24-Stunden-Reportage Oliver Schweizer, roomy-Gewinner, Tüftler und Sportskanone - Ein Schwabe möchte hoch hinaus"> 24-Stunden-Reportage Oliver Schweizer, roomy-Gewinner, Tüftler und Sportskanone Ein Schwabe möchte hoch hinaus

Fliesenlegermeister Oliver Schweizer ist für sein selbst entwickeltes, innovatives System mit dem roomy-award ausgezeichnet worden. Der leidenschaftliche Tüftler aus der Schwäbischen Alb liebt Herausforderungen und das Gleitschirmfliegen.Ein Schwabe möchte hoch hinaus Mächtige Hügel ragen auf beiden Seiten der Landstraße empor, meterhohe graue, kantige Felsbrocken stehen Spalier und begleiten einen auf dem Weg durch die blühende, grüne Landschaft. Bad Ditzenbach in der Schwäbischen Alb ist ein Ort zum Entspannen und Abschalten. Urlaubsfeeling. Urlaub, Ferien, frei. Das hatte Oliver Schweizer in den letzten Jahren nur selten. Obwohl der Fliesenlegermeister dort wohnt, wo viele Leute gerne ihren Urlaub verbringen und sich vom Arbeitsstress erholen, gab es für ihn nur wenige Verschnaufpausen. Bei ihm ist eben alles etwas anders. Er ist anders und das sieht man auf den ersten Blick. Sein linkes Augenlid hängt nach unten – Vererbung. Die rechte Augenbraue ist zu einem Muster rasiert. Zwischen den schwarzen Haaren der Augenbraue immer wieder kahle Stellen. Stylisch. Im linken Ohr ein goldener Ohrring. Das dicke matt-silberne Armband an seinem linken Handgelenk wirkt schwer. Er trägt eine dunkelblaue Rock-Revival-Jeans mit Löchern. Schwarzer Ledergürtel, große silberne Schnalle. Cool. Genau wie sein Auftreten. Der großgewachsene Schwabe ist freundlich und selbstbewusst. Aufrechter Gang, fester Händedruck, sympathisches Lächeln. 42 Jahre alt und redselig, besonders, wenn es um seinen Beruf geht. Sein Dialekt verlangt vom Zuhörer größte Aufmerksamkeit. Er „schwäbelt“. Bei seinen Ausführungen fuchtelt er mit den Händen. Einfach authentisch. Eine preisgekrönte Innovation Ein akribischer Arbeiter ist er. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, macht er es, auch wenn seine Freizeit darunter leidet. Oliver Schweizer liebt und lebt seinen Beruf. Er ist ein Perfektionist, der nichts dem Zufall überlässt. Seine Arbeit ist seine Leidenschaft. Ein Problem, mit dem er seit vielen Jahren zu kämpfen hat, ist Feuchtigkeit im Außenbereich, die zu Schäden an Treppen, Balkonen und Terrassen führt und diese brüchig werden lässt. Deshalb hat der Tüftler bereits vor 13 Jahren begonnen, ein neuartiges System zu entwickeln, mit dem Feuchteschäden vermieden werden. Und Oliver Schweizer hat es geschafft: „Wir verzichten beim Verlegen der Fliesen auf Zement und verwenden nur Flüssigkunststoff als Bindemittel. Außerdem wird das Wasser durch das System unterflächlich abgeleitet.“ Für seine Innovation ist er in diesem Jahr mit dem roomy-award ausgezeichnet worden und hat sich dabei gegen namhafte Konkurrenz aus Europa durchgesetzt. Über diesen Preis freut sich der Schwabe sehr: „Der roomy ist eine ganz besondere Auszeichnung. Es ist schön, wenn 13 Jahre harte Arbeit auf diese Weise gewürdigt werden.“ Vor allem die Tatsache, dass sein kleiner Handwerksbetrieb sich lediglich zwei großen Unternehmen wie Mohawk und Landegger geschlagen geben musste, macht ihn stolz: „Das zeigt, dass der Meister im Handwerk einen hohen Stellenwert hat.“ Angetrieben hat ihn sein Ehrgeiz. „Mein Vater hat immer gesagt, wenn es ein Problem gibt, muss man dafür eine Lösung finden“, sagt er. Deshalb hat er so lange an seiner Entwicklung gearbeitet, bis das Problem endlich gelöst war. Mehr als nur ein Fliesenleger Da die Entwicklung parallel zu seiner täglichen Arbeit lief, waren zwölf bis 14 Arbeitsstunden am Tag keine Seltenheit. Doch Oliver Schweizer hat Spaß daran, Neues auszuprobieren, er macht es gerne, er macht es mit Herzblut. Der Fliesenleger fühlt sich längst auch als Planer und Architekt. Er gestaltet Badezimmer, plant Gärten inklusive Terrasse, Balkon und Teich. Dabei arbeitet er mit Elektrikern, Malern, Landschaftsgärtnern und Schreinern zusammen. „Ich denke, dass es wichtig ist, ein gesamtes Konzept aus einer Hand zu haben. Ich plane das Ganze und kümmere mich um die perfekte Umsetzung“, beschreibt er seine Marschroute. Es sei ihm wichtig, die Fachkompetenz dafür zu nutzen, viele neue Dinge auszuprobieren und dem Kunden etwas Besonderes zu bieten. Diese Akribie und Zielstrebigkeit zeichnen ihn aus. Ihn, der direkt über seiner Firma wohnt. Hier, mitten im Industriegebiet Gosbach, einer Eingemeinde von Bad Ditzenbach, direkt an der viel befahrenen Landstraße, hat sich Oliver Schweizer mit seiner Lebensgefährtin und deren Sohn, der auch in der Firma mitarbeitet, niedergelassen. Nicht nur beruflich, auch privat. Firma und Wohnung befinden sich in einem Gebäude. Dort wo andere nur arbeiten, lebt er. Anders eben, typisch Schweizer. Sein Haus, ein rechteckiger Kasten, Flachdach, große Glasfenster an der Frontseite. Unten das Geschäft, oben der Wohnbereich. Kein Garten, aber eine Terrasse. Keine Nachbarn, dafür Ruhe. „Es war schon immer mein Traum, so zu wohnen. Arbeit und Privatleben sind bei mir eben eng miteinander verbunden“, sagt das Oberhaupt der Patchwork-Familie. Für ihn hat diese Art zu Wohnen viele Vorteile: „Als Unternehmer habe ich einen anderen Rhythmus als viele andere Berufstätige. Wohnung und Firma in einem Gebäude, das ist einfach zweckmäßig.“ Feierabend, Fehlanzeige. Nach dem Abendessen sitzt er oft noch an seinem Schreibtisch, besser gesagt an der Theke mitten im Geschäft. Blauer Teppichboden, Intarsien aus schwarzen Steinfliesen. Die Empfangstheke ist modern gestaltet. Eine Kombination aus hellem Holz, blauer Farbe und Metallkonstruktionen, daneben grüne Palmen und Ausstellungsstücke. Die Theke ist groß und breit. Sein Arbeitsplatz direkt dahinter nicht. Einen Meter auf 80 Zentimeter misst sein Reich. Flachbildschirm, Lineal, Bleistift, schwarzer Filzstift, Textmarker, orange, gelb, grün und rot. Kleiner Arbeitsplatz, große Ideen. Hier zeichnet, plant und tüftelt er oft bis weit nach 20 Uhr. Ein Workaholic. Aber der Fliesenlegermeister hat auch die Schattenseiten dieser Lebenseinstellung kennengelernt. Arbeit hat ihn krank gemacht Sein Blick wird ernst, die Augen starr, wenn Oliver Schweizer über seine Krankheit spricht, die ihn 2008 heimgesucht hat. Diagnose: Pfeiffersches Drüsenfieber. Monatelang fühlte er sich schlapp und erschöpft, doch er hat nicht auf seinen Körper gehört, sondern weitergearbeitet, bis es nicht mehr ging. Der Akku war leer. „Man muss sich vorstellen, man gibt Vollgas auf der Autobahn und plötzlich schmeißt einer einen Anker und man landet rechts auf dem Standstreifen“, beschreibt er seine damalige körperliche und psychische Verfassung. Der coole Typ wirkt niedergeschlagen, wenn er von dieser Zeit erzählt. Die wenigen Stufen vom Geschäft hinauf zur Wohnung – eine Qual. Keine Kraft. Keine Lust. Kein Antrieb. Fast ein Jahr lang konnte er nur ein paar Stunden am Tag arbeiten. Heute hat er sein Leben umgestellt. Keine Kundentermine nach 18 Uhr, er möchte am Abend keine Verpflichtungen mehr haben. Pausen sind fest in den Tagesablauf einkalkuliert. Er nimmt sich Zeit für seine Hobbys, Zeit für den Sport. Früher war er Leistungssportler, Triathlet. Er gehörte zum Stützpunkt, einer Vorstufe des Landeskaders in Baden-Württemberg. Mit Beginn der Selbständigkeit hat er den Sport vernachlässigt, teilweise sogar komplett eingestellt. Seit einiger Zeit hält er sich wieder fit. Zugegeben, das kleine Bäuchlein, das sich unter dem Hemd hervorwölbt, deutet nicht auf einen austrainierten Sportler hin, aber Oliver Schweizer ist aktiv, er tut was für seine Fitness. Zweimal in der Woche geht er Schwimmen, mindestens drei Kilometer. Seine kräftigen Arme bestätigen das. Laufen gehört ebenfalls zum Sportprogramm, doch seine große Leidenschaft ist eine andere. Er liebt das Gleitschirmfliegen. Und wieder ist der Redefluss nicht zu unterbrechen. Er erzählt von der Freiheit, die sein Hobby mit sich bringt. Nach der Meisterprüfung 1995 hat er mit dem Gleitschirmfliegen begonnen. Es hat ihn gepackt und lässt ihn nicht mehr los. Mindestens einmal in der Woche stürzt er sich gemeinsam mit seinen Freunden in die luftigen Höhen der Schwäbischen Alb. Die Arbeit und den Stress schiebt er dann beiseite, er blendet alles aus. Kein Handy, keine Verpflichtungen, nur er und die Natur. „Dieses Gefühl der Freiheit ist einzigartig, man erlebt Dinge, die man sich nicht vorstellen kann“, sagt er und erzählt begeistert von einer Begegnung mit einem Bussard, dem er während eines Fluges tief in die Augen schauen konnte. Ein unvergessliches Erlebnis.Dominik Schubert