Der interessante Schadensfall: Das passiert, wenn frisch versiegeltes Parkett nicht ausreichend geschützt ist Abdecken, aber richtig

Jedermann weiß, wie es bei Innenausbauarbeiten in den letzten Tagen vor Fertigstellung eines Objektes zugehen kann. Parkettböden als begehbare Laufflächen können ein besonders Lied davon singen.In einem Ballettübungssaal in den Katakomben eines weltberühmten Opernhauses war auf einer schwingenden Spanplattenunterkonstruktion ein Mosaikparkettboden verlegt worden. In diesem Raum sollten sich die Akteure eintanzen, bevor sie auf der großen Bühne dem Publikum ihre hohe Kunst präsentierten. Die Parkettarbeiten waren bereits sehr frühzeitig fertiggestellt. Die Wände waren jedoch noch zu streichen und eine Seite des Raumes war außerdem komplett mit Spiegeln zu bekleben, damit die Ballett-Lehrerin die sportlichen Übungen ihrer Schüler und Schülerinnen von allen Seiten und aus allen Blickwinkeln betrachten konnte. Die Reihenfolge der Baumaßnahmen war deshalb so gewählt, weil es nachvollziehbare Hinderungsgründe bei den Vorgewerken gab. Die noch fehlenden Arbeiten erfolgten demgemäß auf dem fertigen Boden, der zu diesem Zweck mit einem geeigneten dampfdurchlässigen Vlies vollflächig abgedeckt wurde. Dieses war vom Parkettleger nach Rücksprache mit dem Versiegelungshersteller empfohlen worden. SchadenshergangKaum waren alle Arbeiten in dem Ballettsaal beendet, klingelte es auch schon im Büro des Parkettunternehmers. „Der Boden sieht verheerend aus. Schlieren, matte und fettig glänzende Stellen in Hülle und Fülle, einfach grauenhaft, das nehme ich ihnen so nicht ab“, sagte der Hausingenieur, der für die Leitung der Baumaßnahmen in dem Opernhaus verantwortlich war. Der Parkettleger hatte den Boden in guter Erinnerung, denn er hatte seinen Mitarbeiter nach Fertigstellung der Versiegelung mit dem Firmenwagen abgeholt und bei dieser Gelegenheit einen prüfenden Blick auf seine Leistung geworfen. Die schien tadellos. Zu dem Zeitpunkt waren die Lichtverhältnisse in dem nahezu fensterlosen, mit Baulicht ausgeleuchteten Parterreraum zwar nicht ideal für die Ausführung von Oberflächenarbeiten, aber der Parkettlegergeselle war ausgesprochen erfahren. Er konnte die Versieglung auch bei solchen Voraussetzungen fehlerlos vornehmen. Deshalb war sich der Unternehmer seiner Sache sehr sicher und versuchte, das Problem zunächst argumentativ am Telefon zu lösen. Er hatte einen Standardtext im Kopf, den er schon hundertfach bemüht hatte, wenn solche Beanstandungen bei ihm ankamen. „Eine gleichmäßige Oberfläche ist selbst bei sorgfältigster Handwerksarbeit nicht zu erreichen“, dozierte er. „Man kennt heute die klinisch nahezu reinen Oberflächen von Fertigparkett, die werkseitig unter völlig staubfreien Bedingungen in geschlossenen Anlagen produziert werden. Wir als Handwerker können vor Ort auf der Baustelle allerdings dieses Bild nicht erzeugen. Das hat mehrere Gründe. Der maschinelle Schliff kann Unregelmäßigkeiten bewirken, da die Schleifmaschine gewendet werden muss und Ansätze niemals komplett vermeidbar sind. Unterschiede im Schleifbild sind auch im Randbereich durch die geänderte Schleifrichtung der Geräte unvermeidlich. Analoges gilt auch für die Versiegelung. Der Auftrag passiert per Hand mit Werkzeugen wie Spachteln, Bürsten oder Rollen. Überlappungen beim Streichen, Pinselhärchen oder Lufteinschlüsse sind in gewissem Umfang handwerklich bedingt. Außerdem: Die Lacke werden nicht ultraviolett unmittelbar nach dem Auftrag wie in einer industriellen Lackstraße ausgehärtet, sondern die Versiegelung benötigt eine gewisse Trockenzeit. Das wiederum bedeutet, dass Staub in der Luft, der auf der Baustelle selbst bei sauberster Arbeit nicht vermeidbar ist, sich in der trocknenden Versiegelung absetzen und Pickelchen erzeugen kann. Die unterschiedliche Saugfähigkeit des Holzes ist ebenfalls zu berücksichtigen, denn sie hat einen negativen Einfluss auf die Gleichmäßigkeit der Schichtdicke des Lackfilmes.“ Der Bauleiter fiel ihm endlich ins Wort, denn er war ebenfalls sehr erfahren und kannte diese nachvollziehbare und zutreffende Argumentationskette aus ähnlichen Auseinandersetzungen. „Schauen Sie sich die Geschichte bitte an.“ Der Auftragnehmer folgte. Er machte sich auf den Weg in das historische Opernhaus, mit dem er übrigens einen Zeitvertrag abgeschlossen hatte, der ihm schon seit vielen Jahren immer wieder zu umfangreichen Parkettarbeiten verhalf. Schadensbild Die Überraschung war groß, als er den Ballettboden sah. Das Erscheinungsbild war ein ganz anderes als das, was er in Erinnerung hatte, und darüber hinaus holten die jetzt vorhandene Beleuchtung und besonders die damals noch nicht vorhandene Spiegelwand die Unregelmäßigkeiten in der Parkettoberfläche ganz deutlich hervor. Sie sah wahrlich nicht so aus, als wäre sie von einem Fachmann erzeugt. Sie war zwar entsprechend der DIN 18356 sofort nach dem Schleifen durchgeführt worden, die Forderung nach einer gleichmäßigen Oberfläche aber war höchst unerfüllt. Zwar waren keine Pickel oder Staubeinschlüsse, Pinselhaare, Absackungen oder andere Verarbeitungsfehler erkennbar, die dem Auftragnehmer je nach Ausmaß anzulasten wären, aber das Bild war so keinesfalls zu tolerieren. Der Parkettleger schaute sich den Boden nochmals sehr genau an. Ihm fielen großflächige matte Bereiche ins Auge, die nicht durch eine handwerkliche Fehlleistung beim Versiegelungsauftrag passiert sein konnten. Er erkundigte sich nach dem genauen Arbeitsablauf. SchadensursacheDie Abdeckungsmaßnahmen waren entgegen der Vorschrift des Herstellers bereits am Folgetag auf der zwar oberflächlich trockenen, aber keineswegs durchgehärteten Versiegelung vorgenommen worden. Das Begehen durch die nachfolgenden Handwerker sowie das Befahren mit Gerüsten zum Zwecke des Streichens der Wände hatten der Oberfläche zu schaffen gemacht. Das war in Teilbereichen eindeutig erkennbar. Die Zusammenhänge erläuterte er dem bauleitenden Ingenieur und bekam den Auftrag eines weiteren Versiegelungsauftrages mit erforderlichen vorbereitenden Maßnahmen kurzerhand per Handschlag mit auf den Weg. Wer diese Arbeiten letztendlich bezahlen musste, ist nicht bekannt.