Der interessante Schadensfall Lautes Knacken im Dielenboden Ein Knarren kommt selten allein

Bereits zwei Monate nachdem die Dielen in der neuausgebauten Dachwohnung verlegt waren, knackte und knarrte der Fußboden, als sei er über hundert Jahre alt. Beim Darüberlaufen kam soviel Bewegung in die Konstruktion, daß es schien, die Elemente würden durchbrechen.Es läßt sich darüber streiten, ob das die eleganteste Verlegelösung ist.Ein Knarren kommt selten allein Eine Tischlerei hatte den Auftrag erhalten, im Dachgeschoß eines alten Bauernhauses einen Dielenfußboden zu verlegen. Der Kunde hatte sich für massive Kieferdielen entschieden, um den Charakter des Hauses stilvoll zu unterstreichen. Der Tischler kaufte in einer Holzhandlung technisch auf zehn Prozent heruntergetrocknete Dielen in Fixlängen von zirka 1,80 Meter, die bereits werkseitig mit einem UV-Lack versiegelt waren. 21 Millimeter dicke Dielen schienen dem Handwerker ausreichend. Zur besseren Schallisolierung wurde zwischen die Balken Steinwolle in sechs bis acht Zentimeter dicker Ausführung gelegt. Eine kluge Entscheidung, wie sich alsbald herausstellen sollte, denn so konnte der Hausherr den späteren Schaden auch in seinem darunterliegenden Ladengeschäft akustisch wahrnehmen. Die Lagerhölzer, die höhengleich und gerade waren, lagen etwa 70 bis 75 Zentimeter im lichten Abstand auseinander – also von Innenkante zu Innenkante. Das müßten die Dielen eigentlich leicht überbrükken, so dachte vermutlich der Fachmann und verlegte den Boden ohne Zwischenlage direkt auf die Balkenkonstruktion. Er ging wohl davon aus, daß massive Dielen eine hohe Tragfähigkeit haben und ordnete die Stöße jeweils mittig zwischen den Lagerhölzern an. Auf diese Weise entstand ein regelmäßiger Verband. Eine Verleimung der Kopfstöße wurde nicht vorgenommen. Zum Fixieren entschied sich der Tischler für eine verdeckte Verschraubung. Damit diese schon bei der Verlegung unsichtbar werden sollte, verschraubte er die Dielen fachgerecht im Winkel von etwa 45° mit 3,5u40 Millimeter starken Spax-Schrauben – allerdings nicht durch die Feder, sondern ganz hinten in der Nut. Ein Wandabstand wurde zumindest in der Längsrichtung der Dielen nicht vorgesehen – die longitudinale Quellung und Schwindung des Holzes ist ja vernachlässigbar. Da der Tischler wohl nicht so genau wußte, ob er die Profilleisten in der Wand oder im Fußboden befestigen sollte, entschied er sich, sie mit einem speziellen Heißkleber auf die Tapeten zu verkleben. Verunsicherter Bauherr Der Boden überstand nicht nur das Ausfegen nach der Verlegung, sondern sogar das Einräumen der Möbel. Es knarrte zwar ein bißchen, aber es wahr schließlich ein Altbau mit Charakter. Leichte Durchbiegungen unter den Möbelfüßen des Schrankes konnte der Spezialist dem etwas verunsicherten Bauherren noch als material- und konstruktionstypisch erklären. Doch schon kurze Zeit später knackte es an einer Stelle verdächtig laut. Der Hausherr hatte wahrscheinlich etwas zu vehement auf eine Diele getreten und die Nut-/Federverbindung brach. In diesem Bereich entstand nach und nach ein regelrechter Schwingfußboden, weil einige angrenzende Dielen sich ähnlich verhielten. Die Durchbiegungsmulde lag ziemlich weit außerhalb der geltenden Norm für Sportböden. Mit der Einbaufeuchte und Rücktrocknung des Holzes versuchte der Tischler die Angelegenheit zu erklären und zog auf diese Weise nicht nur den Lieferanten der Dielen mit ins Boot, sondern dieser wiederum unmittelbar den Hersteller. Eventuelle Material-Prüfpflichten vor der Verlegung waren nicht bekannt. Hausherr, Verarbeiter, Händler und Lieferant trafen sich zwar auf der Baustelle, aber es wurde keine Entscheidung getroffen. Dieses Meeting war für den Boden wohl zuviel. Laut war es allemal, an einigen Stellen waren die Dielen jetzt gerissen, viele Nut-/Federverbindungen durchgebrochen und im Bereich des Eßtisches war der Boden sogar einige Millimeter aufgewölbt. Eine Suppe stand wohlweißlich bei der Familie schon seit längerer Zeit nicht mehr auf dem Tisch, denn jede Bewegung hätte die Teller zum Überlaufen gebracht. Ein Gutachter brachte schließlich Licht ins Dunkel und stellte folgende Mängel fest: - Die gesamte Fußbodenkonstruktion bewegte sich bei Belastung erheblich. - Die Nut-/Federverbindung war in einigen Teilbereichen derart geschädigt, daß sich einzelne Dielen bis über einen Zentimeter durchbogen. - Einige Dielen waren faserparallel bis zu 50 Zentimeter vom Kopfstoß aus gerissen und gaben bei Belastung ebenfalls erheblich nach. Diese Erscheinung war an frei schwebenden Stößen festzustellen. - In den Randbereichen waren erhebliche Absenkungen des Bodens unter den Möbelfüßen erkennbar. - Ein Randabstand der Dielen zu den Wänden war nicht überall ausgebildet worden. - Die Lagerholzabstände betrugen an einer Stelle von Kante zu Kante 81 Zentimeter. - Unter den Eßzimmerstühlen war die untere Nutwange der Dielen abgerissen. Als Folge hatte sich der Boden in diesem Bereich leicht aufgewölbt. - Speziell an den frei schwebenden Kopfstößen gab der Boden in der gesamten Fläche erheblich nach. - Holzfeuchte und Luftfeuchte waren nicht ungewöhnlich. - Stichprobenartig geprüfte Dielen zeigten eine ausreichende Profilierung. Ergebnis: Der Tischler hatte zu viele Fehler gemacht, von denen jeder für sich nicht ausgereicht hätte, das Schadensbild derart katastrophal aussehen zu lassen. Dem Gutachter blieb nichts anderes übrig, als das Herausrausreißen und Neuverlegen des Bodens zu empfehlen. Diesmal wurde zusätzlich ein Blindboden eingezogen. Die Dielen wurden fachgerecht durch die Feder verschraubt, Wandabstände eingehalten und Schallbrücken vermieden.