmaterialien ein Prüfzeugnis nachweisen können.

Fazit:

Hätte der Beschichter der Behandlung der Fugen nach dem Kugelstrahlen mehr Bedeutung zugesprochen, hätte dieser fatale Irrtum mit erheblichen Folgekosten vermieden werden können. So muss der Beschichter für die Folgen einstehen. Hans-Joachim Rolof

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