Leitfaden Beurteilung, Bewertung, Belegung von Untergründen Der Bodenprofi als Sherlock Holmes

Trotz Verspätungen bei Vorgewerken müssen Parkett- und Bodenleger meist ihrerseits innerhalb des vereinbarten Zeitfensters fertig werden. Deshalb sollte man sich bei den vorhandenen Untergründen vor unliebsamen Überraschungen in Acht nehmen.Der Bodenprofi als Sherlock Holmes Auf den ersten Blick schien alles klar. Der frische Zementestrich war schwimmend verlegt – so stand es in der Ausschreibung. Für Stirnrunzeln sorgte nach Wochen der Estrichleger mit der Aussage, er habe keinen „normalen“ Zementestrich eingebaut. Deshalb seien bei der Verlegung des Oberbelags diverse Besonderheiten zu beachten. Die Konsequenz der späten Information: Zusatzkosten und eine Verlängerung der Bauzeit. „Bauherrn, Architekten und Bauleiter kommen der Hinweis- und Informationspflicht gegenüber Parkett- oder Bodenleger oft nicht nach und versäumen es, ihn darüber zu unterrichten, welcher Estrich eingebaut wurde“, sagt Wolfram Steinhäuser. Der Thomsit-Experte warnt deshalb vor einer Restunsicherheit, die mit jedem Auftrag verbunden sei. Wie lässt sich für den Handwerker der Untergrund bestimmen? Nachfragen: Viel gewonnen bei der Beurteilung neu eingebrachter Untergründe ist prinzipiell durch eine Nachfrage beim Auftraggeber, Architekten, Bauleiter oder Estrichleger. Um später Diskussionen zu vermeiden, sollte die Antwort schriftlich festgehalten werden. Auf Basis der Information greifen die Technischen Merkblätter und weiteres Infomaterial des Estrichherstellers. Dazu zwei Anmerkungen: ◊Speziell im Zusammenhang mit Schnellestrichen sind im Zuge der Feuchtemessung mit CM-Gerät Unterschiede zwischen Herstellerangaben unbedingt zu beachten. Das Merkblatt 8 der TKB („Beurteilen und Vorbereiten von Untergründen für Bodenbelag- und Parkettarbeiten“, Stand Juni 2004) hilft weiter. ◊Bestimmte Schnellestriche müssen spätestens eine Woche nach Einbau mit dem Oberbelag belegt sein, um Rückfeuchtung zu vermeiden. Andernfalls lehnen manche Estrichhersteller die Gewährleistung ab. Hier nachzuhaken lohnt sich auch auf die Gefahr hin, dem Auftraggeber vermeintlich auf die Nerven zu gehen. Immerhin könnte dies zur Schadensvermeidung beitragen. Zum Erkennen und Bestimmen von Altuntergründen wird eine Unterstützung des Parkett- und Bodenlegers durch die Fachberater der Verlegewerkstoffhersteller vorausgesetzt. Diese Hilfestellung stößt an ihre Grenzen bei der Beurteilung von Tragfähigkeit und Festigkeit. Zur DIN 18365 Bodenbelagarbeiten, 4.2.4 Beseitigen alter Beläge und Klebstoffschichten, sagt der Kommentar des Arbeitskreises Bodenbeläge im BEB: Durch Wechselwirkungen zwischen Altuntergrund und Neuaufbau kann es zu Haftungsproblemen zwischen den aufzubringenden Materialien und sehr unangenehmen Geruchsbelästigungen kommen. Für die korrekte Bewertung des Altuntergrunds muss daher bauseits eine Dokumentation der vorliegenden Schichten vorgelegt sowie eine umfangreiche Analyse veranlasst werden. Dafür hat der Auftraggeber Sorge zu tragen. Bei geplanter Nutzungsänderung ist die Tragfähigkeit des zu belegenden Untergrunds vom Planer/Auftraggeber neu zu bewerten. Nur 100 Gramm bringen Klarheit Spezielle Estrichanalysen: Schnelle, zuverlässige Aussagen erlauben laborspezifische Analyseverfahren. Um zu klären, welche Estrichart vorliegt, reicht meist eine Probe von etwa 100 Gramm Gewicht aus. Allerdings ist diese Prüfung teuer und kann nicht von jedem Institut vorgenommen werden. In den meisten Fällen ist ein solches Verfahren nicht notwendig. Es kommt zum Einsatz, wenn alle anderen Verfahren kein Ergebnis gebracht haben. Optische Beurteilung: Erfahrung und fachspezifisches Know-how sind die Basis zuverlässiger optischer Bewertung. Auch hierzu sollte aus dem Untergrund ein ausreichend großes Probenstück über die gesamte Dicke herausgestemmt werden. Dabei lässt sich „gefühlsmäßig“ ermitteln, wie „fest“ der Untergrund tatsächlich noch sein könnte. Dagegen eignet sich die optische Beurteilung nicht für die Beurteilung, ob die Tragfähigkeit den Anforderungen an die spätere Nutzung genügt. Hinweise erhält der erfahrene Profi durch: ◊die Farbe, ◊Gefüge, Körnung, Textur (Kornverteilung), ◊das Fugenbild, ◊das Oberflächenbild, ◊Porosität und Saugfähigkeit, ◊diverse Besonderheiten des Estrichs (siehe zu den verschiedenen Untergrundarten die in diesem Beitrag enthaltenen Kästen). Auszüge und Hinweise aus Regelwerken und Merkblättern: Wie sich der Auftragnehmer im Hinblick auf die Untergrundvorbereitung zu verhalten hat, geben die folgenden Auszüge/Hinweise aus Regelwerken und Merkblättern vor: § 642 1 BGB: Der Auftraggeber (Bauherr) hat den Untergrund dem Auftragnehmer (Boden/Parkettleger) in der Weise zur Verfügung zu stellen, dass der seine Werkleistung mangelfrei erbringen kann. Der Auftragnehmer muss den Untergrund nicht darauf überprüfen, ob alle bauphysikalischen Richtwerte bezüglich Wärme-/Schalldämmung sowie Abdichtung gegen aufsteigende Feuchtigkeit aus Betondecken/-bodenplatten sowie erdreichberührten Fußbodenkonstruktionen erfüllt sind. DIN 18560 Teil 1 neu (04/2004) Punkt 5 Allgemeine Anforderungen 5.1. Allgemeines: Ein Estrich muss in jeder Schicht hinsichtlich Dicke, Rohdichte und mechanischen Eigenschaften möglichst gleichmäßig verarbeitet sein und eine ebene Oberfläche (Ebenheitstoleranzen gemäß DIN 18202) aufweisen, die eine für den jeweiligen Verwendungszweck ausreichende Festigkeit besitzt. DIN 18356 Parkettarbeiten und DIN 18365 Bodenbelagarbeiten: Alte ebenso wie neue Untergründe müssen vor der Ausführung der Bodenbelagarbeiten eben, dauertrocken, sauber, rissfrei, frei von Trennmitteln und zug-/druckfest sein. Der Auftragnehmer für Parkett- und Bodenbelagarbeiten hat mit Sorgfalt sowie unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln des Fachs/des Stands der Technik den Untergrund hinsichtlich Belegreife zu überprüfen. Bedenken hat er vor allem geltend zu machen bei: ◊größeren Unebenheiten, ◊Rissen im Untergrund, ◊zu feuchtem Untergrund (der Feuchtegehalt ist auch bei Altuntergründen zu prüfen), ◊mangelhaft fester, zu poröser und zu rauer Oberfläche des Untergrunds, ◊verunreinigter Oberfläche des Untergrunds (durch Öl, Wachs, Lacke, Farbreste), ◊falscher Höhenlage der Untergrundoberfläche im Verhältnis zur Höhe sich anschließender Bauteile, ◊ungeeigneter Temperatur des Untergrunds, ◊ungeeignetem Raumklima, ◊Ausbildung/Anordnung von Fugen – der Bauherr/Planer hat vorzugeben, welche Fugen im Untergrund zu verharzen und welche Fugen als Bewegungsfugen auszubilden sind; Bewegungsfugen müssen genau auf den Verwendungszweck bezüglich Lage, Breite, Verfüllung und Ausbildung in den Oberbelag abgestimmt und geplant werden, ◊fehlendem Überstand des Randdämmstreifens, ◊fehlendem Aufheizprotokoll bei beheizten Fußbodenkonstruktionen, ◊fehlender Markierung von Messstellen bei beheizten Fußbodenkonstruktionen (die letzten beiden Punkte entfallen bei alten Heizestrichen in der Regel). Erläuterungen DIN 18365, Kommentar DIN 18356, 18367, 18299: Alle belegreifen Untergründe haben hinsichtlich Festigkeit/Tragfähigkeit einschlägigen DIN-Bestimmungen zu genügen. Daher darf der Auftragnehmer prinzipiell voraussetzen, dass der Untergrund alle Anforderungen an Festigkeit/Belastbarkeit erfüllt. Zu den handwerksüblichen Prüfungen gehören für den Parkett-/Bodenleger – sofern mit dem Bauherrn/Auftraggeber/Architekt nicht anders vereinbart – keine Prüfungen auf Druck- und Biegezugfestigkeit sowie Haftzugprüfungen. Er muss diese auch nicht koordinieren. Sind solche Prüfungen für das Gelingen des Bauvorhabens tatsächlich notwendig, ist es Sache von Bauherr, Auftraggeber oder Architekt, entsprechende Leistungen bei dafür autorisierten Einrichtungen oder einem geeigneten Sachverständigen in Auftrag zu geben. DIN 1055 und DIN 18560 Teil 2: Somit können Bodenleger und Parkettleger nicht bewerten, ob der Untergrund hinsichtlich seiner Festigkeits-/Härteklasse den Nutzungsanforderungen entspricht – für Wohn- und Aufenthaltsräume so wenig wie für Büro- und Arbeitsflächen, Flure, Verkaufsräume, Arztpraxen, Fabriken, Werkstätten, Lagerräume. Keine Haftung beim Bodenleger Gehalten sind Parkett-/Bodenleger angesichts Prüf- und Hinweispflicht, die Oberflächenfestigkeit der Untergründe daraufhin zu prüfen und zu beurteilen, ob die vorgesehenen Verlegewerkstoffe eine feste Verbindung mit dem Untergrund eingehen werden oder nicht. Die Estrichkonstruktion (Lastverteilungsschicht) wird durch Untergrundvorbereitung und die eingesetzten Verlegewerkstoffe nach bestem Wissen und Gewissen belegreif hergestellt – für Bruchzonen unterhalb der von ihm eingesetzten Verlegewerkstoffe kann und braucht der Parkett- und Bodenleger daher keine Haftung zu übernehmen. Fazit: Lösungsvorschläge zum Erkennen und Bestimmen von Untergründen resultieren aus jahrzehntelanger Beratungspraxis, aber erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bekanntlich hat jede Baustelle ihre eigene Problemstellung, jeder neue und jeder zu sanierende Untergrund seinen besonderen Charakter, den es vom Fachmann vor Ort zu erkennen gilt. Bei aufkommenden Zweifeln im Beurteilen des Untergrunds sollte der beauftragte Parkett-/Bodenleger sich unbedingt Rat bei einem erfahrenen Fachberater oder Sachverständigen holen. Fehler lassen sich hier nur selten korrigieren. Beim Sanieren gibt es kaum eine Baustelle, die nicht risikobehaftet ist. Und bekanntlich ist Sanieren, Renovieren, Modernisieren ja in der Baubranche das Thema der Stunde. Allerdings lässt sich dieses Risiko durch Beratungskompetenz, Erfahrungen aus der Baupraxis sowie die Wahl geeigneter Produkte und Systeme der Verlegewerkstoff-Hersteller minimieren. Es auf eigene Faust zu riskieren, ist nicht angeraten. Wolfram Steinhäuser, Thomsit-Experte