ZVPF-Mitgliederversammlung im Rahmen der Gemeinschaftstagung des BEB in Rain Hat die Innung eine Zukunft?

Die Gespräche kreisten vor allem um ein Thema: In Zeiten des gesellschaftlichen Wandels sowie schwindender Mitgliederzahlen suchen die Innungsoberen nach Antworten auf die Perspektiven der Innungsarbeit. Es sei höchste Zeit, über neue Strukturen nachzudenken.In Rain stand die Zukunftsentwicklung des Zentralverbandes Parkett- und Fußbodentechnik und seiner Innungen ganz oben auf der Tagesordnung. Auf vergangenen Tagungen wie der von 2006 in Trier oder 2011 in Wernigerode hatte man die damals aktuellen Mitgliederzahlen hochgerechnet, um sie jetzt auf den Prüfstand zu bringen. „Das, was zum damaligen Zeitpunkt prognostiziert wurde, ist zwar rückblickend nicht so dramatisch eingetreten, aber der Teufelskreis von rückläufigen Einzahlern bei steigenden Beiträgen wird in Zukunft immer bestimmender“, sagte Bundesinnungsmeister Peter Fendt. Obwohl seit zwei bis drei Jahren eine Stabilisierung zu verzeichnen sei, sollte dennoch eine Diskussion über die Struktur der eigenen Organisation angestoßen werden. Peter Fendt fragte bei seiner Begrüßungsrede provokativ: „Brauchen wir überhaupt noch Innungen?“ Er wies darauf hin, dass viele der Industriepartner nur noch einen verschwindend geringen Anteil ihres Umsatzes aus Geschäften mit den organsierten Betrieben generierten. Ihrer auf diese Weise scheinbar schwindenden Bedeutung stände jedoch konträr entgegen, dass die meisten Marktteilnehmer ohne Errungenschaften der Innungen weit weniger erfolgreich wären. Fachbücher, Merkblätter, das Sachverständigenwesen, Kommentare und nicht zuletzt die Vorzüge einer guten Ausbildung wären unverzichtbare und anerkannte Leistungsmerkmale des Berufsverbandes, die Industrieunternehmen für sich mit sehr großer Bereitwilligkeit nutzen würden. Innungen zusammenlegenEs sei also wichtig, diese unzweifelhaften Mehrwerte in ein angemessenes Licht zu setzen und herauszufiltern, um mit diesem Rückenwind gemeinsam zukünftige Entwicklungen planen und steuern zu können. In diesem Zusammenhang sei es auch notwendig, darüber nachzudenken, ob die Zahl von 21 Innungen nicht viel zu hoch sei und eine wirksame Zusammenlegung von Organisationsteilen künftig sinnvoller wäre. Sehr erfolgreiche Beispiele von Kooperationen zwischen Innungen gäbe es mittlerweile genügend. Auch ein noch nicht lange zurückliegendes Treffen mit den Fördermitgliedern aus der Industrie hätte dazu beigetragen, jetzt offener und zielgerichteter über all diese Dinge nachzudenken, sagte Fendt. Um dieses Zukunftsprojekt, das von einer bereits aktiv gewordenen Arbeitsgruppe protegiert wird, weiter voranzutreiben, hatte man für die Tagung mit Ingolf F. Brauner einen Experten für Wandel in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gewinnen können. Der Referent hielt den anwesenden Innungsoberen den Spiegel vor und analysierte die aktuelle Ist-Situation, um letztlich daraus Visionen für die Zukunft zu entwickeln. Das Handwerk habe keine Lobby, die Innungen stehen in Konkurrenz zur Industrie – besonders bei Fortbildungsveranstaltungen, der Organisationsgrad schwinde, die Vernetzung leide, die Hersteller gäben die Standards vor, handwerkliches Know-how gehe zurück – lauteten einige seiner nicht ganz so neuen Erkenntnisse, die ihn zu gezielten Forderungen für künftige Aktivitäten führten: Schnelles Handeln in flexiblenStrukturen, Verlassen alter Wege,Verbesserung der Attraktivität, speziell für Nichtmitglieder, Berücksichtigung von Freizeitaspekten,bessere Ansprache junger Leute,Überzeugung, aber auch Einbindung von Bedenkenträgern.Netzwerke & KooperationenDas seien nur einige der Maßnahmen, die zu ergreifen wären. „Man muss einen erkennbaren Mehrwert anbieten. Ideal wäre es darüber hinaus, wenn der Endkunde als entscheidendes Glied in der Kette Innungsbetriebe für die auszuführenden Arbeiten anfordert“, stellte Brauner seine Vision in den Raum. Das funktioniere aber nur, wenn man Kooperationen und Netzwerke bilde, sagte der Referent mit Blick auf gemeinsame Projekte mit der Industrie. „Mit so kleinen Einheiten wie aktuell ist wirksame Lobbyarbeit – ohnehin nicht die Stärke des Handwerks – nicht möglich.“ Er erinnerte an erfolgreiche Kooperationen verschiedener Handwerksgewerke und sprach sich für eine großformatige Umsetzung in der Verbandsarbeit aus, indem er erwähnte, dass dieses Manko für nahezu jede der 7.000 Innungen gelte. Keine Zeit verlierenMit seinen Thesen und Forderungen stieß Brauner bei den Anwesenden auf offene Ohren. „Wir müssen endlich anfangen, über neue Strukturen nachzudenken, und dürfen dabei keine Zeit verlieren“, lautete das allgemeine Echo, wobei allerdings über das Tempo der Umsetzung noch Uneinigkeit zu herrschen schien. Jedoch kam ein Beschluss zustande, den eingeleiteten Prozess des Nachdenkens über neue Strukturen fortzuführen. Das Arbeiten in kleinen Arbeitsgruppen oder Gestaltungsteams, wie es seit einiger Zeit von der Fachgruppe der Lehrlingswarte mit guten Resultaten bevorzugt wird, könnte auch in Fragen der Zukunftsentwicklung des Verbandes ein erfolgversprechendes Modell sein, verlautete es aus dem Zuhörerkreis, in dem dieses drängende Thema auf große Akzeptanz stieß. Mit den Berichten aus den Fachgruppen des Zentralverbandes ging die sehr konzentrierte und anregende Mitgliederversammlung zu Ende. Walter Pitt walter.pitt@holzmann-medien.de Folgebilder7 Wilhelm Nürnberger: „Wir wollen wissen, wie Hersteller die neuen Erkenntnisse zu Delaminierungen in ihren Prüfmethoden umsetzen.“8 Jochen Michalik: „Vom 17. bis 19. November ist eine Fachgruppenreise der Restauratoren nach St. Petersburg geplant.“9 Thorsten Barth: „Die Treffen unserer EDV-Fachgruppe bieten viele Informationen über die Datenverarbeitung hinaus.“