Der interessante Schadensfall: Warum man alle Eigenschaften von Bambus kennen sollte Bambus kann auch anders

Chinesisches Wundergras ist die Grundlage von Bambusparkett. Daraus kann man perfekte Fußböden herstellen. Doch Vorsicht: Diese können unliebsame Eigenheiten aufweisen, die zwar kein Mangel sind, aber dennoch nicht schön aussehen und für unzufriedene Kunden sorgen können.

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    Bambus kann auch anders
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    Makroskopisch erkennbare Verfärbungen im Längsschnitt.
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    Gleiches Bild im Hirnschnitt
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    Punktförmige Veränderungen auf den Bambuslamellen.
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    Die Verfärbungen waren nicht lamellenübergreifend, sondern immer auf eine Lamelle beschränkt.

Eine Kleinstadt in Süddeutschland. Hier liegt im Wohnzimmer eines Ehepaares ein Bambusboden, verlegt vom Fachmann. Der Belag wurde förmlich abgenommen, beide Bauherren waren von der Optik des Bambusparketts begeistert. Alles zur Zufriedenheit – so schien es zumindest.

Schadensbild

Nach einigen Wochen fielen der Bauherrin aber im Kücheneingangsbereich einige punktförmige, im Durchmesser wenige Millimeter messende bläuliche Verfärbungen auf, die sie aber zunächst nicht beunruhigten beziehungsweise störten. Doch das Auge der Bauherrin war mittlerweile geschult, sie entdeckte in der Folgezeit weitere Farbabweichungen in unterschiedlichen Bereichen des etwa 40 Quadratmeter großen Raumes. Die bläulich, schwärzlich erscheinenden Verfärbungen traten nicht lamellenübergreifend auf, erstreckten sich aber teilweise auf Längen von bis zu etwa einem Meter, jeweils punktförmig mit nur mehreren Millimetern Durchmesser.

Die Bauherrin vermutete einen fortschreitenden Prozess und hatte das Phänomen von Bläuepilzen im Hinterkopf. Mit dieser Vermutung wandte sie sich an den Bambuslieferanten. Der kam umgehend und schaute sich das Bild sehr genau an. Nach Messungen der unauffälligen, bambustechnischen und raumklimatischen Daten kam er zu dem Ergebnis, dass es sich um ein bambustypisches Erscheinungsbild handele. Das teilte er der Bauherrin mit. Diese wiederum war nicht einverstanden mit dem Ergebnis, denn nun fielen ihr weitere der genannten Verfärbungen ins Auge. Da konnte nur noch ein Sachverständiger helfen.

Schadensanalyse

Dieser ließ sich beim Ortstermin, bei dem auch der Verleger des Bambusbodens zugegen war, zunächst erst einmal den Hergang schildern. Der Handwerker hatte während der Verlegung keine Auffälligkeiten bemerkt, zumal sein Gewerk auch ohne weitere Beanstandungen abgenommen worden war. Auch wenn die von der Bauherrin monierten Erscheinungsbilder zwar aus stehender Haltung zu erkennen waren, gingen sie auf den ersten Blick aber im Gesamtbild des Fußbodens, der von den langgesteckten Bambuslamellen und den charakteristischen Nodien geprägt war, eindeutig unter.

Aber die Vermutung, dass es sich um einen fortschreitenden Prozess zu handeln schien, der an einen Befall von Mikroorganismen erinnerte, bewog den Gutachter, genauer hinzuschauen. Verlegt war ein dreilagiges, horizontal miteinander verleimtes Bambusparkett, das anschließend mit einem oxidativen Öl behandelt wurde. Er entnahm zwei betroffene Bambuslamellen und ließ sich noch ein weiteres Reststück mit gleichem Erscheinungsbild aus der entsprechenden Lieferung für seine Untersuchung an die Hand geben. Der Gutachter beauftragte ein holztechnisches Institut, das sich die Probestücke unter dem Mikroskop ansah.

Er selbst nahm eigene Untersuchungen an den jeweiligen Gegenstücken vor, wobei er allerdings nicht die Möglichkeit hatte, die Aufnahmen so zu vergrößern, wie es für eine stichhaltige Aussage nötig war. Deutlich konnte er allerdings auch so die Verfärbungen erkennen. Im Untersuchungsbericht wurde festgestellt, dass es sich um keine biotischen Schädigungen durch Mikroorganismen, Bakterien oder Pilze handelte. Das konnte man mit auf Pilzbefall sensiblen Reagenzien nachweisen. Allerdings zeigten sich bei den mikroskopischen Aufnahmen die Zelllumen deutlich mit dunklen Inhaltsstoffen verfüllt. Dieses Erscheinungsbild wurde auf Längs- als auch auf Hirnschnitten sichtbar.

Was diese Verfärbungen genau hervorgerufen hatte, konnte nicht ermittelt werden. Vermutet wurden organische Inhaltsstoffe, die beim Wachstum in einigen Bambushalmen eingelagert wurden. Weiterhin ist es möglich, dass diese Inhaltsstoffe erst nach einer Einwirkung von Wärme oder UV-Licht sichtbar werden, hieß es analog im Untersuchungsbericht des Gutachters, wobei die Behandlung mit einem Naturöl den optischen Effekt noch verstärkte.

Schadensbeseitigung

Der Gutachter fertigte seine Stellungnahme an und zog einen Vergleich zu bekannten ­Erscheinungen bei einigen Exotenhölzern wie Afzelia, Jatoba oder Wengé, die zu miner­alischen Einlagerungen in Abhängigkeit zum Standort neigten und im Laufe der Zeit durch das Dunklerwerden des umgebenden Holzes ebenfalls deutlicher zu Tage treten würden. Weil dieses bambuseigene Erscheinungsbild im Gesamtbild des Bodens unterging, riet er der Bauherrin, das Bild hinzunehmen. Den fortschreitenden Prozess begründete er für sich mit der gesteigerten Sensibilität der Bauherrin – ohne das so niederzuschreiben. ⇥K