24-Stunden-Reportage Über den Wolken mit Parkettlegermeister Bernd Landsmann Der Stehplatz am Himmel

Bernd Landsmann ist süchtig nach Wolken und Weite. Diesem Hobby geht er im ältesten Luftfahrzeug der Welt nach. Der Parkettlegermeister und -sachverständige ist passionierter Ballonfahrer - und Weltrekordhalter.Der Stehplatz am Himmel Immer wieder regnet es aus den grauen Nieselwolken, die dicht über dem Startplatz hängen. Ein leichter Wind weht, zerrt an den Spitzen der Tannen. Mit acht Knoten Windgeschwindigkeit befindet sich Bernd Landsmann am Limit des Erlaubten. Der Parkettlegermeister aus Mühlheim an der Ruhr ist heute der Einzige, der einen Aufstieg wagt. Aber er ist Routinier. Der Aufbau des Ballons geht rasend schnell. Zehn Helfer sind zusammengekommen und tun, was nötig ist: Korb aufrichten, Brenner montieren, die Nylonhülle ausbreiten, den Ventilator aufstellen und kalte Luft in die sich rundende Hülle blasen. All das braucht keine Viertelstunde. Jeder Handgriff sitzt. Landsmann lässt den Brenner dauerfeuern. Und plötzlich muss es ganz schnell gehen. Der Ballon schlingert am Boden, wird bereits vom Wind mitgezogen. Schnell in den winzigen Korb und dann passiert es: Die Helfer lassen den Rand des Korbes los. Das Ruckeln und Zerren hört plötzlich auf, die pralle Nylonhülle mit ihrer Fläche von rund 600 Quadratmeter darf endlich dem Wind nachgeben. Langsam beginnt der Aufstieg. Auch wenn der kleine Rattankorb und der gewölbte Baldachin des blau-orangenen Nylonballons nicht den Eindruck eines stabilen Beförderungsmittels machen - eine Ballonfahrt ist eine sanfte Reise. Da man im Windstrom mitgetrieben wird, ist es im Korb trotz kalter Böen völlig Windstill. Der perfekte Ort für Tagträumereien, aus denen nur gelegentlich das röhrende Schnarren des Gasbrenners weckt. Weltrekord im Dauerfahren Seit 25 Jahren fährt Landsmann nun in Ballonen rund um die Welt und ist dabei nichts Geringeres als ein echter Abenteurer. Mit einem Gasballon gelang ihm gemeinsam mit Wilhelm Eimers der dreifache Sieg im Gordon-Bennett-Cup in den Jahren 1995, 1996 und 2000. Den Weltrekord im Dauerfahren halten die beiden nach wie vor. Über 92 Stunden war er damals in der Luft. Ohne Landung, ohne Unterbrechung. Von Wiehl in der Schweiz bis St. Petersburg in Russland. 1.000 Kubikmeter Gas brachten den heute 56-Jährigen in vier Tagen 1.700 Kilometer weit. Das Ballonfahren war dabei jedoch erst Liebe auf den zweiten Blick. Ein anderes luftiges Hobby hatte es ihm zuvor angetan. 1975 sieht Landsmann das erste Mal in einer Fernsehreportage einen Drachenflug. Für ihn steht fest: „Das will ich ausprobieren“. Er gehörte zu den ersten Deutschen, die sich in den 70er Jahren an das damals noch völlig unbekannte Hobby des Drachenfliegens wagten. „Damals haben sich das nur Verrückte getraut und nach zwei schweren Unfällen im Jahr 1980 war die Sache für mich auch vorbei“, sagt Landsmann. In fünf Jahren kamen von den 30 Hobbydrachenfliegern, mit denen Landsmann angefangen hatte, zehn ums Leben. „Ich wollte mein Kind noch kennen lernen und als Unternehmer vorankommen, also gab ich den Quatsch einfach auf.“ Aber seine Passion zu Wolken und Weite blieb. „Das ist wie eine Sucht“, gesteht er. 2.500 Stunden unter dem Nylonbaldachin Inzwischen steigt Landsmann etwa 30- bis 40-mal im Jahr auf. Bereits 2.500 Stunden hat er dabei in der Luft verbracht und ist durch und durch Profi. Auch wenn der 56-jährige Parkettlegermeister von abenteuerlichen Erlebnissen zu berichten weiß, ist er kein adrenalinsüchtiger Draufgänger. Wenn er von seinen Abenteuern erzählt, wirkt er ruhig und besonnen. Er ist ehrlich mit seinen Fehlern und bescheiden mit seinen Errungenschaften. Dass er einen Weltrekord hält, lässt er nach mehreren Stunden beiläufig ins Gespräch einfließen. Unaufgeregt und sachlich. Es ist eben diese Natürlichkeit in seinen wettergegerbten Gesichtszügen, die seinen Ballonfahrgästen Respekt und Vertrauen einflöst. Eine normale Fahrt in einem Ballon dauert zirka zwei Stunden. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Heißluftballonen und Gasballonen. Während bei einem Heißluftballon durch einen Brenner erwärmte Luft benutzt wird, kommt bei einem Gasballon meist Wasserstoff zum Einsatz. Ein Gasballon kann daher sehr viel länger in der Luft bleiben und weitere Strecken zurücklegen. Das Hobby des Ballonfahrens ist nicht sonderlich kostspielig. In einem Verein lässt sich der notwendige Schein bereits für einen Mitgliedsbeitrag von rund 30 Euro im Monat erwerben. „Wir stellen den Ballon und der Schüler muss nur das Gas zahlen“, erklärt Landsmann. Der Verein finanziert sich größtenteils über Gästefahrten. Wer selbst einen Heißluftballon besitzen will, muss dabei tiefer in die Tasche greifen. Rund 50.000 Euro kostet die Investition in das luftige Hobby. Nach rund 300 Fahrten muss eine neue Hülle angeschafft werden. Der Ballonclub Mühlheim an der Ruhr, in dem auch Landsmann Mitglied ist, ist eine bunt durchmischte Truppe, kein elitärer Club. Vom Zahnarzt bis zum Fabrikarbeiter, vom Rentner bis zum Schüler ist hier jeder willkommen. „Der Menschheitstraum vom Fliegen verbindet uns alle“, weiß Landsmann. Bunte Glühwürmchen aus Propangas Beim 14. Kevelaer Heißluft-Ballon-Festival trifft Landsmann auf noch mehr Gleichgesinnte. Das Festival findet in jedem Jahr statt. Etliche farbenprächtige Ballone reihen sich im Hülsparkstadion ein und bieten ein besonderes Spektakel: das „Nachtglühen“. Obwohl eine Landung nie bei Nacht durchgeführt werden sollte, verbreitet ein angeheizter Heißluftballon in der Dunkelheit einen ganz besonderen Charme. Wird die Nylonhülle in der Dunkelheit mit dem Brenner befeuert, leuchtet sie für einen Moment in angenehmen goldenen Strahlen. Wie riesige Glühwürmchen verbreiten sie dann ihr Licht. Landsmann gibt sein Wissen auch beständig an den Ballonfahrer-Nachwuchs weiter. „Ich habe in den letzten 15 Jahren zwölf Piloten ausgebildet“, erklärt er. Zehn Frauen und zwei Männer. Eine recht ungewöhnliche Quote in einem eher männerdominierten Hobby. „Ich habe halt lieber leichte Mädchen im Korb, statt schwere Jungs.“ Jennifer Zimmermann