Serie Vom Baum zum Boden, Teil 6 Einen guten Schnitt machen

Abhängig davon, in welcher Richtung Holz eingeschnitten ist, zeigen sich unterschiedliche Eigenschaften. Für den Holzkenner bzw. den, der es werden will, beschreibt der sechste Teil der Serie „Vom Baum zum Boden“ wichtige Zusammenhänge.Einen guten Schnitt machen Anders als bei einem homogenen Material sind Holzeigenschaften abhängig von der Schnittrichtung, Fachleute nennen dieses Phänomen Anisotropie. Drei Hauptachsen gibt es. Longitudinal bedeutet parallel zur Wuchsrichtung. Radial heißt, der Schnitt verläuft den Stammscheibenradius entlang. Ein Tangentialschnitt folgt dem Weg der Tangente gemäß dem Umfang der Stammscheibe. In Abhängigkeit von den drei Achsen weist das Holz Unterschiede bei Festigkeit, Quellmaß, Wärmeleitfähigkeit oder Durchlässigkeit für Flüssigkeiten auf. Das hat zu tun mit der Struktur der Zellwand und der Anordnung der Zellen im Holzgewebe. Für den Verarbeiter von Parkett ist in erster Linie die Auswirkung der differentiellen Quellung und Schwindung abhängig von der Richtung wichtig. Der Wert der longitudinalen Schwindung von Fasersättigung auf absolut trocken ist über alle Holzarten mit zirka 0,1 Prozent am geringsten. Er erreicht in radialer Richtung fünf, in tangentialer zehn Prozent. Theoretischer Hintergrund dieser Unterschiede: In tangentialer Richtung geben die Holzzellen Dimensionsveränderungen bisweilen in vollem Umfang an die Nachbarzelle weiter. Während bei radialer Schwindung die unterschiedlich dichte Konsistenz von Früh-/Spätholz das Schwindmaß reduziert. Dazu setzen radial ausgerichtete Markstrahlen Schwundneigungen Widerstand entgegen. Die Kettenmoleküle in der Zellwand sind in Längsrichtung nahezu parallel ausgerichtet. Dringt Wasser ein oder verlässt das Holz, ist die resultierende Quellung/Schwindung dazu senkrecht ausgerichtet, beeinflusst die Länge kaum und ermöglicht ungehindertes Nebeneinandergleiten der Zellen. Die Unterschiede zwischen radialer sowie tangentialer Schwindung sind zudem ein Maß für die Neigung eines Holzes zu Querschnittsverformungen. So ist bei Bambus Gras mit chemischen Eigenschaften von Holz sogar der Wert der radialen Quellung etwas höher als der der tangentialen. Grund sind die fehlenden, versteifend wirkenden Markstrahlen. Für den Parkettverleger ist das Quell- und Schwindverhalten in Längsrichtung zwar weniger wichtig, keineswegs aber zu vernachlässigen. Denn heutzutage geht es nicht allein um Parkett, sondern auch um raumlange Dielen mit extremen Abmessungen. Kopffugen von bisweilen mehreren Millimetern sind je nach Dimension holztechnisch zu begründen und alles andere als ein Mangel. Nicht vernachlässigbar ist übrigens die longitudinale Schwindung bei jugendlichen/juvenilen Hölzern, deren Zellstruktur noch ganz anders ausgebildet ist als in späteren Jahren. Schnell wachsende Plantagenhölzer, die nach 15 bis 25 Jahren schon genutzt werden, sind durch die bemerkenswerten Maßänderungen in Längsrichtung gekennzeichnet. Das provoziert beim Einsatz als Parkett zuweilen unerwünschte Fugenbildungen bzw. Stippnähte. Landhausdielen mit Eukalypten aus sehr früher Nutzung haben daher ihre Tücken. Mittelwerte nicht immer richtig Hat man das Fugenbild eines Parketts zu beurteilen, arbeitet man in Deutschland mit den Mittelwerten tangentialer/radialer Anschnitte man nimmt an, es falle beim Einschnitt des Parketts die ganze Bandbreite verschiedener Anschnittsrichtungen an. Doch Vorsicht: Mosaikparkett wird oft aus Rohfriesen, die insbesondere von den Seitenbrettern stammen, geschnitten. Die Folge sind vornehmlich stehende Jahrringe. Diese führen zu einer geringeren Schwindung als ein Mix beider Schnittrichtungen. Gerade manchmal sehr verschiedene technische Angaben bei den amerikanischen bzw. europäischen Holzarten sind auf unterschiedliche Einschnittgewohnheiten zurückzuführen. Das betrifft besonders Dielen aus überseeischen Märkten, die oft als nahezu rein tangential angeschnittene Bretter auf den Boden kommen. Hier lohnt ein Blick auf die spezielle Anschnittsrichtung im Fehlerbereich, ehe der Sachverständige seine Analyse formuliert. Liegen etwa zwei ausgeprägte Fladerdielen nebeneinander, wenn sachverständig das Ausmaß der Fugenbildung zwischen ihnen zu beurteilen ist, dann hilft kein Mittelwert rad/tang weiter. Je breiter die Elemente, desto entscheidender ist die Differenzierung. Wie dargelegt, ist das unterschiedliche Quellen/Schwinden je nach Richtung für den Bodenleger eine Herausforderung. Der macht sich ein solches Verhalten aber auch zu Nutze. Muster wie Fischgrät bzw. Würfel sind nicht nur optisch begründet, sondern reduzieren durch den Richtungswechsel von längs sowie quer liegenden Stabelementen die Neigung zu Dimensionsveränderungen in der gesamten Fläche maßgeblich. Im Schiffsverband liegende Böden sind in vielerlei Hinsicht sensibler als solche, bei denen die Anisotropie von Beginn an berücksichtigt ist. Eine kreuzweise Verleimung einzelner Lagen bei mehrschichtigem Parkett dämmt Quell- und Schwindverhalten des Gesamtelements deutlich ein. Die Anisotropie weitestgehend aufzuheben, ist auch eine Herausforderung der Holzwerkstoffindustrie bei der Herstellung von Span-, OSB- oder MDF-Platten. Dies wird versucht durch richtungslose Anordnung der Späne und die spezielle Schichtung, um die Materialeigenschaften entsprechend nachhaltig zu beeinflussen. Argument: Holzpflaster ist härter Ein Produktsegment, das ganz besonders von den spezifischen Eigenschaften des Holzes in der bevorzugten Richtung lebt, ist Holzpflaster. Beim Gehen beanspruchte Flächen bestehen aus dem Querschnitt des Holzes. Vorteilhaft ist die fast doppelte Härte des Holzes in Richtung parallel zur Faser. Holzpflaster wird schon deshalb in Bereichen extremster Beanspruchung eingesetzt. Selbst Mehrschichtparkettelemente dieser Oberflächenoptik weisen trotz vergleichsweise geringer Nutzschichtdicke von zirka fünf Millimeter eine enorme Lebensdauer auf, wenn die Härte Berücksichtigung findet. Problematisch sind Auswirkungen verschiedener Holzrichtungen, denn das Verleimen von Hirn- auf Längsholz, das dabei notwendig ist, unterliegt eigenen Gesetzen. Bei Holzpflaster ist zu beachten: Nicht nur eine, sondern zwei Richtungen sind bezüglich Quell-/Schwindverhaltens einer Holzpflasterfläche ausgeprägt. Aber das ist es nicht allein. Bei Feuchteeinfluss ist auch eine senkrechte Richtung der Holzfaser entscheidend, die bevorzugte Feuchteaufnahme des Holzes über die Hirnholzfläche sorgt ja bei der Belastung aus Untergrund und Raumluft für schnell entstehende Reaktionen. Grund: Die Auswirkungen der Feuchtezunahme sind nicht bloß absolut gesehen größer, sie sind außerdem noch um ein Vielfaches schneller. Holzpflasterbefürworter haben dennoch gute Gründe, für ihre Produkte im Hinblick auf die Schnittrichtung zu argumentieren. Hirnholz ist bei gleicher Dicke besser als eingeschnittene Materialien geeignet für Fußbodenheizung bei Berücksichtigung des Wärmedurchlasswiderstands. Fast ungestört wird die Wärme in Faserrichtung bei Holzpflaster aufgrund des Einschnitts durchgängig von unten nach oben durch die Zellwände geleitet. Weniger ungehindert verläuft quer dazu der Wärmetransport durch die luftgefüllten Zellhohlräume, weil vermehrt Luftschichten zu überwinden sind. Nadelholz leitet Wärme parallel zur Faser doppelt so gut wie senkrecht dazu. Ähnliches gilt für die Laubhölzer. Eichenholzpflaster könnte so aufgrund der Wärmeleitzahlen bei einer Dicke von 30 Millimeter als geeignet für Fußbodenheizung angesehen werden. Dagegen liegen die Grenzen für Stabparkett mit liegenden Jahrringen bei 22 Millimeter. Radiale Wärmeleitung ist wegen der vorhandenen Holzstrahlen zehn Prozent größer als die tangentiale, der Unterschied hat aber wegen der Gegebenheiten im Parkettbereich nur akademischen Wert. Walter Pitt walter.pitt@t-online.de