bwd im Gespräch mit dem Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie - Die gefühlte Rückkehr des Textilen"> bwd im Gespräch mit dem Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie Die gefühlte Rückkehr des Textilen

Wo steht der Teppichboden im Herbst 2015? bwd befragte hierzu die beiden Vorstandsmitglieder Stephan Naacke (Findeisen) und Rudolph Welcker (Tretford) sowie Verbands-Geschäftsführer Martin Auerbach.

  • Bild 1 von 4
    Die gefühlte Rückkehr des Textilen
    © Tretford
    Modulare textile Bodenbeläge bieten unendliche Farb-, Design- und Gestaltungsmöglichkeiten.
  • Bild 2 von 4
    Stephan Naacke
    © Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie e.V.
    Stephan Naacke.
  • Bild 3 von 4
    Rudolph Welcker.
    © Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie e.V.
    Rudolph Welcker.
  • Bild 4 von 4
    Martin Auerbach
    © Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie e.V.
    Martin Auerbach.

bwd Herr Auerbach, wie ist die Teppichbodenindustrie gegenwärtig im Heimtex-Verband repräsentiert?

Auerbach Die Mehrzahl der in Deutschland produzierenden Hersteller textiler Bodenbeläge ist im Heimtex-Verband organisiert. Bezogen auf den Umsatz dürfte der Organisationsgrad über 65 Prozent liegen. Hinzu kommen auch Unternehmen aus Belgien, den Niederlanden und der Schweiz, die wir in Bezug auf den deutschen Markt betreuen. Wir freuen uns, dass sich wichtige Player der Branche bei uns gemeinsam engagieren und die Branche mitgestalten.

bwd Wie stellt sich die Situation für textile Bodenbeläge in Deutschland und im Ausland aktuell dar?

Auerbach Zum Jahresbeginn bis einschließlich April musste der Bereich der textilen Bodenbeläge – konkret Tuftingware – weiter mit rückläufigen Tendenzen kämpfen. Erfreulicherweise entwickelt der Markt für qualitätsorientierte Tuftingware, wie sie unsere Mitglieder herstellen, seit Mai jedoch zunehmend Dynamik. Die Umsatzentwicklung verlief positiv, und dies sowohl im In- und im Ausland. Die Umsätze im Mai und Juni lagen deutlich über dem Vorjahresniveau. Zum Halbjahresende konnten somit die Einbußen der ersten Monate insgesamt wieder ausgeglichen werden. Das 1. Halbjahr endete mit einem marginalen Umsatzplus von 0,2 Prozent. Dabei wurde im Inland das Umsatzniveau des Vorjahres um 0,7 Prozent übertroffen. Der Exportumsatz erreichte das Vorjahresniveau trotz der positiven Entwicklung zum Halbjahresende noch nicht und liegt im Vergleich um 1,1 Prozent zurück. Der Exportanteil liegt derzeit bei 24 Prozent. Vordergründig mag das Ergebnis überraschen, da es sich handelsseitig nicht unbedingt widerspiegelt. Verantwortlich für die negative Wahrnehmung im Handel ist ein Rückgang des Absatzes von Produkten der Massenanbieter, von denen sich unsere Mitglieder deutlich abheben.

bwd Woran machen Sie die "zunehmende Dynamik" seit Mai fest, Herr Welcker?

Welcker Dies ergibt sich aus den vom Heimtex-Verband erhobenen Zahlen, die in die Statistik einfließen. Diese rein statistische Aussage spiegelt sich aber auch in der Stimmung unter den qualitätsbewussten Marktteilnehmern tatsächlich wider. Zum einen spielen hier sicherlich die verschiedenen positiven Produkteigenschaften hochwertiger textiler Bodenbeläge und die damit verbundenen Vorteile gegenüber den Hartbelägen – insbesondere im Objektbereich – eine Rolle. Denn die hervorragenden Akustikeigenschaften, die hohe Strapazierfähigkeit, der positive Beitrag zur Energieeffizienz, aber auch das angenehme „Fußgefühl“ auf textilen Bodenbelägen sind für den guten Eindruck, den z.B. der Hotelgast mitnimmt, sehr wichtig. Zum anderen ist spürbar, dass sich die Wertschätzung gegenüber dem Teppichboden zunehmend positiv entwickelt. Ich möchte hier noch nicht von einer Trendwende sprechen, aber dieser Eindruck verfestigt sich, das stellen wir in Gesprächen mit Kollegen und qualitätsbewussten Kunden immer wieder fest.

bwd Wie verhält es sich mit Webware und Nadelvlies?

Naacke Auch die Webware entwickelt sich aktuell sehr positiv. Zur Entwicklung von Nadelvliesprodukten fehlen uns leider noch verlässliche Zahlen; es wäre schön, wenn sich die Nadelvlieshersteller zu einer eigenen Statistik durchringen könnten, das würde alle weiterbringen. Aus unserer Sicht kann ich sagen, dass sich das Geschäft positiv entwickelt. Dieser Erfolg kommt aber nicht von allein. Wir haben uns auch über unsere innovative Produktdarstellung neu positioniert und die Kollegen im Verband sind – jeder für sich – auch spezialisiert, teilweise besetzen sie Nischen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, sich von der billigen Massenproduktion abzuheben und auf qualitativ hochwertige und hochpreisige Produkte zu setzen.

bwd Was beobachten Sie auf dem Feld der modularen textilen Bodenbeläge?

Welcker Modularität spielt im gesamten Interior-Bereich eine zunehmende Rolle. Im Möbelbereich ist dieser Trend bereits seit längerem zu beobachten. Die Gründe sind vielfältig. Als Stichworte dazu fallen mir spontan die folgenden ein: viele Singlehaushalte, mehr Umzüge, der Wunsch nach Veränderungen nimmt zu, wachsende Mobilität der Menschen, mobile Büroarbeitsplätze, vielschichtige Trends, kürzere Modezyklen und noch vieles mehr. Die Welt wird bunter. Es wird häufiger und mehr verändert. Vor diesem Hintergrund wächst auch der Wunsch nach Modularität am Boden. Modulare textile Bodenbeläge bieten unendliche Farb-, Design- und Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu gehört auch der Mix verschiedener Qualitäten sowie die leichte Austauschbarkeit im Renovierungs- oder Umgestaltungsfall. Kurzum: Der Markt für modulare textile Bodenbeläge wächst.

bwd Wie sieht die Nachfrage differenziert nach Objektbereich und privatem Bereich aus?

Auerbach Im Objektbereich ist der textile Bodenbelag gut etabliert. Im Privatbereich gilt es, verlorengegangene Marktanteile der letzten Jahre zurückzugewinnen. Vorsichtig mehren sich jedoch auch hier die Zeichen für mehr Wertschätzung. Unterstützung für ein besseres Produktverständnis und wieder mehr Akzeptanz beim Konsumenten bietet die Kampagne "Teppich & Du". Sie präsentiert und inszeniert die Vorzüge und die Vielfalt textiler Böden hinsichtlich ihrer Farb-, Design- und Gestaltungsmöglichkeiten. Immer häufiger fällt die emotionsgeladene Kampagne bei Handel und Handwerk auf und erreicht so auch die Verbraucher.

bwd Das klingt aber jetzt schon irgendwie nach Trendwende, oder?

Welcker Zum jetzigen Zeitpunkt ist es wie gesagt aus unserer Sicht noch etwas früh, von einer Trendwende zu sprechen. Was bringt das auch? Wir haben hierzu unsere Einschätzungen bereits aufgezeigt. Wir sind aber grundsätzlich davon überzeugt, dass der textile Bodenbelag zukünftig wieder mehr an Raum im Markt gewinnt. Die Gesellschaft ist im Wandel und die erforderliche zielgruppengerechte Ansprache erfolgt in der Einrichtungsbranche nur bedingt. Über die Gruppe der Best Ager, also die Generation 50 plus, die auch das finanzielle Potenzial hat, sich hochwertig einzurichten, wurde in der Vergangenheit viel berichtet und auch viel geforscht. Dort ist die Akzeptanz zum textilen Bodenbelag vorhanden und hier müssen wir auch weiter nachsetzen.

bwd Die positiven Argumente pro Teppichboden sind seit Jahren bekannt. Ist der Verbraucher dafür inzwischen wieder empfänglicher geworden oder wurden sie in der Vergangenheit nicht optimal kommuniziert?

Auerbach Modezyklen gibt es auch im Bodenbelagbereich. Allerdings sind diese länger als im Bereich der Bekleidung. In den letzten Jahren dominierten turnusgemäß die Hartbeläge den Privatbereich. Dies kann sicherlich jeder in seinem privaten Freundes- und Familienkreis verifizieren. Trends lösen sich ab. Das heißt konkret, dass zukünftig textiler Bodenbelag wieder stärker in den Fokus des Verbrauchers rücken wird. Grundsätzlich war vermutlich in diesem Zusammenhang die zeitliche Lücke, die zwischen den Maßnahmen der Europäischen Teppichgemeinschaft und "Teppich & Du" lag, zu lang. Wir hören immer wieder, dass sich Hotels mit der Umstellung auf Hartbeläge keinen Gefallen getan haben. Krach und kalte Füße sind das Letzte, was Hotelgäste gebrauchen können und das Housekeeping, das sich anfänglich tatsächlich für den Wechsel der Bodenbelagart ausgesprochen hatte, fordert nun reumütig wieder die Rückkehr zum Teppichboden, denn das feuchte Durchwischen kostet einfach mehr Zeit und bringt auch wegen der Trocknungsphase Unruhe in den Arbeitsablauf. Außerdem sieht man auf dem Hartboden auch einfach alles. Über Hotels wurden schon viele Trends gesetzt. Aktuell boomen Boxspring-Betten. Auslöser waren die Betten, die zunächst nur in Hotelzimmern standen. Und mit textilen Bodenbelägen kann nicht nur eine behagliche Atmosphäre geschaffen werden, sondern es lassen sich auch tolle gestalterische Akzente setzen. In anspruchsvollen Hotels liegen hochmoderne Teppichböden, die sich mit Dekorationsstoffen und Gardinen zu einer absolut geschmackvollen Einrichtung vereinen. Das kann die Gäste inspirieren und auch Einfluss auf die Gestaltung des eigenen Heims nehmen.

bwd Noch einmal zur Initiative "Teppich & Du". Wie fällt die Bilanz des Heimtex-Verbands hierzu aus?

Auerbach Der Heimtextilien-Verband begrüßt und unterstützt die Initiative "Teppich & Du". Wir haben uns hierzu bereits an anderer Stelle geäußert. Dennoch möchten wir die aus unserer Sicht wichtigen Charakteristika von "Teppich & Du" herausstellen. Dazu gehört zum einen, dass die Kampagne den textilen Bodenbelag mit seinen Vorzügen systematisch nach außen kommuniziert. Zum anderen zieht ein Großteil der Branche vertikal durch den Absatzkanal an einem Strang und verfolgt ein gemeinsames Ziel.

bwd Gibt es entwicklungstechnischen Spielraum (Entwicklungspotenziale) beim textilen Produkt? Wenn ja, wie sieht der aus?

Naacke Entwicklungspotenziale gibt es durchaus. Aktuell gehören die Teppichfliesen in gestalterischer und die Akustikbeläge in technischer Sicht dazu. Die deutsche Teppichindustrie engagiert sich stark im Bereich Forschung und Entwicklung. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Textiles & Flooring Institut. Über einen entsprechenden Mehrwert findet auch wieder Differenzierung, sprich Abhebung, von der Masse statt.

bwd Wie sieht das Nachfragepotenzial nach Teppichböden "made in Germany" global betrachtet aus?

Naacke Das ist durchaus noch ausbaufähig. Die Exportquote textiler Bodenbeläge aus deutscher Produktion liegt derzeit bei 24 Prozent. Dieser Wert ist seit Jahren mehr oder weniger konstant. Vor dem Hintergrund, dass "made in Germany" weltweit einen sehr guten Ruf genießt, liegt im Ausland mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht ausgeschöpftes Absatzpotential. Der Blick auf die Auslandsmessen der Branche zeigt, dass die Hartbeläge die Chancen im Ausland grundsätzlich stärker nutzen und sich entsprechend hochwertig präsentieren. Auch wenn die Erschließung ausländischer Märkte mit vielen Herausforderungen – gerade für mittelständisch geprägte Unternehmen – verbunden ist, können wir mit Unterstützung des Heimtex-Verbandes, der ein großes internationales Netzwerk im Bereich Messewesen und Absatzförderung unterhält, sicherlich noch an Boden gewinnen. Ganz aktuell diskutieren wir in der Fachgruppe, wie wir dieses Netzwerk des Verbandes noch effektiver nutzen können.

bwd Klafft die Schere zwischen hochwertig und billig, zwischen Volumen und Qualität beim Teppichboden weiter auseinander?

Welcker Es ist klar erkennbar, dass die Schere weiter auseinander geht, wobei sich bei den Massenprodukten nach unserer Einschätzung zwar das Qualitätsniveau halten wird, die Preise aber weiter nachgeben werden und sich dadurch der ruinöse Preiskampf weiter verschärfen wird. Wir kennen diese Entwicklung aus dem Laminatbereich. Dem gegenüber werden sich im Hochwertbereich die Spezialisten weiter etablieren und der Faktor Qualität noch stärker zum Unterscheidungsmerkmal. Dieser Trend dürfte den Heimtex-Mitgliedern eindeutig zugutekommen.

bwd In welche Richtung verschieben sich das Qualitätsniveau und die Durchschnittpreise in den Exportnationen?

Naacke Wenn es um Qualität geht, werden die Durchschnittspreise in Europa langfristig sicher steigen. Wie die Entwicklung in Russland oder z.B. in China verlaufen wird, ist aktuell schwer einzuschätzen. Diese Märkte stehen momentan sehr unter Druck, allerdings besteht auch in diesen Ländern grundsätzlich eine Nachfrage nach hochwertigen Produkten aus Europa und insbesondere aus Deutschland.

Die Fragen stellte bwd-Redakteur ­Stefan Heinze.