Der interessante Schadensfall Wer trägt die Verantwortung? Estrichmängel in einem Schulzubau

In einer Volksschule mit vier Klassen wurde ein Zubau ausgeführt. Im Rahmen des Bauvorhabens wurde auch die vorhandene Bodenkonstruktion entfernt und außer der Zentralheizung ein neuer elektrisch betriebener Heizestrich eingebaut. Der Estrich wurde von der Baufirma eingebracht. Vom Auftraggeber wurde in der Ausschreibung eine stuhlrollengeeignete Gesamtfußbodenkonstruktion gefordert. Die Heizung war laut Angabe der Bauleitung bereits dreimal zwei Wochen in Betrieb.Estrichmängel in einem Schulzubau Der Bodenleger kam seiner Prüfpflicht nach und bemängelte am Estrich: e die Oberflächenfestigkeit, e eine zu hohe Feuchtigkeit für die Verlegung von elastischen Bodenbelägen, e Risse im Estrich und e abgeschnittene Randdämmstreifen. Wer ist haftbar? Die Baufirma sagte gegenüber der Bauleitung aus, daß sie keine Verantwortung für die angeführten Mängel trifft und meinte, der Bodenleger sei zu kleinlich. Er müsse ohnehin laut Ausschreibung spachteln, damit ist die Festigkeit hergestellt und die Risse geschlossen. Die Feuchtigkeit sei nicht von der Baufirma zu verantworten, nach dreimal zwei Wochen ausheizen muß der Estrich trocken sein. Die Beteiligten einigten sich auf die Beiziehung eines Sachverständigen, der etwaige Mängel und Ursachen am Estrich klären und Vorschläge zur Behebung erstellen solle. Zum Aufbau: Der Fußbodenaufbau besteht aus einem Unterlagsbeton, einer Abdichtung, einer Dämmschicht, einer Abdeckfolie sowie aus einem Zementestrich auf elektrischer Fußbodenheizung, 4 bis 7 Zentimeter dick. Zustand des Zementheizestrichs Auf den Estrichoberflächen in allen Räumen wurde der Estrich mit einem Stahlnagel in 1 Zentimeter Abstand gitterförmig eingeritzt. Dabei entstanden Einkerbungen und Vertiefungen von zirka 1 bis 2 Millimeter. An den Schnittpunkten ist der Estrich an allen Stellen ausgebrochen. Im Raum eins wurde an der Rückwand beim zweiten Mauervorsprung in einer Entfernung 10 Zentimeter von der Rückwand, 15 Zentimeter von der Fensterwand eine Stemmprobe von der Estrichunterseite entnommen und mit dem CM-Gerät geprüft. Die Estrichdicke beträgt zirka 6,5 Zentimeter. Die Stemmprobe erbrachte folgendes CM-Ergebnis: Einwaage 20 Gramm, Manometerdruck 0,70 ergibt einen Feuchtigkeitswert laut Umrechnungstabelle von 3,5 CM Prozent. Im Raum zwei wurde an der Fensterwand links in der Ecke in einer Entfernung 10 Zentimeter von beiden Wänden eine Stemmprobe von der Estrichunterseite entnommen und mit dem CM-Gerät geprüft. Die Estrichdicke beträgt zirka 7 Zentimeter. Die Stemmprobe erbrachte folgendes CM-Ergebnis: Einwaage 20 Gramm, Manometerdruck 0,75 ergibt einen Feuchtigkeitswert laut Umrechnungstabelle von 3,9 CM Prozent. Bei den vorspringenden Ecken und bei den Türstöcken ist der Estrich im 45-Grad-Winkel zur Mitte zirka 60 bis 80 Zentimeter eingeschnitten. In sämtlichen Räumen und im Vorraum sind Risse in der Estrichplatte feststellbar. Die Randdämmstreifen sind in allen Räumen bereits abgeschnitten. Die elektrische Fußbodenheizung war als Zusatzheizung ausgebildet, da das Gebäude nicht unterkellert ist. Betrieben wurde die elektrische Fußbodenheizung mit Nachtstrom, das heißt die Energie steht nur nachts zirka acht Stunden zur Verfügung. Gutachten Um den Sachverhalt beurteilen zu können, sind die Regeln der Technik und die einschlägigen ÖNorm heranzuziehen. Die ÖNorm B 2236 (Ausgabe 1976) sagt über die Beschaffenheit des Untergrundes aus: e (3.2.1.) Der Untergrund ist dem Auftragnehmer in dem (in den Abschnitten 3.2.2. bis 3.2.11 beschriebenen) Zustand zu übergeben. Weist der Untergrund die geforderten Eigenschaften nicht auf und werden über Weisung des Auftraggebers vom Auftragnehmer Sanierungsarbeiten durchgeführt, dann stellen diese Arbeiten Nebenleistungen dar, die gemäß Abschnitt 5.2. gesondert abzugelten sind. e (3.2.3.) Ein starrer Untergrund darf weder Risse aufweisen noch absanden. Sanierte Risse müssen kraftschlüssig verschlossen sein. Die Oberfläche des Untergrundes muß hinsichtlich ihrer Glätte sinngemäß den Bestimmungen der ÖNorm B 2232, Abschnitt 3.7.2. entsprechen. Die Festigkeit des Untergrundes muß den einschlägigen Normen entsprechen. e (3.2.8.) Der Untergrund muß lufttrocken sein. Die Werte der Tabelle (Abschnitt 4.1.8.) dürfen nicht überschritten werden. Ausführung (4.) e (4.1.) Prüfpflicht: Der Auftragnehmer hat zu beurteilen, ob der Untergrund für das Kleben des vorgesehenen Belages geeignet ist. Insbesondere hat er zu achten auf: e (4.1.2.) Erkennbare Risse im starren Untergrund; der Auftragnehmer hat die Wirksamkeit des kraftschlüssigen Verbundes von sanierten Rissen durch wechselseitiges Belasten der Rißränder zu prüfen. e (4.1.3.) Absanden und unzureichende Oberflächenfestigkeit; die Prüfung erfolgt durch Gitterritzprobe. e (4.1.8.) Feuchtigkeitsgehalt; dieser ist von der gesamten Dikke des Untergrundes zu ermitteln. In jedem Geschoß muß in je angefangenen 300 Quadratmeter mindestens eine Messung mit einem CM-Gerät möglichst an der feuchtesten Stelle durchgeführt werden. Diese Stelle ist mittels eines elektrischen Feuchtigkeitsmeßgerätes zu ermitteln. Über die Meßergebnisse und über die genaue Lage der Meßpunkte ist zweckmäßigerweise ein Protokoll anzulegen. Der Auftraggeber ist verpflichtet, den Auftragnehmer auf Anfrage über Art, Verlegezeit und Feuchtigkeitsbelastung des Untergrundes zu informieren. Der maximale Feuchtigkeitsgehalt darf die folgenden Grenzwerte nicht überschreiten (siehe Tabelle nächste Seite). Die ÖNorm B 2232 sagt aus, daß die überstehenden Winkelranddämmstreifen erst nach der Spachtelung abgeschnitten werden dürfen, um so Schallbrükken von in die Randfuge gelangter Spachtelmasse zu verhindern. e 4.2. Hinweispflicht: (4.2.1.) Wenn der Untergrund den Anforderungen der Abschnitte 3.2.2. bis 3.2.8. nicht entspricht, hat der Auftragnehmer vorgefundene Mängel dem Auftraggeber im Sinne der ÖNorm B 2110 schriftlich zur Kenntnis zu bringen. BeurteilungOberflächenfestigkeit Die obere Estrichrandzone weist eine zirka 2 bis 3 Millimeter dicke minderfeste Schicht auf, wie die Gitterritzprobe auf der Estrichoberfläche zeigt. Bei einer Fußbodenheizung und stuhlrollengeeigneter Konstruktion wird durch die unterschiedliche Ausdehnung der einzelnen Materialien in der Fußbodenkonstruktion und die Walkwirkung die Oberfläche des Estrichs besonders beansprucht. Daher darf bei der Gitterritzprobe keine Vertiefung und keine Ausbruchstelle vorhanden sein. In den Bereichen, in denen eine stärkere mechanische Belastung auftritt, ist mit einem Kohäsionsbruch in der oberen Estrichrandzone zu rechnen. Eine mangelhafte Festigkeit in der oberen Estrichrandzone führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Loslösen der oberen Estrichrandzone und damit auch zu einem Loslösen des Belages. Dadurch entstehen Blasen und Beulen im Belag. Als Folge kommt es zu einer Zerstörung des Belages. Entstanden ist diese mangelnde Oberflächenfestigkeit wahrscheinlich durch einen zu hohen Wasser-Zement-Faktor des Estrichmörtels. Der Estrich wurde somit zu feucht eingebaut. Für diesen wesentlichen, behebbaren Mangel der minderfesten oberen Estrichrandzone ist der Estrichhersteller verantwortlich. Feuchtigkeit Die Feuchtigkeit des Estrichs ist entsprechend den Regeln der Technik und der einschlägigen Normen zu hoch. Bei einer überhöhten Feuchtigkeit im Untergrund wirkt der Belag als Dampfbremse, dadurch kommt es unter dem Belag zu einer Kondensation von Wasser. Durch die Alkalität des Zements wird der Klebstoff verseift. Er verliert dann sein adhäsives und kohäsives Verhalten und wird schmierig ohne mehr zu kleben. Die Folge sind wieder Blasen und Beulenbildung und die nachfolgende Zerstörung des Belages. Für diesen noch vorhandenen Mangel ist weder der Estrichleger noch der Verleger verantwortlich. Der Ausheizvorgang wurde zwar dreimal durchgeführt, da die zugeführte Energie jedoch immer nur drei Stunden vorhanden ist, wurde das überschüssige Wasser noch zu wenig ausgetrieben. Dieser Umstand wurde bis dahin nicht in die Überlegungen einbezogen. Der Estrich muß vor der Verlegung ausgeheizt werden. Dabei ist so vorzugehen, daß beginnend mit Raumtemperatur, die Heiztemperatur täglich um fünf Grad gesteigert wird, bis die volle Heizleistung erreicht ist. Anschließend ist die Temperatur täglich um zehn Grad abzusenken bis die Raumtemperatur oder die Verlegetemperatur von 18 Grad erreicht ist. Das System muß in der Aufheizzeit ununterbrochen in Betrieb sein. Es ist auch auf die Estrichschichten unter den Heinzelementen bei der Austrocknung zu achten. Daher sollte der Ausheizvorgang ein zweitesmal durchgeführt werden. Um eine Austrocknung zu beschleunigen, kann die Oberfläche sofort geschliffen werden. Der Vorstrich und die Spachtelung darf erst nach dem Erreichen der maximal zulässigen Feuchtigkeit von 1,8 Masse-Prozent CM aufgebracht werden. Risse Laut ÖNorm B 2236 müssen Risse und Scheinfugen vor dem Verlegen von Bodenbelägen kraftschlüssig mit Reaktionsharz den Regeln der Technik entsprechend verschlossen werden. Für diesen wesentlichen behebbaren Mangel ist der Estrichleger verantwortlich. Randdämmstreifen Laut ÖNorm B 2232 Estricharbeiten und den Ausschreibungsbedingungen sollten Winkelranddämmstreifen erst nach der Spachtelung abgeschnitten werden. Da aber unter der Fußbodenkonstruktion keine Räume sind, sind etwaige Schallbrücken ohne Bedeutung. Für diesen Mangel ist der Estrichhersteller nicht verantwortlich. Mängelbehebung e Die weiche Schicht der oberen Estrichrandzone ist mit der Einscheibenmaschine abzuschleifen. Nach der gründlichen Entfernung des Staubes mittels Industriesauger muß mit einem Tiefengrund die obere Estrichrandzone verfestigt werden. Da der Estrich durch das Abschleifen rauh und uneben ist, muß vor der Spachtelung der Estrich mit einer zementgebundenen Nivelliermaße ausgeglichen werden. Anschließend ist grün in grün, oder mit einem Vorstrich zwischen den beiden Schichten, die notwendige Ebenheit und Glätte herzustellen. e Für die Ausheizzeit sollte die Energieversorgung auf Tagstrom umgestellt werden, so daß die Estrichplatte permanent beheizt wird. Der Ausheizvorgang sollte zweimal wiederholt werden um auch die Feuchtigkeit unter den Heizleitern zu erfassen und die geforderte Feuchtigkeit von 1,8 Prozent erreicht sind. e Die Risse müssen vor der Verlegung kraftschlüssig mit Reaktionsharzen verschlossen werden. Die Oberfläche des feuchten Reaktionsharzes ist mit Quarzsand abzustreuen. e Sind Randfugen schon vor der Spachtelung abgeschnitten, muß die Randfuge mit elastischem Material (Acryl, PU-Schaum) verschlossen werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen wurden durchgeführt und die Verlegung war ein Jahr nach der Benutzung in einwandfreiem Zustand.