Bauforensik: Wie Sachverständige und Gutachter aus der Fußbodenbranche davon profitieren können Mehr sehen als die anderen

Wurden Grundierungen oder UV-schützende Komponenten überhaupt eingesetzt? Wurde ein Estrichbeschleuniger auch tat­sächlich verwendet? Hat der Latexrücken eines Teppichs das Parkett verfärbt? Gewissheit bringen die Methoden der Forensik.

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    Forensikkamera
    © Rapp
    Durch die Forensikkamera wird der Härtereinsatz eines 2-K-Klebstoffes sichtbar.
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    © Bilder: Pitt
    1  Rapp: „Optische Bauforensik ist anschaulich, aber nicht einfach.“
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    2  Stellte eine interessante Systematik für die Untersuchung von Beschichtungsschäden vor: Professor Dr. Klaus Littmann, IBW, Leibniz Universität Hannover.
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    3  Der Sachverständige Alexander Weier beschäftigte sich mit dem Nachweis von Verfärbungen und deren Ursachen.
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    Hier wird dank Forensik der Schimmelbefall an einem Einbauschrank nachgewiesen.
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    Mit dem menschlichen Auge ist der Härtereinsatz nicht zu erfassen.
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    4  Selbst Trägerplatten unterschied­licher Parketthersteller können kenntlich gemacht werden.

Einen wichtigen Raum in der Bauforensik nimmt die Fluoreszenzfotografie ein. Sie beruht darauf, dass zahlreiche Materialien von für das menschliche Auge unsichtbaren kurz­welligem Licht zur Aussendung von Licht im sichtbaren Bereich angeregt werden. ­Dieses Phänomen ist als Fluoreszenz bekannt. Besonders interessant ist, dass fast ­alle im heutigen Baubereich eingesetzten Stoffe und Hilfsstoffe wie Klebstoffe, Ver­siegelungen, Öl, aber auch geeignete und ­ungeeignete Reinigungs- und Pflegemittel eine charakteristische Fluoreszenz besitzen. Diese Fluoreszenz ist allerdings so schwach, dass sie mit bloßem Auge kaum sichtbar ist. Mit einer mit Forensikfiltern ausgestatteten Kamera können diese Fluoreszenzen sichtbar gemacht und dokumentiert werden. Daraus lassen sich forensische Untersuchungsmethoden entwickeln, die zum Tatnachweis und zur Täterermittlung von Gerichten, Staatsanwälten oder Polizeidienststellen schon seit vielen Jahren genutzt werden.

Im Bauwesen sind sie noch recht neu. Deshalb erhält die Systematisierung von Praxisfällen eine ganz besondere Bedeutung. Darauf ging Prof. Dr. Andreas O. Rapp im Rahmen der zweiten. BauForensik Conference (siehe Kasten) mit der Vorstellung einer bereits vorhandenen Datenbank ausführlich ein. Um auf Erfahrungen zurückgreifen zu können, die den damit befassten Sachverständigen helfen, möglichst zügig zu Ergebnissen zu kommen, ist es erforderlich, sich dabei zunächst an die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten von Lichtquellen, Filtern und untersuchter Materialien heranzutasten und die erzielten Fortschritte festzuhalten.

Diese Beispiele verblüffen

Man war in Hannover am Institut für Berufswissenschaften im Bauwesen (IBW ) in den vergangenen Jahren nicht untätig und hatte mit Hilfe bekannter Zulieferer bereits weiterführende Daten über Materialien wie Teppiche, Klebstoffe, Lacke oder Öle mit ihren ­unterschiedlichen Additiven sowie auch ­Pflegemittel und Estrichbeschleuniger zusammengetragen und in Tabellen dokumentiert. Auf sie kann im Schadensfall bereits zurückgegriffen werden, wobei es im Anfangs­stadium besonders wichtig ist, die Unterlagen ständig zu erweitern und zu vervollkommnen. An praktischen Fällen aus der Fußbodentechnik zeigte Prof. Dr. Andreas O. Rapp auf, wo die Bauforensik helfen kann, bestimmten Phänomenen und Erscheinungsbildern auf die Spur zu kommen. Er präsentierte Schadensfälle, bei denen Holzinhaltsstoffe von Exotenhölzern mit der Wahl der richtigen Lichtquelle sehr deutlich sichtbar gemacht werden konnten, oder Fälle, in denen der Trocknungsgrad von Ölen aufgrund der unterschiedlichen Fluoreszenz gegenüber ausgehärtetem Material gerichtlich fundiert festgehalten werden konnten.

Lackaufbauten können sowohl quantitativ  als auch qualitativ dahingehend sicher einordnet werden, ob Grundierungen oder UV-schützende Komponenten eingesetzt wurden oder ob darauf verzichtet wurde. Auch Bruchbilder von Estrichen und Parkett ließen mit entsprechenden Filtern deutlich erkennen, ob die empfohlenen Vorstriche tatsächlich eingesetzt wurden. Das Vorhandensein von Estrichbeschleunigern, die Kenntlichmachung von im Schadensfall sehr aussagefähigen vertikalen Rissen im Holz oder von Verleimungsgraden bei Deckschichtablösungen gelingt auf Grund der Fluoreszenz der eingesetzten Materialien deutlich besser als im normalen Licht. Auch bei der Darstellung von Schimmelpilzen  hilft die Methode, weil fluoreszierende Stoffwechselprodukte kenntlich gemacht werden können, ohne dass Sporen oder Hyphen mit dem menschlichen Auge sichtbar sind. Selbst der Nachweis eines vertragsgemäßen Einsatzes des richtigen Parketts ist möglich, weil sich scheinbar gleiche Holzwerkstoffträger oder Versiegelungen ­optisch differenzieren lassen.

Die Wahrheit kommt ans Licht

Verfärbungen durch Gummifüße auf Parkett, durch Latexrücken eines Teppichs, selbst ein vergessener Härter bei einem 2K-PUR-Klebstoff oder qualitative Aussagen zu eingesetzten Beschichtungen auf Linoleum, die auf Grund von Fluoreszenzen eindeutiger möglich sind als im normalen Licht und viele weitere praktische Beispiele zeigten, was die Bauforensik leisten kann.

Das unterstrichen auch die sehr anschaulichen und lehrreichen Anwendervorträge, in denen mit der Materie befasste Gutachter ihre eigenen Erfahrungen im Umgang mit der Bauforensik einbrachten. Via Learning by Doing gelang es den Referenten, Weichmacherwanderungen aus Möbelgleitern kenntlich zu machen, falsche Mischungsverhältnisse von Klebstoffen zu offenbaren, Floureszenzveränderungen bei der Erweichung von silanbasierten Klebstoffen darzustellen, gerichtssichere Eisennachweise auf Eichenholz zu erbringen oder Unterschiede von Vergrauung durch falsche Pflege oder Urin mit ihren Grenzen und Möglichkeiten aufzuzeigen. Auch das Thema Schimmel und insbesondere die Darstellung der unsichtbaren, hellen und schwarzen Ausprägung erfährt durch die Bauforensik ganz neue Wahrnehmungsaspekte.Die große Anzahl der praktischen Anwendungen zeigt, dass die Bauforensik ungeahnte Möglichkeiten der Darstellung und Dokumentation bisher nicht erkennbarer Vorgänge und Erscheinungsbilder bietet, um zu beurteilende Fragen zielsicher in die richtige Spur zu bringen, um dann weitere Untersuchungen anzustellen.

Gerade in der gerichtlichen Beweissicherung kann der Sachverständige wichtige Informationen für den nicht spezialisierten Richter nachvollziehbar herausheben. Das Feld ist erst angerissen. Der Umgang mit den nötigen Gerätschaften erfordert viel Erfahrung, analytisches Denken und vor allem auch Verständnis in der Fototechnik. Deshalb ist der Austausch der Bauforensikanwender und das gemeinsame Lernen aller Beteiligten besonders wichtig, um den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten.