bwd -Diskussion Die geforderte bauaufsichtliche Zulassung für Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe und die Folgen für das Handwerk Dem Spuk ein Ende bereiten

Kriminell gefährlich. Zwingt die geforderte bauaufsichtliche Zulassung für Verlegewerkstoffe und Bodenbeläge den Handwerker zu illegalen Handlungen? bwd diskutierte darüber anlässlich der Messe EPF in Feuchtwangen.

Diskutierten auf der EPF (v.l.n.r.): Joachim Barth, Norbert Strehle, Dr. Roland Augustin, Stefan Heinze, Dr. Falko Wepner, Dr. Frank Gahlmann. - © Göpel

Dem Spuk ein Ende bereiten

Bei Bauprodukten, für die es nach der Bauproduktenrichtlinie (Richtlinie 89/106/EWG vom 21.12.1988) europäisch harmonisierte Normen gibt, fordert das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) zusätzlich zu der europarechtlich vorgegebenen CE-Kennzeichnung eine nationale Zulassung, in der Regel eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, die vom DIBt erteilt und vom Hersteller oder Importeur durch das Ü-Zeichen dokumentiert wird.

Nach Auffassung des DIBt dürfen Bauprodukte ohne diese nationale Zulassung in Deutschland nicht eingebaut/verbaut werden. Wenn von zusätzlichen Kriterien im Ü-Zeichen die Rede ist, ist vordergründig die Einhaltung der AgBB-Grundsätze im Rahmen von VOC-Prüfungen gemeint. Ein weiterer Aspekt: Die derzeitigen europäischen Normen haben den Bereich Gesundheits- und Verbraucherschutz weitgehend ausgeklammert. Damit ist aber jeder nationalen Regierung in Europa die Möglichkeit gegeben, hier ein entsprechendes Sicherheitsniveau einzuführen. Diese Einführung ist zudem nur möglich, wenn die europäische Kommission nach Notifizierung diesem Vorgehen zustimmt. Dies ist vonseiten des DIBt für den Bereich Bodenbeläge (EN 14041) erfolgt.

Straftat riskieren

Für Parkett und Holzfußböden, Parkettklebstoffe und Parkettlacke gilt die Vorschrift der bauaufsichtlichen Zulassung seit dem 1.1.2011. Für die übrigen Verlegewerkstoffe soll die bauaufsichtliche Zulassung mit Wirkung zum 1.1.2012 greifen. Handwerker, die nach diesem Termin nicht bauaufsichtlich zugelassene Produkte verarbeiten, begehen eine Ordnungswidrigkeit, im Wiederholungsfall eine Straftat.

Schon früh kam aus den Reihen des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik daher der Vorwurf, Handwerker würden unfreiwillig kriminalisiert. Unfreiwillig deshalb, weil zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung beispielsweise für Parkett am 1. Januar 2011 nicht alle am Markt befindlichen Produkte die notwendige Zulassung hatten oder wie jetzt bei den übrigenVerlegewerkstoffen befürchtet, zum 1.1.2012 haben werden.

Warum angesichts vorhandener Kennzeichen und Prüfverfahren - neben dem besagten CE-Kennzeichen gibt es den Blauen Engel oder im Klebstoffbereich längst das etablierte EC1-Label - mit dem Ü-Zeichen überhaupt noch eine weitere Kennzeichnung notwendig ist, ist für viele in der Branche nicht nachvollziehbar.

Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) argumentiert mit dem Verbraucherschutz. Im Visier hat die Behörde flüchtige organische Verbindungen, sogenannte VOC, die nicht zuletzt im Zusammenhang mit Geruchsbelästigung immer wieder für Schlagzeilen sorgen.

„Der Grundansatz der ganzen Geschichte ist das Thema Verbraucherschutz“, sagt Dr. Falko Wepner, Leiter technische Produktentwicklung beim Rosenheimer Parketthersteller Hamberger. Hamberger war der erste Parketthersteller, der für seine Produktrange das Ü-Zeichen erwarb. „Die Anforderungen kommen aus der Gesellschaft, das DIBt bemüht sich lediglich, diese Anforderungen umzusetzen“, begründet Wepner die Vorreiterrolle der Rosenheimer.

Besteht in puncto Verbraucherschutz wirklich Handlungsbedarf? Sind die vorhandenen Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe plötzlich durch die Bank gesundheitsschädlich? „Durch die bauaufsichtliche Zulassung von Parketten, Parkettklebstoffen, Parkettoberflächenbehandlungsmitteln und Bodenbelagklebstoffen, deren Kernelement Emissionsprüfungen sind, wird das Schutzniveau für den Verbraucher und die Umwelt nicht erhöht. Die diesbezüglichen Standards sind durch den Emicode längst gesetzt und im Markt fest verankert“, sagt Dr. Frank Gahlmann, Vorsitzender der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) und Geschäftsführer beim Parkettklebstoffspezialisten Stauf. Norbert Strehle, Leiter des Institutes für Fußbodentechnik in Koblenz und von Beginn an Mitglied einer vom DIBt initiierten Projektgruppe zum Thema bauaufsichtliche Zulassung, kann ebenfalls nur den Kopf schütteln. „Durch die verpflichtende bauaufsichtliche Zulassung von Bodenbelägen, Parkett und Verlegewerkstoffen gibt es keine veränderten oder neuen Produkte. Die Produkte sind die gleichen wie bisher - nur teuerer!“

Da fragt man sich spätestens, was der ganze Aufwand soll. Zumal das DIBt die Zulassungspflicht lediglich für Neubauten fordert. Der gesamte Renovierungsbereich, auf den schließlich der Löwenanteil an Parkett- und Bodenbelagsarbeiten fällt, sei, so Barth, nach bisher nur mündlicher und trotz Aufforderung nie schriftlich bestätigter Aussage des DIBt von der Reglegung nicht betroffen.

Gnadenlos verurteilen

„Entweder wir schaffen einen Verbraucherschutz oder wir schaffen keinen“, sagt der Bundesinnungsmeister im Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik, Joachim Barth. „Das ist alles inkonsequent. Kein Richter würde dem Ausschluss des Renovierungsbereich von Verbraucherschutzregelungen folgen und den Handwerker gnadenlos verurteilen!“. In der Tat mutet Vieles willkürlich und zum Teil wenig zu Ende gedacht an. Denn auch produktbezogen gibt es so manche Schlupflöcher. „Was ist mit Holzpflaster“, fragt Strehle, das taucht im Zusammenhang mit der bauaufsichtlichen Zulassung gar nicht auf. Oder Bambusparkett. Hier greift die Zulassung, die offiziell nur für Holz gilt, nicht, weil Bambus botanisch betrachtet Gras ist.

Fragen über Fragen tun sich vor allem in der Baustellenpraxis auf. Gilt nicht beispielsweise das Abschleifen und Versiegeln eines heute eingebauten Parketts in vier Wochen als Renovierung im Bestand? Oder wie muss man die VOC-Problematik bewerten, wenn stark saugendes Parkett den dreifachen Lackauftrag notwendig macht. Führt hier nicht die Verwendung eines bauaufsichtlich zugelassenen Siegels zu einer höheren VOC-Konzentration? „Soll ich dem Kunden dann sagen, dass er vielleicht erst in 28 Tagen einen Fußboden vorfindet, die der Kriterien des Ü-Zeichens erfüllt“, fragt Barth.

Dr. Roland Augustin vom führenden Prüfinstitut Eurofins rät Handwerkern, den Kunden darüber zu informieren, wenn aus technischen Gründen Änderungen, beispielsweise ein vermehrter Lackauftrag, notwendig sind. „Dass man damit aus dem Rahmen der bauaufsichtlichen Zulassung fällt, sehe ich nicht.“

Den Vogel abgeschossen hatte das DIBt, als es vor Kurzem angeblich irrtümlich einem lösemittelhaltigen Produkt die bauaufsichtliche Zulassung erteilte. „Das DIBt verstieß hier gegen die Arbeitsschutzbestimmungen und gegen die Gefahrenstoffverordnung“, sagt Barth. Auf diese Weise hebelt das DIBt die Berufsgenossenschaft aus. „Dieser Spuk muss schnell vorbei sein.“

Keine Frage, derartige Vorkommnisse sind nicht dazu geeignet, die Wogen vor allem auf Handwerkerseite zu glätten. Dass sich beim Verarbeiter Wut aufgestaut hat, ist ohnehin nachvollziehbar.

Im Zusammenhang mit der bauaufsichtlichen Zulassung musste das Handwerk gleich zwei Schlappen einstecken. Zum einen hätte es bei einer Regelung gerne den Arbeitsschutz mitberücksichtigt gehabt. Das wurde in Berlin abgelehnt. Entscheidend aber ist: Während sich der Handwerker von der bauaufsichtlichen Zulassung gerade im Hinblick auf die unsichere Rechtslage bei der Reklamation von Geruchsbelästigungen Sicherheit erhofft hatte, bedeutet die neue Regelung für ihn nach Ansicht von Barth genau das Gegenteil. „Das Risiko, in Haftung genommen zu werden, ist durch die bauaufsichtliche Zulassung erst entstanden“, sagt Barth. Der Vertragspartner des Auftraggebers bleibe immer der Handwerker, nicht die Industrie und schon gar nicht die Prüfinstitute. Barth: „Deswegen ist der Handwerker kriminell gefährdet.“

Wer zahlt die Zeche?

„Für den Handwerker ist außer Mehrkosten nicht mehr herausgesprungen“, bilanziert auch Gahlmann. Apropos Kosten. Strehle: „Durch die umfangreichen Prüfmaßnahmen sowie das Zulassungsprozedere sind erhebliche Kosten entstanden und werden auch weiterhin immer wieder entstehen, die zu einem volkswirtschaftlichen Schaden führen. Hätte man die Verbraucher, die man mit der Zulassung schützen will, vorher gefragt, ob sie angesichts der geringen, nach meiner Auffassung nicht vorhandenen Vorteile bereit sind, diese volkswirtschaftliche Kostenlast zu tragen, hätten sich die Verbraucher dahingehend entschieden, dass man eine bauaufsichtliche Zulassung für Bodenbeläge, Parkett und Verlegewerkstoffe nicht braucht.“

Wepner räumt zwar ein, dass im Zusammenhang mit der Zulassung Kosten entstanden sind, die seien aber bei einem Parketthersteller insgesamt wohl überschaubarer als in der Klebstoffindustrie. Schließlich, so Wepner, gebe es bei Parkett erheblich weniger Vorschriften, sieht man von den einschlägigen Grenzwerten im Zusammenhang beispielsweise mit Pentachlorphenol (PCP), das als Biozid häufig im Holz Verwendung gefunden hat, oder Formaldehyd ab. Wepner widerspricht dem Vorwurf Strehles, dass diese Kosten von der Industrie auf den Handwerker oder Endverbraucher umgelegt würden. „Für uns stellt das Ü-Zeichen einen klaren Zusatznutzen dar.“ Schließlich könne man so Handwerkern und Planern bessere Rechtssicherheit bieten, da der Hersteller zur Einhaltung der Zulassungsvorgaben verpflichtet ist. Auch würde durch verpflichtende unabhängige Werksinspektionen in allen Teilen der Welt der Verbraucher- und Verlegerschutz deutlich verbessert. „Diese Vorteile berechnen wir selbstverständlich nicht weiter.“

Gerade die internationale Dimension, alle Produktionsstätten auch im Ausland müssen auditiert werden, aber auch die Tatsache, dass einmal zugelassene Produkte nachgeprüft werden müssen, sorgen in den Augen von Gahlmann für Kostenexplosionen. Eine einzige Emissionsprüfung schlägt pro Produkt mit zweitausend Euro zu Buche. Für die Zulassung werden dann noch einmal knapp zweitausend Euro fällig. Gahlmann macht keinen Hehl daraus, dass diese Markteintrittskosten am Ende beim Verbraucher landen werden „Wir können das nicht kompensieren, das ist zweifelsohne ein unangenehmer Aspekt.“

Dazu kommt: Jede noch so kleine Rezepturveränderung, beispielsweise in Folge von Rohstoffverknappung, muss der Klebstoffhersteller beim DIBt anzeigen. Die Behörde entscheidet dann, ob ein neues Zulassungsverfahren notwendig ist. Augustin: „Es kommt darauf an, ob die Rezepturänderung emissionsrelevant ist oder nicht. Das Sicherheitsniveau ist beim Ü-Zeichen in jedem Fall höher als beim CE-Kennzeichen.“

Schädlich für Standort

Das Problem ist auch hier der Zeitfaktor. Bis das Institut in Berlin reagiert, kann schon mal ein Jahr ins Land gehen. Doch in den Forschungs- und Entwicklungabteilungen ist diese Zeit schlicht nicht vorhanden. Der Schnelle frisst den Langsamen. Also wird wohl in den meisten Fällen eine Entscheidung nicht abgewartet, sondern eine Rezeptur gleich verändert. Blöd nur, wenn das veränderte Produkt nachträglich nicht die Zulassung bekommt.

„Sind die neuen Regelungen der bauaufsichtlichen Zulassung eine angemessene wirtschaftliche Standortpolitik in Anbetracht der Globalisierung?“, fragt Augustin vor diesem Hintergrund und liefert gleich seine Einschätzung mit. Es mache ihm Sorgen, sagt er, wenn Forschung und Entwicklung künftig im Ausland stattfinden. Denn genau dazu könnten international aufgestellte Unternehmen gezwungen werden. Nicht zuletzt, weil das DIBt die vollständige Offenlegung der Rezepturen einfordert. „Innovation findet unter diesen Voraussetzungen in Deutschland nicht mehr statt. Neue Produkte werden überall eingeführt, nur nicht bei uns“, fürchtet Gahlmann. Aus Sicht des DIBt stellt sich das freilich ganz anders dar. Die bauaufsichtliche Zulassung würde schädliche Produkte vom deutschen Markt fernhalten. Davon profitiere die heimische Industrie. Genau aus diesem Grund könnte dem Ü-Zeichen allerdings viel schneller als gedacht das Aus drohen. Inzwischen ist nämlich auch der EU-Kommission in Brüssel diese Art der Marktabschottung aufgefallen und dort geht man nun wegen Markteintrittsbehinderung gegen das DIBt vor. Noch im Juni forderte Brüssel Deutschland auf, die Handelshemmnisse für Bauprodukte zu beseitigen.

Vorerst freilich gilt es, sich auf den zweiten Akt des Dramas um die bauaufsichtliche Zulassung einzulassen. Am 1. Januar 2012 tritt die Regelung für Bodenbelagsklebstoffe und Unterlagen in Kraft. Dann geht es um weitaus mehr Produkte. Bereits beim ersten Schritt hat das Handwerk quasi ein Quartal außerhalb des geltenden Rechts arbeiten müssen.

Mit der nachträglichen Zulassung entsprechender Produkte wurde der bestehende rechtliche Mangel dann still und heimlich behoben. „Ich erwarte für den Stichtag 1. Januar 2012 genau dasselbe“, sagt Gahlmann. Anfang 2012 werden wieder jede Menge nicht zugelassene Bodenbelagsklebstoffe verarbeitet werden „mit dem Damoklesschwert, das über dem Handwerker schwebt“.

Es sieht also ganz so aus, als würde sich die zwangsweise Kriminalisierung des Handwerkers wiederholen. Barth rät daher seinen Kollegen, im Falle der notwendigen Verwendung nicht zugelassener Produkte vom Hersteller eine Bestätigung zu erbitten, aus der hervorgeht, dass das betreffende Produkt zur Zulassung angemeldet ist. Auf jedem Fall rät Barth dem Bodenleger, offen mit dem Problem umzugehen und den Auftraggeber im Vorfeld über den Sachverhalt zu informieren.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Kunde dann mitspielt. Ohne bauaufsichtliche Zulassung fehlt dem Produkt juristisch betrachtet nämlich eine wesentliche Eigenschaft. Das könnte schnell findige Kunden auf den Plan rufen, die das Bezahlen oder den Einbau beispielsweise eines Parkettfußbodens mit dem Verweis auf die fehlende Eigenschaft ablehnen. Neben dem Risiko, beim Einbau nicht zugelassener Produkte vor den Kadi gezerrt zu werden, droht so noch der Zahlungsausfall. Barth: „Mir ist jedes Mittel recht, die bauaufsichtliche Zulassung so schnell wie möglich zu kippen.“ Und auch sein Handwerkskollege Strehle kann sich nicht mit der Situation abfinden. „Ich bin unzufrieden und hab die leise Hoffnung, dass Brüssel das Ü-Zeichen kippt.“

Stefan Heinze

stefan.heinze@holzmann-medien.de