Der interessante Schadensfall Konzeptlose Entscheidungen einer Bauleitung kosteten viel Zeit, Geld und Nerven Messfehler mit Folgen

Termindruck und ungenügende Koordinationsfähigkeit der Bauleitung bestimmen in Deutschland vielfach den Baustellenalltag. Einem Estrichleger wurden solche chaotischen Rahmenbedingungen und das eigene Unvermögen zum VerhängnisAussparung innerhalb der Gipskartonwand für die nachträgliche Anbringung der lackierten Holzsockel.Messfehler mit Folgen Im Rahmen eines umfangreichen Bauprojektes wurde ein bestehendes Bürogebäude entkernt und vollständig modernisiert bzw. um- und neugebaut. Im ersten Bauabschnitt wurde zusätzlich am bereits vorhandenen Bürokomplex ein weiteres Verwaltungsgebäude errichtet. Bei den Baumaßnahmen kam es allerdings vielfach zu teilweise erheblichen Koordinationsschwierigkeiten mit fatalen Folgen, die bei einem normalen Bauablauf in der Regel nicht entstehen würden. Es existierte zwar ein Leistungsverzeichnis, allerdings fehlten darin jegliche „Sonderwünsche“ des Architekten bzw. des Bauherrn. Diese wurden den Auftragnehmern meist erst während ihrer Arbeiten vor Ort nur grob umrissen mündlich mitgeteilt. Bei diesem Bauvorhaben übernahm eine Firma sowohl die Estrich- als auch die Bodenbelagarbeiten. Die Estricharbeiten jedoch führte ein Subunternehmer des ursprünglichen Auftragnehmers aus. Die Bauleitung gab auf einer Gesamtgrundrissfläche von zirka 500 Quadratmetern je Etage drei Meterrisse vor – einer befand sich im Eingangsbereich, zwei jeweils an den Enden der längs des Gebäudes verlaufenden Flure an den dort vorhandenen Notausgangstüren. Die Zwischenwände wurden im Trockenbauverfahren (Aluminiumschienensysteme und Gipskartonplatten) hergestellt. Aus zeitlichen Gründen (sprich aufgrund von Koordinationsschwierigkeiten) hat die Bauleitung entschieden, zunächst die Stahltürzargen im gesamten Gebäude, das heißt auf drei Etagen verteilt, einbauen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings war die Estrichkonstruktion noch nicht vorhanden. Die Stahltürzargen wurden also lediglich anhand der drei vorhandenen Meterrisse entsprechend ausgerichtet/eingebaut. Parallel hierzu sollte der Trockenbauer die Wände im Flurbereich mit einer zweiten Schicht Gipskartonplatten verkleiden. Dies alles wäre im Grunde kein Problem für die Auftragnehmer gewesen, wenn die Bauleitung bzw. der Planer im Flur nicht einen zirka sieben Zentimeter hohen, lackierten Holzsockel eingeplant hätte, der bündig mit den Gipskartonplatten abschließen sollte. Die lackierten Holzsockelleisten wurden also in der gleichen Dicke wie die Gipskartonplatten hergestellt. Die Gipskartonplatten wiederum musste der Trockenbauer unten um sieben Zentimeter kürzen. Als Vorgabe lagen dem Handwerker lediglich die drei Meterrisse als Höhenbezugspunkt vor. Im Leistungsverzeichnis waren diese „Sonderwünsche“ jedoch nicht enthalten, die Folgeunternehmer konnten deshalb von diesen nicht ausgeschriebenen Baumaßnahmen nichts wissen. Das Erstaunen vor Ort war groß. Die für diesen ursprünglichen Auftrag durchgeführte Kalkulation sowie die Materialbereitstellung stimmten nicht mehr. Erst nach Fertigstellung der Gipskartonwandkonstruktionen im Flurbereich sowie des Einbaus der Stahltürzargen konnte der Estrichleger eine schwimmende, unbeheizte Zementestrichkonstruktion herstellen. Als Vorgaben waren die drei Meterrisse vorhanden sowie die gesamten Abschlussschienen der Gipskartonplattenwandkonstruktion in den Flurbereichen. Nach dem Estricheinbau war in mehreren Teilflächen eine Unterschreitung der Estrichhöhe bzw. eine Vertiefung innerhalb der Estrichkonstruktion insbesondere in den Fluren feststellbar. Die Bauleitung forderte den Estrichleger auf, nachzuarbeiten und die Estrichkonstruktion auf die entsprechende Höhe aufzuspachteln bzw. eine neue, zweite Verbundestrichkonstruktion herzustellen. Der Estrichleger hat unter Verwendung eines Rotationslasers diese Bereiche nochmals überprüft und keine Toleranzunter-/-überschreitung feststellen können. Im Nachhinein stellte sich dies jedoch als fataler Messfehler heraus. Konzeptlos entschied die Bauleitung daher folgendes Vorgehen: Der Trockenbauer hat in den Flurbereichen die bereits fertig gestellten Gipskartonwände neu herzustellen. Dazu hat er die Gipskartonwände bis zu 50 Zentimeter hoch (vom Boden aus gemessen) vollständig zu entfernen und dann die gesamte Wandkonstruktion auf die vorgegebenen sieben Zentimeter Abstandshöhe auszurichten. Deutlich günstiger und schneller wäre es gewesen, die Estrichkonstruktion in diesem Bereich mit einer Verbundestrichkonstruktion bzw. durch die Verwendung einer geeigneten Spachtelmasse auf die Höhe von zirka 20 Millimeter zu bringen. Zumal es sich nur um zwölf Quadratmeter handelte. Aufgrund von Unstimmigkeiten sollte ein Sachverständiger die gesamte vorhandene Estrichkonstruktion hinsichtlich Höhe und Einhaltung des vorhandenen Meterrisses prüfen. Für die rasterförmige Vermessung verwendete der Sachverständige ein kalibriertes, geeichtes Präzisionsnivelliergerät. Er stellte fest, dass der Estrichleger aufgrund eines Messfehlers bzw. durch falsche Verwendung des Rotationslasers im Flur eine extreme Vertiefung innerhalb der Estrichkonstruktion hergestellt hat. Die Vertiefung auf den zirka zwölf Quadratmetern betrug zirka 20 bis teilweise sogar 23 Millimeter gegenüber dem ursprünglichen Meterriss. Darüber hinaus waren zwei Stahltürzargen in Bezug auf den vorhandenen Meterriss ebenfalls nicht ordnungsgemäß eingebaut worden. Für die Nacharbeiten mussten die bereits im Flur angearbeiteten Gipskartonplatten partiell wieder entfernt und entsprechend neu an die Stahltürzargen angearbeitet werden. Erschwerend kam hinzu, dass in den Fluren – obwohl die Elektroinstallation noch unvollständig war – die Malerarbeiten bereits abgeschlossen waren. Also auch hier wieder erhebliche Koordinationsschwierigkeiten. Fazit Hätte der Estrichleger mehr Sorgfalt bei der Verwendung eines Rotationslasers walten lassen, wäre dieser fatale Messfehler im Flurbereich niemals entstanden. Es ist zwar lobenswert, dass die Handwerker modernste Messtechnik verwenden, allerdings sollten sie sich mit solchen Geräten auch entsprechend auskennen bzw. sach- und fachgerecht anwenden können. Werden Rotationslaser oder Nivelliergeräte nicht ordnungsgemäß ausgerichtet, sprich in Waage gebracht, sind Messfehler vorprogrammiert. Im Zweifelsfall sollten immer noch Kontrollmessungen durch Umstellen der entsprechenden Messgeräte (Rotationslaser oder auch Nivelliergerät) durchgeführt werden, um die ersten Messergebnisse (zum Beispiel die Herstellung der Meterrisse) zu überprüfen. Aber auch die Messgeräte selbst beinhalten eine gewisse Fehlertoleranz, die entsprechend bei der Auswertung der Messergebnisse berücksichtigt werden muss. An dieser Stelle sei auf die DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“, Ausgabe 10/2005, in der einige Passagen überarbeitet wurden, hingewiesen. Die früher üblichen Begriffe Grenzabmaß, Winkel- und Ebenheitstoleranz sollen künftig nicht mehr verwendet werden und wurden durch die Begriffe Grenzabweichung, Winkelabweichung, Grenzwert für Winkelabweichung, Ebenheitsabweichung und Grenzwert für Ebenheitsabweichungen ersetzt (Definitionen hierzu siehe Kasten oben Mitte). Die DIN 18202, Ausgabe 10/2005, legt unter anderem die Grenzwerte für Abweichungen von Längen, Breiten, Höhen oder Öffnungen für Abweichungen von vorgegebenen Winkeln, von der Ebenheit und von Fluchten von Stützen in vier unterschiedlichen Tabellen fest. Die in der Tabelle 1 zusammengestellten Grenzabweichungen gelten für: e Längen, e Breiten, e Höhen, e Achs- und Rastermaße, e Querschnittsmaße sowie e Öffnungen wie Fenster, Türen oder Einbauelemente. Die in der Tabelle 2 genannten „Grenzwerte für Winkelabweichungen“ gelten für: e vertikale, e horizontale sowie e geneigte Flächen und Öffnungen gleichermaßen. Die Grenzwerte sind daher auch für die im Fußbodenbau horizontal oder mit vorgegebenem Gefälle hergestellten Flächen heranzuziehen. Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen, die für die Ober- und Unterseite von Decken, Estrichen, Bodenbelägen und Wände gelten, sind in der Tabelle 3 festgelegt. Die Einhaltung der in der Tabelle 3 ausgewiesenen Zeilen für erhöhte Anforderungen bedarf jeweils einer eindeutigen vertraglichen Regelung. Die angegebenen Stichmaße gelten nicht für Absätze und Höhenversprünge zwischen angrenzenden Bauteilen wie zum Beispiel Belagwechsel. Sie unterliegen einer gesonderten Regelung. Ebenso sind die in den Stoffnormen festgelegten Maßabweichungen in Bezug auf Dickentoleranzen/Höhendifferenzen von Baustoffen, wie Fliesen, Naturwerksteine oder Parkettstäbe, in den Grenzwerten der Tabelle 3 nicht enthalten und müssen zusätzlich berücksichtigt werden. Neu aufgenommen in der DIN 18202, Ausgabe 10/2005, wurde die Tabelle 4, die sich mit Grenzwerten für Fluchtabweichungen bei Stützenreihen mit drei oder mehr Stützen befasst. Als Messpunktabstand ist hierbei der Abstand zwischen drei Stützen bzw. zwei Achsabständen anzusetzen. Zur eigentlichen Prüfungsdurchführung sind detaillierte Angaben in der DIN 18202 nicht enthalten. Hierzu bedarf es weiterhin der Heranziehung anderer Schriften wie das ZEB-Merkblatt „Toleranzen im Hochbau“ aus dem Jahre 2000. Bei dem beschriebenen Bauprojekt fand die DIN 18202, Ausgabe 10/2005, mehrfach Anwendung. Es war eindeutig feststellbar, dass eine extreme Toleranzüberschreitung hinsichtlich der Vertiefung innerhalb der Estrichkonstruktion im Flurbereich auf einer Fläche von zirka zwölf Quadratmetern vorlag.