Unternehmerporträt Markus Schoeller, geschäftsführender Gesellschafter von Anker Teppichboden - Der Familienmensch"> Unternehmerporträt Markus Schoeller, geschäftsführender Gesellschafter von Anker Teppichboden Der Familienmensch

Anker Teppichboden feiert in diesem Jahr seinen 160. Geburtstag. Das Dürener Unternehmen wird inzwischen in der sechsten Generation von Markus Schoeller geführt. Begegnung mit einer Unternehmerpersönlichkeit zwischen Tradition und Moderne.

Kopf der Ankerfamilie: Markus Schoeller. - © Bilder: Heinze

Der Vatermörderkragen reicht modisch korrekt über das Kinn, der Gehrock ist aus feinstem Tuch, heroisch die Frisur, selbstbewusst-distinguiert der Blick. Das Ölgemälde des Firmengründers Leopold Schoeller im ersten Stock des herrschaftlichen Anker-Verwaltungsgebäudes in Düren drängt die Frage geradezu auf: Ist es manchmal eine Bürde, in der sechsten Generation als Geschäftsführer das Erbe zu verwalten? Im Gegenteil, der Job mache ihm immer noch richtig Spaß, sagt Markus Schoeller, aber natürlich möchte man nicht die Generation sein, die alles verliert.

Danach sieht es momentan ganz und gar nicht aus. Anker gehört im weiter rückläufigen Markt für textile Bodenbeläge zu den wenigen Gewinnern. 2013 erwirtschaftete das Unternehmen bei einem Umsatz von 53 Millionen Euro nach Rückgängen im Vorjahr wieder ein Plus. Für 2014 erwartet Schoeller erneut Umsatzzuwächse. Große Sprünge im Ergebnis könne man dabei allerdings nicht erwarten. Es sei ein hartes Brot, in Deutschland Textil zu produzieren.

Am Ende der Ahnengalerie angekommen, lenkt der Firmenchef den Blick auf eine freie Wand. „Da werde ich wohl mal hängen“, sagt Schoeller trocken-humorig seine Rolle in der Familiendynastie herunterspielend. Er trägt dabei ein schlichtes Kurzarmhemd zur Jeans. Das lässige Outfit signalisiert sympathisch Bodenständigkeit.

Die wiederum ist nicht selbstverständlich für einen, der in bürgerlicher Kaufmannstradition aufgewachsen ist, der geprägt ist  vom Ideal eines patriarchalischen Unternehmertums. „Bis zum Alter von sechs Jahren waren wir gar nicht am Tisch zugelassen. Wir mussten mit dem Kindermädchen speisen“, erinnert sich Schoeller. Und daran, wie er später am Familientisch mit angewinkelten Armen Messer und Gabel zum Mund führen mussten. „Wir bekamen ein Buch unter die Achseln geklemmt und wenn’s runterfiel, gab’s einen Groschen Abzug vom Taschengeld.“ Die Tischgespräche drehten sich um die Firma, wohin die Kinder den Vater  am Wochenende regelmäßig begleiteten.

Als Kind Chef gespielt

Schoeller erzählt, wie er zusammen mit seinen beiden Brüdern  Aurel und Dominik am väterlichen Schreibtisch Chef gespielt hat. „Ich war der Chef, meine Brüder mussten parieren“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Mit 17 war mir klar, dass ich meinem Vater nachfolgen will. Allerdings weniger als Kaufmann, sondern eher als Techniker.“

Den Techniker hat Schoeller im Blut. Er habe schon von Jugend an leidenschaftlich gern an Autos herumgeschraubt, gibt er zu und räumt ein, dass er kein guter Verkäufer wäre. „Als Verkäufer muss man immer auch mal eine Faust in der Tasche machen. Das fällt mir schwer.“ Nach dem Studium des Textilingenieurwesen in Reutlingen und Wirtschaftsingenieurwesen in Mönchengladbach sammelte Markus Schoeller in der Druckerei Maltzahn in Nottuln erste berufliche Erfahrungen. 1993, mit 32 dann der Einstieg bei Anker als Leiter der gerade im Aufbau befindlichen Druckerei. Über die Entwicklungsabteilung zog es Schoeller schließlich in die Produktion, die er 1997 als Prokurist übernahm. Im Jahr 2000 folgte die Geschäftsführung, die er sich heute als geschäftsführender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung mit Gerd Hoffe (Technik, Entwicklung, Marketing) und Erwin Landherr (Vertrieb, Verwaltung, Finanzen) teilt. Die ersten Jahre als Geschäftsführer gerieten für Schoeller durchaus turbulent.  Nach zwölf Jahren wirtschaftlichen Erfolgs markiert das Jahr 2001  mit 103 Millionen Euro das bis dato beste Unternehmensergebnis. Nur zwei Jahre später dann der Einschnitt. 2003 wurde zu einem der schlechtesten Jahre der Firmengeschichte. Dazwischen lagen Euroeinführung, die Terroranschläge des 11. September und eine im Zuge weltweiter Verunsicherung plötzliche Investitionszurückhaltung auch bei Banken und Versicherungen, beide klassische Anker-Klientel. Die Krise bedeutete für Anker eine schmerzhafte Zäsur. Dass Unternehmen musste sich von Mitarbeitern trennen.

Um zu verstehen, wie gravierend diese Maßnahmen waren, lohnt ein Blick in die Anker-Historie. Lange Zeit galt: Wer bei Anker eine Lehre macht, geht auch hier in Pension. Noch  heute feiern die meisten Mitarbeiter das 25-jährige, viele das 40-jährige und einige das 50-jährige Betriebsjubiläum. „Man kommt leichter zu Anker rein als wieder raus“, das sind in Düren geflügelte Worte. Dass unter seiner Führung im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen seit 2001 dennoch rund 280 Stellen weggefallen sind, nagt bis heute an Markus Schoeller. Er selbst kenne die meisten Mitarbeiterfamilien persönlich. „Da fällt es schwer, da das Ganze im Auge zu behalten und Einzelschicksale hintanzustellen.“ Die Mitarbeiter, lässt Schoeller keinen Zweifel, sind das Herz des Unternehmens.

Auch Merkel steht drauf

Anfang des neuen Jahrtausends war das Teppichbodengeschäft auch für Anker auf einmal kein Selbstläufer mehr. „Bis dahin waren wir erfolgsverwöhnt, wir haben den Teppichboden verteilt“, erinnert sich Schoeller. Das habe bisweilen vielleicht auch arrogant gemacht. Die Deutsche Nationalgalerie, das ICC und der Reichstag in Berlin, die Büros der Bundestagsabgeordneten und heute natürlich das Büro von Bundeskanzlerin Angela Merkel, alles Anker-Objekte. Dazu als weitere Referenzen namhafte Banken, Versicherungen, Kliniken, Hotels und Konzernzentralen.

Anker, das war und ist – vor allem in Architektenkreisen – bis heute Perlon Rips. 1959 wurde der Webteppich aus Streichgarn im Markt eingeführt. Bis heute wurden mehr als 25 Millionen Quadratmeter Perlon Rips installiert. „Ein unkaputtbarer Teppichboden, der nahezu von selbst lief und lange Zeit kaum Marketing erforderte“, erinnert sich Schoeller. Perlon Rips hat Anker geprägt, was Qualität und Eigenständigkeit anbelangt. Wenn Einfachheit und Ehrlichkeit Merkmale eines Klassikers sind, dann trifft dies auf Perlon Rips zu einhundert Prozent zu. Was wiederum nicht heißt, Perlon Rips ließe sich einfach nachstellen. Der Pfiff sagt Schoeller, liegt in der Herstellungsart des Garnes.  Richtig geheim sind die Farbrezepturen. So ergibt sich beispielsweise die erfolgreichste Farbe 76729, ein warmes Grau, indem einzelne Fasern unterschiedlicher Farbtöne gemischt werden. Erst im Auge des Betrachters entsteht somit der eigentliche Farbton. „Wir mischen die Farben, wie ein Maler sein Bild komponiert“, sagt Schoeller. Sein jüngster Coup: Der Erwerb der exklusiven Rechte für die Farbklaviatur von Le Corbusier für textile Bodenbeläge, sichtbar in der Kollektion Perlon Rips LCS.

Auf dem Weg zum „White Room“, wo Anker seinen Besuchern die gesamte Kollektionsvielfalt präsentiert, erlebt man Markus Schoeller bei Begegnungen mit Mitarbeitern als Chef zum Anfassen. „Ich bin der soziale Pol im Unternehmen. Meine Tür steht für jeden Mitarbeiter immer offen.“ Man spürt dabei, dass dies nicht bloß dahingesagt ist. Hier kommt der Wille zum Ausdruck, die lange Tradition der Verantwortung gegenüber Mitarbeiter und Gesellschaft auch in der sechsten Generation fortzuführen. Bereits der Firmengründer Leopold Schoeller engagierte sich sozial und richtete neben einer Krankenkasse früh eine Invaliden- und Wöchnerinnenstiftung ein. Philipp Schoeller, der die Teppichfabrik 1867 übernahm und zu einem großen Industriebetrieb ausbaute, engagierte sich ebenso für Menschen in Notlagen wie seine Frau Anna Schoeller, die ein Blindenheim gründete.

Bekenntnis zur Region

Vor allem die Region steht bis heute im Zentrum des sozialen Engagements. „Düren ist ein kleines Kaff, jeder kennt jeden. Wenn es eine Stelle zu besetzen gilt, ziehen wir bei gleicher Befähigung Mitarbeiterkinder vor, sagt Schoeller. Patriarchat und modernes Unternehmertum  müssen sich nicht ausschließen.

Und seine eigenen Kinder, sollen die einmal in die Fußstapfen des Vaters treten? Markus Schoeller überlegt lange, bevor er antwortet. Natürlich stünde der
Familiensinn an erster Stelle, „aber Kinder müssen nicht aus einem Traditionsgedanken heraus die Nachfolge antreten“. Vielleicht sei es ja nicht unbedingt die beste Wahl, heute in Deutschland in die Textilindustrie  gehen. Im Falle von Anker darf man allerdings die Frage stellen: Warum nicht? Die Dürener sind in der Nische „klassisches Objekt“ in Deutschland Marktführer. Bei der Ausstattung von Flugzeugen mit Teppichböden reklamiert man weltweit mindestens Platz drei. Derartige Erfolge teilt Markus Schoeller gerne im Kreis seiner Familie. Der Ankerfamilie wohlgemerkt. Einmal im Jahr beim großen Familienfest auf dem Firmengelände: „Da wird greifbar, was Anker ausmacht.“