Domotex, Bau Impressionen von den Messen in Hannover und München Bunte Vielfalt und kein Trend

Farbe, Farbe, Farbe lautete die Botschaft der Januarmessen zum Jahresauftakt. Wir illustrieren nachstehenden Bericht über die neuesten Entwicklungen in der Teppichbodensparte mit allgemeinen Eindrücken von der Domotex und Bau.Bunte Vielfalt und kein Trend Ein Trend: Kein Trend. Wenn es bei textilen Bodenbelägen in diesem Jahr einen Trend gibt, dann den, dass es keinen Trend mehr gibt. Auf den Januarmessen zum Jahresauftakt bewiesen die Teppichbodenhersteller, dass alles möglich ist und alles nebeneinander seine Berechtigung hat. Hochfloorige Teppichböden, so genannte Shaggys, die Lieblinge der 70er Jahre, sind seit rund drei Jahren wieder en vogue und es sieht ganz so aus, als würde sich daran so schnell nichts ändern. „Die nächsten zwei bis drei Jahre dürften Shaggys und Saxonys angesagt bleiben“, prognostiziert Christophe Deroose, CEO der Beaulieu International Group (BIG). Daneben bleiben Schlingenteppichböden und Veloure natürlich ein Thema ganz gleich ob in Matt-, Glanz- oder Hoch-Tief-Optiken. Ebenfalls seit Jahren angesagt sind flach gewebte Qualitäten. Auch daran, so die einhellige Meinung der Anbieter, wird sich so schnell nichts ändern. „Die Architekten fliegen drauf“, sagt Anker-Gesellschafter Markus A. Schoeller. Vordergründig könnte man nun behaupten. Es gibt alles. Das Angebot lässt keine Wünsche offen. Doch halt: Wo bleiben die wirklichen Innovationen? Seit Jahren wartet die Teppichbodenbranche vergeblich auf echte Neuentwicklungen, beispielsweise wenn es um die Konstruktion von Teppichböden geht. Warum sich nichts Grundlegendes tut, verrät ein Blick auf die Vorstufe. Da sind zum einen die Faser- und Garnanbieter. Angesichts des ständig steigenden Kostendrucks auf der Rohstoffseite – die Teppichbodenindustrie und die Garnproduzenten sind wie kaum eine andere Branche vom Öl abhängig – ist die Bereitschaft für Experimente gering. Man bleibt vorsichtig, wenngleich Anbieter wie beispielsweise Aquafil mit hochwertigen Spezialgarnen durchaus interessante Varianten anbieten. Das Problem ist aber, dass es keine Exklusivität mehr gibt, weil auch die Vorstufe auf Teufel komm raus verkaufen muss. Jeder Teppichbodenhersteller hat Zugriff auf alle Garne. In Westeuropa dominieren Aquafil, Invista und Radici mit zusammen über 70 Prozent Marktanteil den Nylon-BCF-Markt. Kaum anders verhält sich die Sache bei den Herstellern von Tufting- oder Webmaschinen. Für den Maschinenbau ist die Teppichbodensparte zu klein, um richtig Geld für neue Verfahrenstechniken in die Hand zu nehmen. Die Webtechnik ist historisch, und getuftet wird in Deutschland schon über ein halbes Jahrhundert. Die Folge: Auf den Präsentern und Wasserfallständern liegen seit Jahren im Grunde die gleichen Optiken. Die Druckdecke hat sich nicht geändert. Unter dem Zwang, ständig Neues zu bieten, und dem vielfach vorherrschenden Wunsch, den Teppichboden zum konsumigen Modeartikel zu machen, der in immer kürzer werdenden Zyklen abverkauft werden kann, bleibt den Herstellern dann lediglich die Möglichkeit, mit Farben und Designs zu spielen. Böse Zungen behaupteten im Anschluss an den Messerundgang, die Teppichbodenindustrie übertünche den Mangel an technischer Raffinesse, an neuen innovativen Konstruktionen mit beliebiger „Buntität“. Und damit wären wir beim einzigen verbindenden Thema der Domotex in puncto Textilbeläge: Farbe: Sie spielte die Hauptrolle. Bei den Farben dominiert in diesem Jahr das Thema Rot, von Burgunder über Himbeere hin zu Koralle, dann ins Violette hineinspielend. Aubergine, Pflaume, Brombeere fielen auf. Aber auch Aquatöne waren präsent. Mit Blick auf die Stoffwelt und die Frankfurter Messe Heimtextil muss auch noch ein monochromes Farbthema, wie es Gunnar Frank vorgestellt hat – pastellig, pudrig und perlig –, erwähnt werden. Das ist die zweite Belebung auf dem Farbsektor. Bei den Dessins gibt es neben den klassischen minimalistischen Grafiken dekorative Opulenz. Es ist die Zeit der Ornamente. Florale Dessins kommen zurück und natürlich war alles schon mal da. Farben sind Antworten auf gesellschaftliche Stimmungen, die in regelmäßigen Abständen wiederkommen. Farbe ist, wenn man so will, konjunkturabhängig. Man kann die derzeitige bunte Vielfalt im Positiven als Ausdruck von Optimismus und wirtschaftlicher Aufbruchstimmung interpretieren. In ihren grell schreienden Auswüchsen, die sich ebenfalls im Angebot einiger Teppichbodenhersteller manifestiert haben, mag die Farbigkeit aber auch an die Gegensätze, das Laute, die Reizüberflutung und die Aggressivität einer zunehmend polarisierten Gesellschaft erinnern. Wie dem auch sei. Für den Raumausstatter, Bodenleger, Objekteur oder Innenarchitekten stellen die bunte Vielfalt und das Nebeneinander unterschiedlichster Dessinierungen eine echte Herausforderung dar. Wo es nicht mehr um Uni, um Beige Braun und Blau geht, wo statt Pünktchen- und Klötzchendesign orientalische Motive neben Popart stehen, heißt das Problem: Was passt zusammen? Welche Welten harmonieren miteinander? Was lässt sich kombinieren? Hier schlägt die Stunde der Konzeptemacher. Konzepte, so heißt überhaupt das neue Zauberwort der Branche. Ein Gestaltungskonzept ist die „modulare Kreativkonzeption für Tufting-Teppichböden“, die Maltzahn Carpets in Zusammenarbeit mit Sieger Design unter dem Label Color und Design Explosion in Hannover präsentierte. Damit sollen Einrichter und Raumausstatter im Farbdschungel den Überblick behalten und auch der weniger Geübte Farben und Dessins stilsicher kombinieren können (mehr darüber in ’bwd‘ 3/2007). Bereits zwei Jahre am Markt ist das Gestaltungskonzept der Health & Care Network Group. Von der Decor-Union und der Branchenagentur Intermarket entwickelt und jüngst auf die Bereiche Home und Care erweitert, forciert die strategische Allianz führender Anbieter aus der Innenausstattungsbranche den Einsatz ihrer Produkte im boomenden Gesundheits- und Wellnessmarkt. Für den „wahrnehmungspsychologisch“ korrekten Einsatz von Farben bürgt dabei die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Hildesheim, unter der Leitung von Professor Axel Venn (ausführlicher Bericht in der Märzausgabe). Auf der Domotex und der Bau wurde der Besucher mit richtig vielen Konzepten konfrontiert. Wo Differenzierungen über das Produkt nicht mehr funktionieren und die Differenzierung über den Preis die letzten Margen vernichtet, muss über Konzepte verkauft werden. Manchmal verbergen sich hinter einem Konzept freilich nur ein paar schöne Bilder. Was wäre eine Messe ohne das Kolportieren von Gerüchten. Firma x kann ihre Gehälter nicht mehr ausbezahlen, Firma y ist so gut wie verkauft, etc. Fakt ist, dass die Konsolidierungswelle im Markt für Bodenbeläge weiter anhält. Fakt ist auch, dass sich immer mehr branchenfremde Investoren – im Volksmund auch Heuschrecken genannt – mit sehr präzisen Renditevorstellungen in der Bodenbelagsbranche breitmachen. Anderswo ist das seit langem gang und gäbe. In der jahrelang abgeschotteten Bodenbelagsbranche erhitzt das derzeit noch die Gemüter. Man mag den damit einhergehenden Verlust persönlich geprägter Firmenkulturen bedauern. Am Ende aber wird man konstatieren müssen, dass die Zwänge der Globalisierung in den meisten Fällen keine Alternative zulassen. So hat sich Ende letzten Jahres die Kapitalgesellschaft KKR zu 50 Prozent bei Tarkett eingekauft. Armstrong World Industries und die holländische NPM Capital führen Verhandlungen über die Veräußerung der europäischen Sparte für Textil- und Sportböden von Armstrong. Forbo will sich offenbar die Fußbodensparte (nora) von Freudenberg einverleiben und Mohawk und Shaw, die beiden großen Player aus den USA, warten angeblich nur noch, bis die Renditen in Westeuropa besser werden, um dann hier Fuß zu fassen. Keine Spekulation, sondern Realität ist dagegen das selbstbewusste Auftreten von Dura, die auf dem Weg zum Vollsortimenter die deutsche Teppichbodenlandschaft im vergangenen Jahr gehörig durcheinander wirbelte. Nach der Übernahme des Teppichwerkes Neumünster ging kurz nach Weihnachten der Traditionsanbieter Besmer an Dura. „Kennen Sie einen Weber oder Spezialisten für Spritzdrucke, den wir als Nächstes kaufen können“, reizt Dura-Chef Dr. Christian Schäfer öffentlich die Branche. Man darf gespannt sein. Was bringt 2007? Wenn man den Aussagen der Aussteller aus dem deutschen Markt Glauben schenken darf, geht es mit der Konjunktur 2007 weiter aufwärts. Nach einem sehr guten 4. Quartal 2006 hat sich die gute Geschäftsentwicklung im Januar fortgesetzt. Keine Euphorie, aber Optimismus beschreibt die Gefühlslage einer Branche, die in den vergangenen zehn Jahren schwer gebeutelt wurde. Umsätze zu steigern ist das eine, vernünftige Renditen erwirtschaften das Entscheidende. Speziell auf dem deutschen Markt tut sich mit Letzterem so mancher Anbieter immer noch schwer. Stefan Heinze stefan.heinze@holzmannverlag.de