Domotex Shanghai Reisereportage - China, die goldene Gefahr?"> Domotex Shanghai Reisereportage China, die goldene Gefahr?

„Wer eine Reise macht, der kann auch was erzählen.“ Gemäß diesem Motto fuhr Ihr bwd-Reporter mit einer Studiengruppe von Besko ins „Reich der Mitte“ zur Domotex Shanghai. Eine Reisereportage über das Leben, den Arbeitsmarkt und die Bodenbeläge auf dem anderen Kontinent.

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    Auf der Domotex in Shanghai sind Europäer selten und haben damit Exotenstatus.
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    2  Während die meisten Wohnungen in China keine Heizung haben, werden aber Fußbodenheizungssysteme sogar für Parkett erfunden und entwickelt.
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    1  Da staunt nicht nur Bona-Österreich-Geschäftsführerin Gabriele Steiner über den missglückten Versuch, in einem Geschäft den alten Laminatboden mit Parkettlack zu sanieren.

Wie immer im Leben liegen Chancen und Risiken eng beisammen und es ist nicht alles Gold, was glänzt. Auch nicht in China. Die subjektive Sicht der 650 Volksgruppen umfassenden Nation war nach der Reise dann doch eine ganz andere als vorher. Bei einer Studienreise zur Domotex in Shanghai schnupperte boden wand decke für Sie hinter die ­Kulissen der aufstrebenden Wirtschafts-Supermacht. Wer nach Shanghai kommt, der ist von der schieren Größe und der Skyline aus tausenden Wolkenkratzern sicher nachhaltig beeindruckt. Die Großstadt mit 22 Millionen Einwohnern erstreckt sich auf eine ­Fläche von 120 mal 150 Kilo­metern und ist damit fast so groß wie ganz Niederösterreich – allerdings mit bis zu 15-mal mehr Einwohnern.

Wohnen ist teuer

Wie teuer ist es aber, in dieser pulsierenden Metropole zu wohnen? Zwar sind alle Wohnungen in staatlicher Hand, doch die Preise sind hoch. Das Preisniveau liegt deutlich über dem in Wien, denn das offizielle Besitzverbot wird durch Pachtung elegant umgangen. Preissteigerungen von bis zu 20 Prozent pro Jahr sind die Regel, nicht die Ausnahme. So stehen aber viele Millionen neu errichteter Wohneinheiten leer, was die Experten vor dem Platzen einer Immobilienblase warnen lässt. Weil die Um- und Absiedelung von ganzen Vierteln auf staatliche Anordnung einfach und schnell erfolgt, wird immer munter weitergebaut. Da können schon einmal ganze Stadtteile für 700.000 Menschen sein, sodass man überall riesige Baukräne und emsige Arbeiter sieht, die weder effizient noch schnell arbeiten. Auch der Ver­arbeitungsstandard kommt nicht an die gewohnten mitteleuro­päischen oder gar den deutschen und österreichischen Handwerkerleistungen heran. Dies gilt auch für die internationalen Hotels.

Dafür gibt es südlich des Flusses Janktsekiang in keiner Wohnung eine richtige Heizung, weil der große Führer Mao dies so angeordnet hatte, unberührt der Tatsache, dass es in Shanghai im Winter auch längere Zeit nur fünf Grad „Wärme“ hat und die Temperatur auch in den Luxus-Wohnungen und den Hotels und in den Restaurants dann auf nur mehr ungemütliche 12 Grad fällt.

Wirtschaftlich hört man in der Regel nur Superlatives über ­China, was sich beim pointierten und offenen Vortrag des österreichischen Wirtschaftsdelegierten der Wirtschaftskammer, Mag. Raymund Grandt, dann doch stark relativiert. Zwar ist das Wirtschaftswachstum mit aktuell mehr als sieben Prozent nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit mit zweistelligen Jahresraten, aber es wachsen die Devisenvorräte immer noch sehr stark auf aktuell unvorstellbare 4.000 Milliarden US-Dollar.

Doch auch die Verschuldung der Unternehmen und der Konsumenten ist auf mehr als 210 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen, was gegenüber 168 Prozent in Europa sehr hoch ist. Der ­Anteil an der gesamten Welt­wirtschaft liegt derzeit bei circa 20 Prozent, was gegen dem historischen Wert von 33 Prozent im Jahre 1820 noch gar nicht hoch ist. In den 50er Jahren war Chinas Anteil an der Weltwirtschaft durch die Abschottung nur mehr bei vier Prozent.

Heute gibt es Produktgattungen, wie zum Beispiel Spielzeug, Knöpfe oder Reißverschlüsse, die fast zu 100 Prozent in China für die gesamte Welt produziert werden. So haben sich auch mehr als 360 Firmen aus Österreich in China niedergelassen und produzieren sowohl für den chinesischen als auch für den Exportmarkt. Diese Firmen und die 1.000 Österreicher in Shanghai werden von der Außenwirtschaftsstelle der Wirtschaftskammer unterstützt. Diese stellt nicht nur Kontakte her, sondern sorgt auch für Marktanalysen und Recherchen vor Ort. Insgesamt werden so mehr als 7.000 Anfragen pro Jahr alleine in Shanghai sowohl für Groß-, aber auch für Klein- und Mittelbetriebe abgewickelt (Kontaktadresse shanghai@wko.at).

Starker Exportmarkt

China ist nicht nur führend bei LVT-Belägen, sondern ist auch für Parkettböden ein wichtiger Produzent. So sind die chinesischen Exporte von Dreischichtparkett nach Deutschland bereits an zweiter Stelle nach den österreichischen Holzböden. Auf der Domotex in Shanghai wandelten dann abertausende Besucher in den zehn riesigen Messehallen mehr als hunderte Hektar zwischen den lokalen und internationalen Anbietern vom Rohstoff bis hin zum fertigen Boden mit allem erdenklichen Zubehör an Maschinen und sonstigen Produkten. Auffällig daran war, dass die Besucher fast zu 100 Prozent aus dem asiatischen Bereich kamen und Besucher aus Amerika oder Europa eine winzige Minderheit waren. Direktimporte sind selbst für große Objekteure eher mühsam und aufwändig zu organisieren, da die Mindestabnahme sich immer in Containergrößen bewegen. Neben den rechtlichen Haftungsproblemen kommt aber auch die chinesische Mentalität dazu, dass die Erstlieferung meist tadellos ist, aber im Laufe der Zeit bei der Qualität immer mehr eingespart wird.

Auch bei der Ausbildung unterscheidet sich der Ferne Osten von unserem dualen Ausbildungssystem. Da wie dort gibt es den Trend zu höheren Schulen oder zum Studium. Berufsschulen gibt es nur ganz wenige, eine Lehre in unserem Sinne gar nicht. Ausbildung findet in der Familie oder „on the job“ statt. Entsprechend lange und mühsam wird erst nach vielen Jahren ein gewisser Qualitätsstandard erreicht. Weil nicht nur die Familien, sondern auch die Unternehmen streng hierarchisch organisiert sind, gilt das Kollektiv viel und der Einzelne wenig. Es gibt daher nicht viel Innovationsdenken des Einzelnen, da mitdenken und mitdiskutieren wenig gewünscht ist. Zwar steigen die Löhne jedes Jahr zwischen sieben und zehn Prozent, aber die Firmenloyalität ist sehr gering, was die immens hohe Fluktuationsrate von 30 Prozent pro Jahr zeigt. Wer einen besser bezahlten Job angeboten bekommt, der ist oft sprichwörtlich „über Nacht“ weg. Chinas Besiedelung weist ein starkes Stadt-Land-Gefälle auf: Die Besiedelung ist nur in den Küstengebieten dicht, das Landesinnere ist nur sehr dünn besiedelt und auch bei Managern und Arbeitern wenig als Lebensort beliebt. Zwar sind die Chancen auf gute Geschäfte fast überall gegeben, aber die Probleme vom Umweltschutz (bemerkenswert ist, dass in Shanghai nur Elektromopeds unterwegs sind) bis hin zur baldigen Überalterung der Gesellschaft durch die Ein-Kind-Politik sind ebenfalls groß.

Ein Weiser hat nicht umsonst gesagt, dass China alt sein wird, bevor es reich ist. Eine Reise ist es aber allemal wert, auch und gerade, weil eben nicht alles Gold ist, was glänzt.