Der interessante Schadensfall: Wenn Amateure ans Werk gehen Am Ende blieben Säcke übrig

Nach Abschluss der Untergrundvorbereitung wunderte sich der Handwerker über eine große Menge an nicht verarbeiteter Spachtelmasse. Doch anstatt den Auftrag zu prüfen, arbeitete er weiter munter drauflos.

Die alte Spachtelmassenschicht wurde mit einer neuen Masse überarbeitet. Es kam zu keiner kraftschlüssigen Verbindung. - © bwd

Am Ende blieben Säcke übrig

In einem Bürogebäude hat ein Auftragnehmer für Innenausbauarbeiten auch die Bodenbelagarbeiten ausgeführt. Auf einem alten, bauseits vorhandenen, unbeheizten, schwimmenden Zementestrich hat er zunächst die vorhandenen Altbeläge – alte PVC- und Teppichböden – entfernt. Diesen Verlegeuntergrund mit den alten Spachtelmassen und Klebstoffrückständen hat der Handwerker lediglich mittels Eintellerschleifmaschine und 16er Korn grob abgeschliffen. Auch nach Aussage seiner Mitarbeiter wurden insbesondere die alten Klebstoffrückstände nicht vollständig entfernt, sondern lediglich, wie bereits zuvor beschrieben, grob abgeschliffen. An dieser Stelle ist allerdings anzumerken, dass der hier in Rede stehende Auftragnehmer nicht sehr häufig Bodenbelagarbeiten ausführt, was auch in der nachfolgend näher beschriebenen Vorgehensweise ersichtlich wird.


Den Verlegeuntergrund mit den vielfach noch anhaftenden Klebstoffrückständen hat der Auftragnehmer mit einer handelsüblichen Dispersionsgrundierung grundiert und anschließend gespachtelt. Nach Vollendung der Spachtelmaßnahmen hat er sich darüber gewundert, dass von der ursprünglich kalkulierten Spachtelmassenmenge noch einige Säcke übrig geblieben sind.


Da es sich hier um ein Bürogebäude handelt, in dem eine Vielzahl von Schreibtischen mit den entsprechenden Schreibtischstühlen vorhanden sind, wurde seitens des ausschreibenden Architekten eine stuhlrollengeeignete Teppichbodenkonstruktion ausgeschrieben.


Diese stuhlrollengeeignete Teppichbodenkonstruktion beinhaltet neben einem stuhlrollengeeigneten Teppichboden auch einen entsprechenden stuhlrollengeeigneten Verlegeuntergrund. Unter anderem musste die Spachtelmassendicke gemäß Herstellervorgaben mindestens 1,5 bis 2,0 mm betragen. Die so kalkulierte Verbrauchsmenge der Spachtelmasse wurde auch entsprechend durch den Auftragnehmer bestellt.

Reklamation nach zwei Wochen

Ohne weitere Untergrundvorbereitungsmaßnahmen hat der Auftragnehmer einen Nadelvliesbodenbelag unmittelbar auf die neu gespachtelte Estrichoberfläche verlegt.


Bereits zwei Wochen nach Nutzungsbeginn kam es insbesondere im Stuhlrollenbereich der Schreibtische zu Ablösungen innerhalb der textilen Bodenbelagebene. Durch den hinzugezogenen Sachverständigen wurde in mehreren Teilflächenbereichen die Teppichbodenkonstruktion partiell eingeschnitten und vom Untergrund hochgenommen. Hierbei kamen die kuriosesten Sachverhalte zum Vorschein: Die Nadelvliesbodenbelagrückseite wies nahezu keine Klebstoffbenetzung auf; bei genauerer Betrachtungsweise der Klebstoffriefen war feststellbar, dass diese fast nicht zerquetscht vorlagen. Somit wurde eindeutig nachgewiesen, dass die textilen Bodenbelagbahnen teilweise zu spät in das bereits angetrocknete Klebstoffbett eingelegt worden waren und die textilen Bodenbelagbahnen nicht ordnungsgemäß angerieben bzw. mittels einer Walze abgerollt wurden.


Dieser Sachverhalt war überwiegend in den nicht frequentierten Teilflächenbereichen der textilen Bodenbelagebene feststellbar. Weitergehend war beim Hochnehmen der textilen Bodenbelagebene feststellbar, dass sich bereits teilweise die Spachtelmasse von der alten Klebstoffunterseite bzw. von der alten Zementestrichoberfläche ablöste. Mühelos konnte der Sachverständige schollenweise die neue Spachtelmassenschicht von der alten Klebstoffschicht abheben. Im Stuhlrollenbereich dagegen war beim Hochnehmen der textilen Bodenbelagbahnen ein ganz anderes Schadensbild sichtbar: In diesen Teilflächenbereichen haftete der Klebstoff sowie die darunter befindliche Spachtelmassenschicht an der Unterseite der textilen Belagbahnen.


In diesen Bereichen kam es zu einem Ablösen der neu applizierten Spachtelmassenschicht auf den alten Verlegeuntergrund, insbesondere von den alten Klebstoffrückständen. Auch war feststellbar, dass die Spachtelmassenschicht teilweise lediglich eine Schichtdicke von 0,3 bis 0,9 mm aufwies.


Somit ist auch erklärbar, warum eine so immense Reduzierung der Verbrauchsmenge der Spachtelmasse möglich war.

Weitere eklatante Mängel

Im Rahmen der stichpunktartigen Überprüfung waren weitere eklatante Sachverhalte feststellbar. So hatte der Auftragnehmer beispielsweise vorhandene Risse in der Estrichkonstruktion einfach mit Spachtelmasse zulaufen lassen. Diese Risse waren jedoch teilweise derart breit und tief, dass ein Schließen der Risse mit Spachtelmasse nicht möglich war. Diese Risse wurden anschließend lediglich mit den textilen Bodenbelagbahnen überklebt. Zudem waren die vorhandenen Randfugen teilweise ebenfalls mit Spachtelmasse überarbeitet/zugespachtelt worden. Damit waren die Folgeschäden vorprogrammiert.


Der Verleger hat eindeutig die Verarbeitungs- und Verlegerichtlinien der verwendeten Verlegehilfsstoffe missachtet. Ebenfalls außer Acht gelassen hat er die Prüfpflichten gemäß der ATV DIN 18365 „Bodenbelagarbeiten“. Der Handwerker hat weder den vorhandenen Altuntergrund hinsichtlich seiner Verlegereife richtig beurteilt, noch die Verlegehilfsstoffe gemäß Herstellervorgaben sach- und fachgerecht angewandt.


Gemäß der VOB hat ein Auftragnehmer u.a. vor Ausführung seiner Werkleistung den Verlegeuntergrund hinsichtlich der Verlegereife mit der im Verkehr üblichen Sorgfalt zu prüfen. Entsprechend den Vorgaben gemäß der ATV DIN 18365 hat der Auftragnehmer die jeweiligen Prüfungen/Prüfmaßnahmen durchzuführen und ggf. Bedenken gegenüber seinem Auftraggeber anzumelden. In der ATV DIN 18 365 heißt es u.a. unter Punkt 3.1 „Allgemeines“:


„3.1.1 Der Auftragnehmer hat bei seiner Prüfung Bedenken (siehe hier § 4 Nr. 3 VOB/B) insbesondere geltend zu machen bei

1, größeren Unebenheiten,

2, Rissen im Untergrund,

3, nicht genügend trockenem Untergrund,

4, nicht genügend fester Oberfläche des Untergrundes,

5, zu poröser und zu rauer Oberfläche des Untergrundes,

6, verunreinigte Oberfläche des Untergrundes, z.B. durch Öl, Wachs, Lacke, Farbreste,

7, unrichtiger Höhenlage der Oberfläche des Untergrundes im Verhältnis zur Höhenlage anschließender Bauteile,

8, ungeeigneter Temperatur des Untergrundes,

9, ungeeignetem Raumklima,

10, fehlendem Aufheizprotokoll bei beheizten Fußbodenkonstruktionen,

11, fehlendem Überstand des Randdämmstreifens,

12, fehlender Markierung von Messstellen bei beheizten Fußbodenkonstruktionen.“


Hätte sich der Auftragnehmer an diese Prüfpflichten gehalten, so wäre dieser Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in derartigem Ausmaß entstanden.


Dem Auftragnehmer blieb letztendlich nur noch die Möglichkeit, die gesamten textilen Bodenbelagebenen vom Untergrund zu entfernen und den Verlegeuntergrund sach- und fachgerecht neu vorzubereiten.


Zunächst einmal mussten jetzt alle neuen und alten Klebstoffrückstände sowie Spachtelmassenschichten vom Untergrund entfernt werden. Nach entsprechenden Grundierungs- und Spachtelmaßnahmen war eine ordnungsgemäße Verlegung/Klebung der textilen Bodenbelagbahnen möglich.


Fazit: Dieser Schadensfall zeigt erneut, dass Fußbodenkonstruktionen zu den komplexesten Bauteilen zählen. Daher ist es umso wichtiger, dass die Auftragnehmer entsprechende Fachkenntnisse sowohl in Bezug auf die Erkennung und Beurteilung der Verlegeuntergründe besitzen, als auch das nötige Wissen über die Verarbeitung der zu verwendenden Verlegehilfsstoffe besitzen.