Der interessante Schadensfall: Beschädigungen durch falsche Jahrringlage Bretter, die die Welt bedeuten

Für Bühnenböden werden in der Regel Dielen gefordert, die eine bestimmte Jahrringlage aufweisen. Wer den Zusammenhang zwischen Jahrringlage und Ausrissen kennt, kann spätere Schäden umgehen.

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    3 Mit einem Spiegel, den er durch die offene Randfuge schob, schaffte sich der Gutachter Klarheit.
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    2 Spreißel mit Rissausbildung entlang der Jahrringgrenze.
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    1 Mit verschiedensten Klebebändern und an unterschiedlichen Jahrringlagen der Dielen wurden orientierende Ausreißversuche unternommen.

Bretter, die die Welt bedeuten

Die beiden Schauspieler waren ihrem Beruf so verfallen, dass sie sich zu Hause in ihrem Fitnesskeller einen Raum einrichten ließen, in dem sie sich auch nach den Theaterproben noch intensiv mit ihren Rollen beschäftigen konnten.

Dafür ließen sie sich einen Originalbühnenboden erstellen und erwarben aus einer Auflösung eines alten Provinztheaters auch eine Reihe von Requisiten und Bühnendekorationen. Mit einemkleinen Hubwagen konnten sie diese so hin und her bewegen, dass sie sogar die dazugehörigen Bühnenbilder aufbauen konnten. Im Zuge des Umbaus der alten Jugendstilvilla, der von einem sehr renommierten internationalen Architekten geleitet wurde, hatte dieser den Bühnenboden aus Oregonpine-Dielen in 30 mm Dicke ausgeschrieben, inklusive einer stabilen Lagerkonstruktion. Der Architekt hatte explizit ausschließlich stehende Jahrringe für die Bodenbretter gefordert, ein Qualitätskriterium, das im Bühnenbau durchaus üblich ist. Vor der etwa 55 qm großen Privatbühne wurden sogar einige Sitzreihen installiert. Das mit der Verlegung beauftragte Unternehmen, ein erfahrener Sportbodenbauer, stellte die Arbeiten dann auch zur allgemeinen Zufriedenheit fertig. Die Abnahme erfolgte problemlos.

Der Raum wurde in der Folge durchaus stark frequentiert, denn es entwickelte sich daraus sehr schnell ein kleines Kellertheater.

Schadensbild

Schon 18 Monate später zeigte der schwarz gefärbte Boden viele helle Stellen und Streifen in Klebbandbreite, kleinere Ausrisse, aber auch längliche Spreißel und Beschädigungen in der Oberfläche. Die zusätzlichen häuslichen Proben hatten den beiden Schauspielern zwar zu noch mehr Ruhm verholfen, aber dem Boden erheblich zugesetzt.

„So darf ein Bühnenboden, auch wenn er zugegebenermaßen häufig genutzt und durch Hubwagen und zum Teil schwere Requisiten belastet wird, nicht aussehen“,befand der erfahrene Bühnenarchitekt und empfahl, den Verleger an den Ort des Übels zu zitieren. Man kam bei der Besprechung sehr schnell zum Punkt, denn es entstand ein Streit darüber, was man unter stehenden Jahrringen verstehen würde.

Der Verleger vertrat die Ansicht, dass halbstehende ohne weiteres unter diesem Begriff zu fassen wären, während der Architekt und Bauherr für die strenge Auslegung plädierten und ausschließlich Rifts, wie auch ausgeschrieben, zuließen. Das war insofern wichtig, als dass das Erscheinungsbild ganz eindeutig mit dem Vorhandensein halbstehender, ja sogar liegender Jahrringe in Zusammenhang gebracht wurde.

Der Auftragnehmer schlug entgegenkommend zwar vor, einige wenige Dielen mit erkennbaren Schädigungen aufzunehmen und gegen andere auszutauschen, den Boden dann noch einmal abzuschleifen und neu zu einzufärben. Aber darauf ließ man sich nicht ein.

„Damit ist das Problem nur vorübergehend gelöst“, befand er, „der Boden muss raus, denn es sind mehr Dielen betroffen, als sie es uns weismachen wollen.“

Ein Sachverständiger sollte die Sache klären.

Schadensursache

Der Gutachter ließ sich zunächst das Angebot geben, in der eindeutig Riftdielen - und zwar ausschließlich -aufgeführt waren.

Dann untersuchte er den Boden genauer. Oberflächlich war bei dem schwarz eingefärbten Boden nur unzureichend zu erkennen, ob und in welchem Umfang Riftdielen verarbeitet wurden. Daher nahm der Gutachter die umlaufenden, flach auf den Boden genagelten Fußleisten auf. Um zu erkennen, wie der Jahrringverlauf der eingesetzten Dielen war, nahm er einen flachen Spiegel zur Hand und schob ihn in die offene Randfuge. Jetzt war deutlich der Hirnschnitt der Dielen mit den entsprechenden Jahrringwinkeln erkennbar. Dabei fand der Sachverständige alle möglichen Lagen, selbst liegende Jahrringe waren darunter. In der Fläche machte er eine Reihe von Elementen aus, die deutliche Rissbildungen zeigten. Auch Bereiche, in die die beiden Schauspieler zur Abgrenzung von Bühnenflächen Klebebänder aufgeklebt hatten, zeigten mehrere Millimeter tiefe Holzausrisse.

Der Gutachter formulierte schriftlich: „Das Holzlexikon definiert Riftbretter wie folgt: Nadel- oder Laubholzbretter mit aufrecht stehenden oder fast aufrecht stehenden Jahrringen. Rifts haben eine größere Oberflächenfestigkeit als flach gesägtes Material, sind aber nüchterner im Aussehen.

Da die radiale Schwindung des Holzes nur etwa halb so groß wie die tangentiale ist, schwinden Rifts bei Feuchteänderungen weniger in der Breite als flach geschnittene Bretter. Außerdem verziehen, schüsseln sie sich weniger. In strenger handelsüblicher Begriffsauslegung gelten als Rifts nur Bretter mit aufrecht stehenden Jahrringen, der Winkel zwischen Jahrring und Breitenkante des Brettes soll nicht kleiner als 60° (ideal 90°) sein (Edelrift).“

Der Gutachter führte aus, dass als „Halbrifts“ nur „Bretter“ bezeichnet werden, mit einem Jahrringverlauf zur Breitenkante im Winkel bis etwa 55°, jedoch mindestens 30°, wie sie bei verschiedenen Arten des sogenannten Riftschnitts in mehr oder weniger hohem Prozentsatz anfallen.

Im Handelsgebrauch versteht man gelegentlich auch im Winkel von 45° bis 90° eingeschnittene Bretter als aufrecht stehende Jahrringe (vertical grain).

Gerade wenn das Holz belastet wird, schrieb der Gutachter weiter, ist die Gefahr von Ausrissen umso größer, je schräger der Jahrringverlauf der Dielen, d.h. je größer die Abweichung der Jahrringe von der senkrechten Lage ist. Dabei sei es egal, ob die Belastung mechanischer Art durch herunterfallende Gegenstände, durch körperliche, dynamische Belastung beim Benutzen des Bühnenbodens durch die Akteure, Gerätebeanspruchung oder auch durch scharfes Abziehen eines Klebebandes entstehe.Der Jahrringverlauf ist daher ein wesentliches Qualitätskriterium bei der Bewertung eines Bühnenbodens.

Stehen die Jahrringe senkrecht, wie zum Beispiel bei „Edelrifts“, wird bei Belastung wie beim Abreißen eines aufgeklebten Klebebandes das schwächere Frühholz kaum belastet. Dies resultiert daraus, dass die harten Jahrringzonen wie Stege dastehen und die Schwachstelle, nämlich die Jahrringgrenze von Spät- und Frühholz aufgrund des Belastungswinkels kaum beansprucht wird.

Dementsprechend weisen viele Bereiche, in denen durch das Abnehmen des Klebebandes Fehlstellen entstanden sind, deutliche Riffelstruktur auf, mit erhabenem Spätholz und leicht abgesenktem und etwas ausgerissenem Frühholz.

Je größer die Abweichung des Brettes von der senkrechten Lage ist, je stärker wird das gegenüber dichtem Spätholz deutlich dünnwandigere Frühholz beansprucht, ganz besonders die Jahrringgrenze. Diesesbeschriebene Bild zeigte sich auch an einigen Spreißeln, worauf der Gutachter nochmals ausdrücklich hinwies.

Schadensbeseitigung

Der Sachverständige relativierte seine Ausführungen indem er darauf hinwies, dass die vorgefundenen Erscheinungsbilder bei häufig genutzten Bühnenböden nicht unüblich sind und entstandeneFehlstellen auch gewartet werden können. Allerdings waren die technischen Zusammenhänge zwischen Jahrringlage und Ausrissen in diesem Fall eindeutig. Daher sei die strenge Auslegung der Regel für Rifts, wie explizit gefordert, heranzuziehen. Da das großdimensionierte, feinjährige Holz der Oregonpine ideal geeignet ist, solche Dielen zu liefern, empfahl der Gutachter lediglich den kompletten Austausch des Bühnenbodens.