Holzforschung Austria Die Zukunft vorhersagen

Die Holzforschung Austria entwickelte ein numerisches Simulationstool, mit welchem die durch Wärme- und Feuchteeinwirkung entstehenden Formänderungen von mehrschichtigen Bodenbelägen vorhergesagt werden sollen.Die allgemeine Tendenz zu Niedrigenergie- oder Passivhäusern sowie Fußbodenheizungen stellt für Parkettböden eine hohe Beanspruchung dar – genau wie die Verwendung in öffentlichen Gebäuden, wie Einkaufszentren oder Flughäfen. Denn gerade im privaten Bereich treten häufig Situationen mit sehr niedriger Luftfeuchtigkeit auf, aber auch die regelmäßige Reinigung mit industriellen Reinigungsmaschinen belastet Parkettböden stark. Bei sehr feuchten oder trockenen Bedingungen sowie Temperaturschwankungen spielen die Dimensionsstabilität und Verklebungsqualität von mehrschichtigen Parkettelementen eine große Rolle. Die Klimabeständigkeit von Mehrschichtparkett stand auch im Fokus des zweijährigen Cornet-Projektes „Europarquet“ mit dem Ziel, jene Parameter genauer zu untersuchen, welche die Dimensionsstabilität von Parkettdielen maßgebend beeinflussen. Zu diesem Zweck entwickelte die Holzforschung Austria ein auf der Finiten-Elemente-Methode (FE-Methode) basierendes Rechenmodell, mit welchem die Auswirkung einer gleichzeitigen Wärme- und Feuchteeinwirkung auf die Dimensionsstabilität von Mehrschichtparkettdielen untersucht werden kann. Dieses numerische Modell, umgesetzt in der kommerziellen FE-Software „Comsol Multiphysics“, soll die Vorhersage unterschiedlicher physikalischer und mechanischer Parameter ermöglichen, wie beispielsweise die Verformung der Diele, die Verteilung der Holzfeuchtigkeiten in mehrschichtigen Produkten oder die Spannungen in den einzelnen Schichten. Das soll Unternehmen bei der Produktentwicklung unterstützen, bevor Prototypen hergestellt und in zeit- und kostenintensiven Klimakammerversuchen getestet werden müssen. realitätsnahe vorhersageDie Stärke von „Comsol“ liegt dabei in der Möglichkeit, viele unterschiedliche Fragestellungen (physikalische, mechanische, chemische und elektrische Prozesse) in ein einziges Modell integrieren und somit gleichzeitig wirkende Phänomene abbilden und untersuchen zu können. Dadurch können Vorgänge realitätsnah am Computer modelliert werden. Für die Vorhersage des mechanischen Verhaltens des zu untersuchenden Bauteils unter Wärme- und Temperatureinfluss wird ein einfaches linear elastisches Verhalten aller Einzelmaterialien vorausgesetzt. Auf Basis der mittels der FE-Methode berechneten Verschiebungen werden schließlich die Spannungen in jedem Punkt berechnet. Im numerischen Simulationstool wird der zweidimensionale Wärmetransport durch das Material über das Fourier‘sche Gesetz berücksichtigt. Die Wärmestromdichte ist dabei eine Funktion der Wärmeleitfähigkeit des Materials und des Temperaturgradienten. Die Modellierung des gekoppelten Feuchte- und Wärmetransportproblems in „Cosmol“ erfolgt über die partielle Differentialgleichung für das Energie- und Feuchtegleichgewicht. Das an der Holzforschung Austria entwickelte Modell ist derzeit für den zweidimensionalen Anwendungsfall, das heißt für die Untersuchung von Querschnitten, konzipiert. Der Lufttransport durch das Material beziehungsweise durch eventuelle Zwischenräume im Bauteil bleibt beim derzeitigen Modellstatus unberücksichtigt. In den überwiegenden Anwendungsfällen des Modells ist dies eine mehr als ausreichend genaue Annäherung. Die Eingabe der Geometrie des zu untersuchenden Bauteils ist einfach und kann entweder per Hand, ähnlich wie bei CAD-Programmen, oder über das Einlesen der Geometrie aus einer Datei erfolgen. Die Vernetzung mit finiten Elementen erfolgt weitgehend automatisch durch das FE-Programm. Für die Modellierung des Materialverhaltens unter Feuchte- und Wärmeeinfluss sind mehrere unterschiedliche Parameter erforderlich, beginnend bei mechanischen Parametern, wie beispielsweise den Elastizitäts- und Schubmodulen in den Materialhauptrichtungen, über feuchte- und temperaturtechnische Parameter, wie zum Beispiel die Wärme- und Feuchteausdehnungskoeffizienten und die Wasserdampfdurchlässigkeiten, bis hin zu Übergangskoeffizienten, mit welchen die Geschwindigkeit des Wärme- und Feuchteeintrags in das Material modelliert wird. Je genauer die Modelleingangsparameter das reale Produkt abbilden, umso genauer ist auch die Vorhersage des Modells. datenbank für holzartenFür viele Holzarten (Eiche, Buche, Fichte, Ahorn) sowie für einige Holzwerkstoffe (Sperrholz, HDF) wurde im Rahmen des Projektes eine entsprechende Materialdatenbank zusammengestellt, deren Werte aus der Literatur entnommen wurden und somit für die Modellierung zur Verfügung stehen. Schließlich werden noch die Randbedingungen definiert. Diese erlauben die Vorgabe von Fixpunkten beziehungsweise von vorgegebenen Verschiebungsrichtungen und können je nach Fragestellung adaptiert werden. Für die Untersuchung des Einflusses einer Wärme- beziehungsweise Feuchteänderung auf das Bauteil wird schließlich noch eine relative Wärmeänderung (DT) beziehungsweise eine relative Änderung der Feuchte (Dj) definiert. universell einsetzbarDas an der Holzforschung Austria entwickelte Simulationstool sei universell einsetzbar und eigne sich nicht nur für die Simulation von reinen Holzprodukten. Durch das Ändern der Materialparameter können weitere poröse Materialien, wie beispielsweise Holzwerkstoffe, Ziegel, Beton oder Hybridbauteile, modelliert und untersucht werden. Einzige Voraussetzung hierfür ist, dass die für die Simulation erforderlichen feuchte- und wärmetechnischen Parameter der Materialien (zum Beispiel Flüssigkeitstransportkoeffizient, Feuchtigkeitsdiffusionskoeffizient, Feuchtigkeitsaufnahmevermögen usw.) sowie die entsprechenden Ausdehnungskoeffizienten für das zu modellierende Material bekannt sind. Die große Stärke des Programms liege in seiner Flexibilität. Da das Modell rasch adaptierbar ist, können Einflüsse des Klimas auf unterschiedliche Aufbauten oder auf wechselnde Materialien sofort untersucht werden, ohne Probenmaterial herstellen zu müssen. Ein weiterer Vorteil der numerischen Simulation liegt in der Möglichkeit, den Einfluss einzelner Parameter getrennt voneinander untersuchen zu können, ohne eine direkte gegenseitige Beeinflussung in Kauf nehmen zu müssen. So kann zum Beispiel bei der Modellierung von Mehrschichtparkett die Decklagenstärke bei gleichen Materialparametern und Klimabedingungen einfach geändert und die Auswirkungen dieser Veränderung können untersucht werden. vielfältige anwendungIm Projekt wurde das Modell mit neunwöchigen Klimakammerversuchen verglichen und eine gute Übereinstimmung gefunden, die Simulation sei daher aussagekräftig. Für das Simulationstool ergebe sich dadurch ein breites Anwendungsspektrum, von der Optimierung von Aufbauten (zum Beispiel Mehrschichtparkett oder Hybridquerschnitte) bis hin zur Untersuchung von Verbindungsmitteln (zum Beispiel Befestigung von Terrassenbelägen oder ingenieurmäßige Verbindungen).