Altuntergründe: Alle Rechte und Pflichten

Altuntergründe bergen Risiken, die dem Bodenleger teuer zu stehen kommen können, wenn er allzu fahrlässig mit seinen Rechten und Pflichten umgeht. Die Podiumsdiskussion im Rahmen der TKB-Tagung 2019 sensibilisierte für die richtige Herangehensweise.

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    Altuntergründe bergen Risiken, die dem Bodenleger teuer zu stehen kommen können. Die Podiumsdiskussion im Rahmen der TKB-Tagung 2019 sensibilisierte für die richtige Herangehensweise (v. li.): Dr. Martin Schäfer, Bernhard Lübbers, Manfred Friedrich, Dieter Altmann, ­Michael Illing, Dr. Norbert Arnold.
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    Martin Kuschel
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    Rechtsanwalt Martin Kuschel kennt die juristischen Fallstricke im Bodenlegeralltag.
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    Objekteur Bernhard Lübbers empfiehlt Probeverklebungen.
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    Manfred Friedrich: "Keine Spachtelmasse kann einen kaputten Estrich retten."

Auf Altuntergründen zu verlegen, ist alltägliche Aufgabe eines Bodenlegers. Deren Lösung gelingt in den allermeisten Fällen auch deshalb, weil der erfahrene Verarbeiter genau weiß, wie Fehler durch fachgerechtes Vorgehen vermieden werden. Die ansonsten teuren Schäden sind daher vergleichsweise selten.

Mit diesen Einlassungen eines Zuhörers im Publikum könnte man die Berichterstattung über die von Moderator Dr. Norbert Arnold (Uzin Utz AG) geleitete Podiumsdiskussion beenden und würde damit dem Thema genau den Stellenwert einräumen, den die Praxis oft belegt. Dass es aber nicht ganz so einfach ist und viele Streitfragen bestehen, mit denen es sich lohnt auseinanderzusetzen, machte Dr. Manfred Schäfer (Wakol) gleich zu Beginn klar, indem er die ihm zugespielten Zuhörerfragen zitierte.

  • Wie sinnvoll ist es aus Sicht der Nachhaltigkeit, eine feste Spachtelmasse, die eindeutig noch ihren Dienst tut, komplett zu entfernen?
  • Gilt es als Mangel, wenn trotz Belassung alter Verlegewerkstoffe kein Schaden entstanden ist, weil nicht der Norm gefolgt wurde?
  • Welche Bedeutung haben die Aufbauempfehlungen der Hersteller?
Damit war der Boden für die Erörterung des Fachthemas bereitet, den der Berufssachverständige Dieter Altmann als erster betrat. Er mahnte an, nicht nur die Oberfläche, sondern immer den Gesamtverbund des alten Untergrundes ins Kalkül zu ziehen, wenn es um die Verlegung im Bestand geht.

  • Wie alt ist der Estrich? Ist die Tragfähigkeit noch gegeben?
  • Sind PAK-belastete Materialien (z. B. Teerpappen) verbaut?
  • Wie ist die Gesamtdicke bzw. die der einzelnen Schichten?
All das sind wichtige Fragen, die es im Vorhinein zu beantworten gilt, wenn man einen Belag schadensfrei einbauen will. An einem Beispiel, in dem eine aus­nehmend dicke Spachtelmasse so viel Spannung auf den scheinbar festen Untergrund aufgebracht hatte, dass sie dessen Tragfähigkeit überbeanspruchte, erläuterte Altmann die Tücken. In solchen Fällen sei Vorsicht geboten und insbesondere auch der Auftraggeber gefragt, der sich schließlich für die Prüfung der vorhandenen Situation nicht aus der Verantwortung stehlen könne.

Sicher sein mit Bohrproben

Während diese Aufgabe im Großobjekt damit in der Regel dem Architekten zufalle, sei es ansonsten ratsam, anhand von Bohrproben für eigene Sicherheit zu sorgen. Eine Aufbauempfehlung des Lieferanten einzuholen ist für Altmann im Großobjekt unabdingbar. Der Hamburger Objekteur Bernhard Lübbers rät, nahezu immer den Lieferanten mit einzubinden und auch ansonsten genau hinzuschauen. "Wir wollen aus eigenem Interesse wissen, was uns erwartet“, sagt Lübbers, "auch wenn wir damit nicht immer im Sinne des Baufortschritts agieren.“ Lübbers weist auf einen großen Vorteil in der Altbodensanierung hin: "Wir können uns vor Angebotsabgabe die Oberflächen anschauen, um vor Überraschungen gefeit zu sein. Ich empfehle, falls möglich, Probeverklebungen im Vorhinein vorzunehmen.“

  • Wie war die frühere Nutzung?
  • Wie ist der Boden frequentiert?
  • Kamen auf ihm auch Rollen zum Einsatz?
  • Ist die Spachtelmasse parkettgeeignet, wenn sie vorher als Ebenheitsausgleich unter einem Teppichboden gedient hat?
  • Ändert sich die Belastung?
Das sind einige der vielen Punkte, die Michael Illing (Forbo Eurocol) geklärt haben möchte. "Wenn die Belastung in der Zukunft eine größere wird, gibt‘s nur die Komplettentfernung“, sagt Manfred Friedrich (Sika) und weist darauf hin, "dass es keine Spachtelmasse gibt, die in der Lage ist, einen kaputten Estrich zu retten.“ Bleibt die Frage nach der Diskrepanz, wonach in der Praxis 90 Prozent aller Böden überarbeitet werden, während der Kommentar doch die 100-prozentige Entfernung aller Restmaterialien verlangt.

Schadenshäufigkeit und wirtschaftliches Risiko

Mit dieser Ungereimtheit gab Moderator Arnold der Podiumsdiskussion, die sich mehr und mehr zu einer Publikumsdiskussion gestaltete, eine rechtliche Richtung. "Das ist einfach der Sicherheitsaspekt, der hier eine Rolle spielt“, befindet Altmann, "der Unternehmer trägt ein hohes Risiko, das er allerdings per Bedenkenanmeldung bzw. Freistellung auf den Auftraggeber abwälzen kann."

Diese Freistellungserklärung müsse allerdings möglichst viele Folgeerscheinungen aufführen und dem Bauherren auf dessen Verständnisebene plausibel gemacht werden, um rechtliche Wirkung zu erlangen. Altmann rät auch in solchen Fällen, in denen bereits die Grundierung aufgetragen ist, die ihrerseits vorher noch nicht sichtbare Risse deutlich offenbart, dem Bauherrn gegenüber noch zu reagieren.

Für Friedrich sind die qualitativen Unterschiede in den Kommentaren zu DIN 18365 Bodenbelagsarbeiten und DIN 18356 Parkettarbeiten ebenfalls bemerkenswert. Während im Ersteren die Komplettentfernung gefordert wird, wollen die Parkettleger es dem Auftraggeber überlassen, zu sagen, was passieren soll. Der Bodenleger hätte bei vertraglicher Bindung auf die DIN 18365 kaum eine andere Chance, als alle Reste zu entfernen, so Friedrich.

Dass sich alle diese Diskussionen immer vor dem Hintergrund fehlender Zeit für die Baufertigstellung abspielen, ist das täglich Brot. "Während der Bauphase hat niemand Zeit, vor Gericht dann allerdings Jahre“, gibt Altmann seine Erfahrung aus der Praxis zum Besten.

Ebenso ist man sich einig, dass die Schadenshäufigkeit bei der Altuntergrund­sanierung oftmals im Gegensatz zum wirtschaftlichen Risiko steht. Wenn allerdings etwas passiert, wird es in der Regel teuer. In der Zusammenfassung betrachtet Schäfer die Situation in Deutschland dennoch als ­komfortabel. "Dank der Normen, die uns sagen, wie wir uns zu verhalten haben, ­haben wir eine klare Rechtslage mit der Möglichkeit, uns durch das Einhalten von Aufbauempfehlungen auch Freiräume zu schaffen.“

Rechtliche Aspekte der Bodenverlegung auf Altuntergründen

So sind Sie auf der sicheren Seite

Von Martin Kuschel

Eine fachgerechte und mangelfreie Verlegung von Bodenbelägen auf Altuntergründen setzt in aller Regel eine sorgfältige Untersuchung des Altuntergrundes und eine auf dieser Untersuchung basierende Planung des Aufbaus voraus. Die Untersuchungspflichten gehen dabei unter Umständen weit über die üblichen Prüfpflichten hinaus: Insbesondere Ziffer 3.3 der DIN 18299 (Vorfinden von Schadstoffen), aber auch die Prüfung der Tragfähigkeit und der Haftzugfestigkeit verdienen hierbei besondere Beachtung.

Der Verleger sollte sich darüber im Klaren sein, dass derjenige, der plant, gegenüber dem Auftraggeber auch die Haftung für die richtige und fachgerechte Planung übernimmt. Gerade bei kleineren Bauvorhaben ist "Planer" in diesem Sinne häufig der Verleger, der gut daran tut, sich von der Anwendungstechnik seines Verlegewerkstoffherstellers eine objektspezifische Aufbauempfehlung geben zu lassen. Das entbindet den Verleger zwar nicht von seiner Haftung gegenüber dem Auftraggeber, gibt ihm jedoch im Schadensfall eine Rückgriffsmöglichkeit auf den Hersteller.

In der Ausführungsphase schuldet der Verleger seinem Auftraggeber ein funktionsfähiges Werk. Maßgeblich ist dabei nicht allein, dass ein Leistungsverzeichnis abgearbeitet wird, vielmehr kommt es darauf an, ob die vereinbarte "Soll-Beschaffenheit“ erreicht wird. Hier empfiehlt es sich, Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik (zum Beispiel durch nicht vollständige Entfernung von Altbelägen) oder Abweichungen von den Toleranzen der DIN 18202 von vornherein klar als "Soll-­Beschaffenheit" zu vereinbaren. Eine derartige Vereinbarung muss jedoch – ebenso wie eine Bedenkenanmeldung – dem Auftraggeber klar und verständlich vor Augen führen, welche Risiken er damit eingeht und übernimmt.

Maßstab für die Ausführlichkeit und Verständlichkeit einer derartigen Risikoübernahme, sei es aufgrund eines Vertrages, sei es aufgrund einer Bedenkenanmeldung, sollte nie der tatsächliche oder vermeintliche Kenntnisstand des Auftraggebers (fachkundiger oder fachkundig beratener Auftraggeber) sein, sondern immer der Horizont eines bautechnisch nicht versierten jungen Richters, denn im Streitfall wird es der Richter sein, der den Vertrag oder die Bedenkenanmeldung verstehen und interpretieren muss.

Wortmeldungen aus dem Publikum

  • Dieter Altmann: Eine technische Freistellungserklärung im Rahmen der Gewährleistung hat rechtlich nur Wirksamkeit, wenn sie auf der Verständnisebene des Bauherrn auf die möglichen Folgen des handwerklichen Handelns hinweist.
  • Peter Fendt: Uns als Parkettleger geht es nicht zuletzt darum, den Planer mit einzubinden, was auch beinhaltet, den fachkundigen Lieferanten zu fragen.
  • Hans-Joachim Rolof: Der Architekt bzw. Planer muss ermitteln, ob Gefahrstoffe wie Formaldehyd, PAK oder Asbest in Altuntergründen vorhanden sind.
  • Richard Kille: Über das Wissen, wie es funktioniert, verfügen wir alle. Ich kann nur dringend raten, alles das zu machen, was technisch notwendig ist, denn der Bodenleger kann nicht wissen, wie die alte Spachtelmasse zusammengesetzt ist und welche Grundierungen verarbeitet worden sind.
  • Karsten Krause: Mir sind seit 40 Jahren keine nennenswerten Schäden in Erinnerung. Wenn wir dem Auftraggeber das Risiko für ihn nachvollziehbar erklären und die Aufbauempfehlungen der Hersteller bzw. ihrer fähigen Anwendungstechniker beachten, haben wir vieles richtig gemacht. Man sollte das Thema nicht zu hoch aufhängen.
  • Richard Kille: Maler verdienen 70–80 Prozent mit der Untergrundvorbereitung, Parkett- und Bodenleger schaffen das nicht und gehen dagegen oftmals ins Risiko.
  • Dieter Altmann: Unterschätzt nicht, welche Gefahren in Altuntergründen verborgen sein können. Wir Sachverständigen sehen öfter, als uns lieb ist, dass etwas "in die Hose geht“.
  • Peter Fendt: Die schweren Maschinen, mit denen wir heute unsere alten Untergründe vorbereiten, bergen auch das Risiko, die Untergründe kaputtzumachen.